URI: 
       # taz.de -- SyrerInnen in Berlin: Wenn das Leben neu beginnt
       
       > Die taz hat drei syrische Flüchtlinge besucht, über die sie schon
       > mehrfach berichtet hat. Ihre Geschichten zeigen: Es geht um viel mehr als
       > nur Sprache und Qualifikation.
       
   IMG Bild: Erst mal registrieren: Ein kleiner Junge läuft durch die Leistungsstelle für Flüchtlinge im ICC
       
       Wie fängt man ein neues Leben an, wenn man das muss, aber gar nicht gewollt
       hat? Ein Leben, das man sich so nie vorgestellt hat? Millionen Menschen
       sind in den vergangenen vier Jahren aus Syrien geflohen, die meisten in den
       Libanon, die Türkei oder nach Jordanien. Hunderttausende sind auch nach
       Deutschland gekommen, Zehntausende davon leben nun in Berlin. Von ihnen
       wird erwartet, schnell Deutsch zu lernen, sich zu integrieren, Arbeit zu
       finden und sich in die Gesellschaft einzubringen.
       
       Aber bietet die neue Heimat den Geflüchteten genug Chancen, genug
       Unterstützung, sich ein solches neues Leben aufzubauen? Ja, es gibt dafür
       Deutschkurse, Beratungsstellen, Jobcenter mit Maßnahmen zur beruflichen
       Integration – einerseits, verbunden mit einer für die Neuankömmlinge oft
       fast undurchschaubar verwirrenden Bürokratie. Und andererseits sind da die
       Geflüchteten selbst, jede und jeder von ihnen mit einer ganz persönlichen
       Geschichte, in einer individuellen Notlage, ein Mensch: kämpferisch oder
       zaghaft, OptimistIn oder PessimistIn, Stehaufmännchen oder depressiv,
       kontaktfreudig oder einsam.
       
       ## Der Kopf muss auch ankommen
       
       Die taz hat in den letzten Jahren viele syrische Geflüchtete porträtiert:
       Da war die Journalistin, schwanger mit ihrem ersten Kind und trotzdem schon
       aktiv als Bloggerin und Radiomacherin. Da war der Soldat, sein Körper
       schwer verletzt in Deutschland – der Kopf war bei den Rebellen geblieben,
       mit denen er gegen das Assad-Regime gekämpft hatte. Der Körper sollte hier
       genesen und dann möglichst schnell zurück nach Syrien: weiterkämpfen.
       
       Da war der Zahnarzt, der abgeschoben werden sollte und trotzdem mit dem
       Deutschlernen anfing, fest entschlossen, hierzubleiben und sich in
       Deutschland ein Leben aufzubauen, auch wenn Deutschland das nicht will:
       verschiedene Fluchtgeschichten, Schicksale, Traumata und Träume,
       verschiedene Qualifikationen und unterschiedliche Zukunftspläne und
       -chancen.
       
       ## Bürokratischer Wirrwarr
       
       Wie geht es ihnen heute, ein, zwei Jahre nach unserer ersten Begegnung? Die
       Journalistin Dima B. Kalaji ist mittlerweile Mutter, hat FreundInnen
       gefunden, macht immer noch Radio: eine perfekt organisierte Frau, die
       dennoch fast verzweifelt am „bürokratischen Wirrwarr“ bei dem Versuch,
       Papiere für ihre Tochter zu bekommen.
       
       Der Zahnarzt Anas Al Aloah wurde nicht abgeschoben und hat nach weniger als
       drei Jahren Arbeit gefunden: erheblich schneller als viele andere
       Geflüchtete. Und doch ging ihm das alles nicht schnell genug. Und Walid Al
       Abdullah, der Soldat, ist nicht nur fast genesen – er hat unterdessen auch
       seinen Kopf aus Syrien nach Berlin geholt. Er will jetzt Deutsch lernen,
       Freunde und Arbeit finden. Sein Kampf um ein gutes Leben hier fängt jetzt
       erst an.
       
       Drei Geschichten von drei Geflüchteten mit hoher Motivation, bei denen
       trotzdem nicht alles so gelaufen ist, wie sie oder Integrationspolitiker
       sich das wünschen – und die dennoch nicht aufgeben. Ihre Geschichten
       zeigen: Wer sein altes Leben, seine darauf gründenden Zukunftspläne ganz
       unfreiwillig aufgeben musste, der braucht Unterstützung. Aber auch festen
       und sicheren Boden unter den Füßen.
       
       Dieser Text ist Teil des aktuellen Wochenendschwerpunkts in der taz.berlin.
       Darin mehrere Porträts von Geflüchteten aus Syrien. Am Kiosk.
       
       8 Oct 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Alke Wierth
       
       ## TAGS
       
   DIR Fachärzte
   DIR Flüchtlinge
   DIR Schwerpunkt Türkei unter Erdoğan 
   DIR Integrationskurs
   DIR Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF)
   DIR „Islamischer Staat“ (IS)
   DIR Schwerpunkt Syrien
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Probleme mit Approbationen in Berlin: Steine in den Weg gelegt
       
       Ein Zahnarzt aus Syrien darf nach drei Jahren Anstellung nicht mehr
       arbeiten. Die Berufserlaubnis gilt nur drei Jahre. Über einen Berliner
       Sonderweg.
       
   DIR Geflüchtete in Berlin: Wie wir uns verändern
       
       Der Sommer vor fünf Jahren hat Berlin nachhaltiger verändert als alle
       Einwanderungswellen zuvor. Eine Bestandsaufnahme.
       
   DIR Syrische Geflüchtete in der Türkei: Ausputzer und Sündenböcke
       
       Hunderttausende Syrer sind in der Türkei ohne Arbeitserlaubnis beschäftigt.
       Das führt zu Ausbeutung und Missgunst.
       
   DIR Integration von Flüchtlingen in Bremen: Die gute Seite der Ein-Euro-Jobs
       
       Im Programm „Arbeit und Integration“ helfen Ein-Euro-Jobs Geflüchteten in
       Arbeitssituationen, die Sprachhürde zu meistern.
       
   DIR Flucht und Asyl: Bereit für ein neues Leben
       
       Nouralla Sharro aus Syrien wartet seit über einem Jahr auf die
       Entscheidung, ob er Asyl bekommt. Die Angst und das erzwungene Nichtstun
       machen ihn mürbe.
       
   DIR Journalisten-Preis Raif Badawi Award: Eine Stimme für Flüchtlinge
       
       Im nordirakischen Flüchtlingssender „Radio Dange Nwe“ führen junge Frauen
       die Regie. Jetzt werden sie für ihre Arbeit ausgezeichnet.
       
   DIR Syrien-Resolutionen im UN-Sicherheitsrat: Waffenruhe für Aleppo gescheitert
       
       Sowohl Russland als auch Frankreich hat im höchsten UN-Gremium einen
       Entwurf über eine Waffenruhe in Aleppo vorgelegt. Beide sind nicht
       angenommen worden.