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       # taz.de -- WM-Qualifikationsgegner Tschechien: Früher war alles besser
       
       > Die DFB-Elf muss sich nicht vor dem tschechischen Team fürchten. Das
       > Nachbarland hat in den vergangenen Jahren einige Entwicklungen verpasst.
       
   IMG Bild: Tomas Rosicky ist in die Jahre gekommen, genau wie der tschechische Fußball
       
       „Der tschechische Fußball hat nicht mehr die große Klasse wie früher, es
       fehlen die Namen“, gibt Pavel Kaderabek achselzuckend zu. Kaderabek, 24,
       ist gerade dabei, sich bei der TSG Hoffenheim einen Namen zu machen. Nach
       einer durchwachsenen ersten Saison nach dem Wechsel von Sparta Prag
       überzeugt der dynamische Außenverteidiger in dieser Runde bei der TSG als
       lebhafter Dauersprinter.
       
       Neben Theodor Gebre Selassie (Werder Bremen) und Linksaußen Ladislav Krejci
       (FC Bologna) ist er der Einzige in Tschechiens voraussichtlicher Startelf
       im WM-Qualifikationsspiel am Samstag in Hamburg gegen Deutschland (20.45
       Uhr; RTL), der regelmäßig in einer großen europäischen Liga spielt.
       Mittelfeldrenner Vladimir Darida von Hertha Berlin und Torwart Jaroslav
       Drobny von Werder Bremen werden wegen Verletzung fehlen in der Auswahl von
       Trainer Karel Jarolim, 60.
       
       Der Vater des ehemaligen HSV-Kapitäns David Jarolim übernahm im Sommer von
       Pavel Vrba, der nach trostlosem EM-Aus den Rücktritt erklärte. „Ich denke,
       das Problem ist nicht der Trainer, es gibt einfach zu wenig Klassespieler,
       die in guten Ligen spielen – und die tschechische Liga selbst ist nicht so
       stark“, analysiert Kaderabek. „In Tschechien habe ich fünf Sekunden Zeit,
       wenn ich den Ball bekomme, in Deutschland vielleicht eine, bevor der
       Gegenspieler angreift.“
       
       Zu behäbig und ohne Ideen, so spielte Tschechien bei der EM im Sommer in
       Frankreich. „Wir waren nicht gut“, gibt Kaderabek zu. Altvordere wie Petr
       Czech, 35, oder Jaroslav Plasil, 34 traten nach dieser Enttäuschung aus dem
       Nationalteam zurück, Tomas Rosicky, 36, aber nicht. Er wechselte zurück in
       die Heimat zu Sparta Prag. Nun aber ist der fragile Techniker wieder einmal
       verletzt, am Samstag in Hamburg fehlt er. „Schade für Tschechien“, sagt
       Defensivspieler Kaderabek. Tomas Rosicky aber hat seine Zukunft längst
       hinter sich, als Hoffnungsträger für die Nationalmannschaft taugt er nicht
       mehr. Aber wer oder was dann?
       
       Nach dem Fall der Mauer wechselten aus Tschechien immer wieder großartige
       Fußballer wie Pavel Nedved oder Rosicky zu großen Vereinen in ganz Europa.
       Die Endspielteilnahme bei der EM 1996 gegen Deutschland (Endstand: 1:2
       durch Oliver Bierhoffs Golden Goal) ist der größte Erfolg des tschechischen
       Fußballs, aber neben dem Halbfinal-Aus 2004 bei der EM in Portugal gegen
       Griechenland auch die bitterste Niederlage. Künftig aber scheinen Erfolge
       kaum mehr möglich.
       
       ## Der Nachwuchs benötigt mehr Förderung
       
       Tschechiens Fußball hat es in der vergangenen Dekade verpasst, in die
       Ausbildung des Nachwuchses zu investieren. Den meisten der 16 Erstligaklubs
       fehlt es an Geld und Infrastruktur. Slavia Prag konnte erst durch den
       Einstieg eines chinesischen Investors Ende des vergangenen Jahres ein
       Insolvenzverfahrenen stoppen. Der Vereinsfußball leidet unter geringem
       Zuschauerzuspruch und regelmäßigen Skandalen. In der vergangenen Saison
       wurden Schiedsrichter suspendiert, die offensichtlich betrunken ein
       Erstligaspiel leiteten. Die zum Teil rechten Fangruppen machen in den
       Kurven gegen Flüchtlinge mobil.
       
       Es passt ins Klima, dass jüngst Spieler von Sparta Prag, darunter der
       Ersatztorwart der Nationalmannschaft, Tomas Koubek, eine Linienrichterin
       nach einer aus ihrer Sicht groben Fehlentscheidung sexistisch beleidigten
       („Die gehört an den Herd“). Die Sanktionen des Verbandes stehen noch aus,
       aber wenigstens die Strafe des Klubs hat Charme: Die betroffenen Profis
       dürfen nun mit der Frauenmannschaft trainieren. Nationalcoach Jarolim
       bemerkte dazu lediglich: „Um ehrlich zu sein, ich habe keine Zeit, mich
       darum zu kümmern.“
       
       Auch die sportlichen Probleme sind groß. „Wir schießen keine Tore“, klagt
       Pavel Kaderabek. Zum Auftakt der WM-Qualifikation kamen die Tschechen vor
       nur noch 10.000 Zuschauern in Prag gegen Nordirland über ein 0:0 nicht
       hinaus. Wo früher Pavel Kuka, Jan Koller oder Milan Baros Schrecken
       verbreiteten, heißen gegen Deutschland nach der Verletzung von Milan Skoda
       die Alternativen Patrik Schick, 20, oder Vaclav Kadlec, 24. Doch diese
       stehen für ein weiteres Problem: Viele durchschnittliche Spieler werden von
       Beratern zu früh zu Wechseln ins Ausland gedrängt. Schick kommt bei
       Sampdoria Genua nicht zum Zug, und Kadlec ist nach einem misslungenen
       Versuch bei Eintracht Frankfurt längst zu Sparta Prag zurückgekehrt.
       
       Playoffplatz zwei in der Gruppe C hinter Deutschland sei das Ziel auf dem
       Weg zur WM in Russland, erklärt Kaderabek: „Wir können aber auch gegen
       Deutschland überraschen.“ Das klingt aber selbst von diesem optimistischen
       jungen Vater, dem sein Vereinstrainer Julian Nagelsmann eine
       „außergewöhnliche Siegermentalität“ attestiert, eher pflichtschuldig.
       
       8 Oct 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Tobias Schächter
       
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