URI: 
       # taz.de -- Gewalt wird einziges Thema: „Für uns legitime Ziele“
       
       > Der Brandanschlag auf die Autos eines Polizisten hat eine Gewalt-Debatte
       > ausgelöst – und die rassistischen Kontrollen in den Hintergrund gerückt
       
   IMG Bild: Die Szene diskutiert: Gewalt gegen Menschen, Dienst- oder Privatwagen?
       
       HAMBURG taz | Der Brandanschlag auf das Carport des Polizei-Chefs der seit
       April in Hamburg operierenden „Task Force Drogen“ hat einen heftigen Diskus
       über militante Aktionen der linken Szene ausgelöst. Bei der Aktion in der
       Nacht zum Freitag an dem Einfamilienhaus in Lehmsahl-Mellingstedt, zu dem
       vermutlich aus der antirassistischen Szene ein Bekennerschreiben vorliegt,
       waren der Nissan Pathfinder und ein VW Polo der Familie des Polizeichefs
       beschädigt worden.
       
       „Mit dem Angriff auf die Privatsphäre eines Beamten der Polizeiführung
       wurde eindeutig eine Grenze überschritten“, verurteilte Polizeipräsident
       Ralf Meyer die politisch motivierte Straftat. „Die Täter haben Leib und
       Leben nicht nur des Polizeibeamten in Gefahr gebracht, sondern auch das
       seiner ganzen Familie.“
       
       Diese Aussage suggeriert, dass die Brandstifter bewusst Menschenleben in
       Kauf genommen hätten. Doch formaljuristisch war es lediglich eine
       Sachbeschädigung und keine Körperverletzung, wenngleich die Familie wohl
       einen Schreck bekommen hat.
       
       ## Logik der Militanz
       
       Dass militante linke Gruppen zu solchen Formen des „Widerstandes gegen die
       herrschenden Verhältnisse“ greifen, ist aus deren Logik erklärbar. In einem
       Bekennerschreiben zu der Brandstiftung heißt es: „Täter haben Namen und
       Adressen.“
       
       Häuser und Autos von Polizeiführern seien „für uns legitime Ziele“. Den
       Polizeichef bezeichnen die Briefschreiber als „Menschenjäger“, der als
       Leiter der Task Force Drogen eine „Hetzjagd auf vermeintliche Dealer_innen
       in St. Pauli“ betreibe.
       
       Auch nach Auffassung der innenpolitischen Sprecherin der Linkspartei,
       Christiane Schneider, haben die Kontrollen der Polizei in der Hafenstraße
       die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit verlassen. Im August stürmten 300
       Polizisten und die mit Maschinenpistolen bewaffnete Beweissicherungs- und
       Festnahmeeinheit (BFE) unter dem Vorwand die Hafenstraßenhäuser, ein
       Stromkabel beschlagnahmen zu wollen. Tatsächlich wurden 34 vermeintliche
       Drogendealer im Hinterhof der Volxküche festgesetzt.
       
       ## Auch in der Polizei umstritten
       
       Selbst in Polizeikreisen war die Machtdemonstration umstritten. „Das wäre
       alles auch ohne großen Aufwand zu bewältigen gewesen und der BFE-Einsatz
       ging gar nicht“, sagte ein Polizeioffizier der taz.
       
       Auch ist die 80-köpfige Task Force dem ständigen Vorwurf des
       menschenrechtswidrigen „Racial Profilings“ ausgesetzt, da sie in St. Pauli,
       im Schanzenviertel und St. Georg primär gegen schwarz-afrikanische
       mutmaßliche Drogendealer vorgeht.
       
       „Von April bis Ende August wurden 230 Einsätze durchgeführt, über 11.500
       Personen überprüft, mindestens 5.000 Platzverweise und Aufenthaltsverbote
       ausgesprochen, mehr als 350 Menschen vorläufig festgenommen, 2.000
       Strafanzeigen gestellt, 60 Haftbefehle erlassen und 13 Freiheitsstrafen
       verhängt“, heißt es in dem Bekennerschreiben.
       
       ## No-Go-Areas dank Polizei?
       
       „Für People-of-Color wurden die Einsatzgebiete der Task-Force zeitweilig zu
       No-Go-Areas“, heißt es in dem Schreiben weiter. „Dass dabei auch jemand tot
       auf der Strecke bleibt, wie Jaja Diabi, der wegen 1–2 g Mariuhana
       festgenommen wurde und im Gefängnis gestorben ist, juckt die Staatsmacht
       nicht.“
       
       Da in dem Bekennerschreiber auch Bezug auf mögliche Protestaktionen gegen
       den G 20-Gipfel im nächsten Jahr genommen wird, haben sich auch, genau wie
       vor dem G 8-Gipfel im Jahr 2007, die Staatsschutzbehörden eingeschaltet
       (siehe Kasten).
       
       Die Polizei will die Gruppierung hinter der Brandstiftung erwischen: „Die
       Ermittlungen laufen auf Hochtouren“, sagt Polizeisprecherin Heike Uhde.
       
       27 Sep 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Kai von Appen
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Polizeikontrollen in Hamburg
   DIR Autonome Szene
   DIR Militanz
   DIR Racial Profiling
   DIR Hafenstraße
   DIR Schwerpunkt Polizeikontrollen in Hamburg
   DIR Gefahrengebiet
   DIR Polizei Bremen
   DIR Demonstrationen
   DIR Hafenstraße
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Kleinkrieg in der Hafenstraße: Kampf um Laternen und Büsche
       
       Task Force Drogen und das Bezirksamt Mitte lassen die Begrünung vor den
       Hafenstraßen-Häusern stutzen, damit Drogen-Fahnder mehr Durchblick haben
       
   DIR Racial Profiling in Hamburg: Polizei kopiert sich selbst
       
       Immer wieder werden Geflüchtete angeklagt, mit Kleinstmengen Marihuana zu
       dealen. Eine Anwältin wirft der Polizei Copy-and-Paste-Anklagen vor.
       
   DIR Kommentar zur PR-Strategie der Hamburger Polizei: Täglicher Irrsinn
       
       Gefahrengebiete gelten als verfassungswidrig, aber die Polizei praktiziert
       sie weiter. Sie betreibt Schikane und Repression als Öffentlichkeitsarbeit
       
   DIR Rassistische Polizeikontrolle: Nicht blond, also verdächtig
       
       Weil er Migranten im Auto mitnahm, geriet ein Mann in eine
       Polizeikontrolle. Dabei ist „Racial Profiling“ verfassungswidrig – und ein
       bekanntes Problem.
       
   DIR Pro & Contra zu Hafenstraßen-Demos: Populismus vor dem Privathaus
       
       Wegen einer Razzia in der Hafenstraße haben Linke vor dem Wohnhaus von
       Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) auf St. Pauli protestiert. Ist das
       schlechter Stil?
       
   DIR Kriminologe über Hausdurchsuchung: „Eine unverantwortliche Aktion“
       
       Am Montag stürmte die Polizei ein Hausprojekt auf St. Pauli und nahm
       mutmaßliche Kleindealer auf der Straße fest. Wem nützt das?
       
   DIR Stadt-Kongress in Hamburg: Orientierungshilfe für die Kuhherde
       
       600 internationale AktivistInnen diskutierten über Stadtpolitik. Und
       versuchten, das „Recht auf Stadt“ auch praktisch zu definieren. Die Polizei
       fand's nicht lustig.