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       # taz.de -- Nobelpreis für Physik: Seltsame Zustände der Materie
       
       > Sie untersuchen magnetische Schichten und Superfluide – und leisten damit
       > Pionierarbeit. Jetzt bekommen drei britische Physiker dafür den
       > Nobelpreis.
       
   IMG Bild: Gold für exotische Materie – drei britische Quanten-Physiker bekommen den Nobelpreis
       
       Stockholm dpa | Der Nobelpreis für Physik geht in diesem Jahr an die
       gebürtigen Briten David Thouless, Duncan Haldane und Michael Kosterlitz für
       die Beschreibung exotischer Materiezustände. Das teilte die
       Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften am Dienstag in Stockholm
       mit. „Die Geehrten haben eine Tür zu einer unbekannten Welt geöffnet, in
       der Materie seltsame Zustände annehmen kann“, hieß es zur Begründung.
       Praktische Relevanz könnten die Arbeiten für Quantencomputer haben.
       
       Die höchste Auszeichnung für Physiker ist mit umgerechnet etwa 830 000 Euro
       (8 Millionen Schwedischen Kronen) dotiert. Eine Hälfte erhält Thouless, die
       andere geht an Haldane und Kosterlitz. Alle drei Wissenschaftler forschen
       in den USA. „Sie haben schöne Mathematik und profunde Einblicke in die
       Physik kombiniert und damit unerwartete Ergebnisse erzielt, die durch
       Experimente bestätigt wurden“, sagte Nobeljuror Thors Hans Hansson.
       
       Es sei für ihn völlig überraschend, dass der Preis für Grundlagentheorie
       vergeben wurde, „die vielleicht irgendwann einmal angewendet wird“, sagte
       Rolf-Dieter Heuer, Präsident der Deutschen Physikalischen Gesellschaft. Die
       Theorien der drei Preisträger sind nicht einfach zu verstehen. Selbst den
       Nobel-Juroren fiel es schwer, sie zu erklären. Die drei bekanntesten
       Zustände von Materie kennt jeder: gasförmig, flüssig, fest. Unter
       bestimmten Bedingungen kann Materie aber auch exotischere Zustände annehmen
       und ungewöhnliche Eigenschaften entwickeln.
       
       Dazu gehören beispielsweise sogenannte Superkonduktoren, in denen Strom
       besonders leicht fließen kann, aber auch sogenannte Superfluide oder dünne
       magnetische Schichten. Mit ihren Theorien machen es Thouless, Haldane und
       Kosterlitz möglich, diese Phänomene zu erklären. „Dank ihrer Pionierarbeit
       ist die Jagd auf neue und exotische Zustände von Materie eröffnet“, teilte
       die Nobel-Jury mit.
       
       ## Neue, robuste Materialien
       
       Auf den Arbeiten der drei gebürtigen Briten ruhen große Hoffnungen. „Ihre
       Arbeit, die ungewöhnliche Zustände von Materie unter die Lupe nimmt, könnte
       zu neuen Materialien führen, die neuartige Anwendungen in der
       Materialwissenschaften und der Elektronik möglich machen“, erklärte Robert
       Brown, Geschäftsführer des Amerikanischen Instituts für Physik.
       
       „Es gibt die Hoffnung, dass man elektronische Zustände findet, die
       besonders robust gegen Störungen von außen sind“, sagte Henning Riechert
       vom Paul-Drude-Institut für Festkörperelektronik in Berlin.
       
       Seit 1901 haben 200 Forscher den Physiknobelpreis erhalten, der
       US-Amerikaner John Bardeen sogar zweifach. Die erste Auszeichnung erhielt
       der deutsche Physiker Wilhelm Conrad Röntgen für die Entdeckung der später
       nach ihm benannten Strahlen.
       
       Der jüngste Preisträger war der damals 25-jährige Lawrence Bragg der Preis
       2015 zusammen mit seinem Vater erhielt. Der älteste war mit 88 Jahren der
       US-Forscher Raymond Davis, der unter anderem kosmische Neutrinos
       nachgewiesen. Der Preis ging nur an zwei Frauen: Marie Curie und zuletzt
       1963 an die deutsch-amerikanerische Forscherin Maria Goeppert Mayer für
       Arbeiten zur Atomstruktur.
       
       ## Auch im vergangenen Jahr ging es um Masse
       
       Am Montag war der Japaner Yoshinori Ohsumi (71) als diesjähriger
       Medizin-Nobelpreisträger gekürt worden. Er hatte das lebenswichtige
       Recycling-System in Körperzellen entschlüsselt. Die feierliche Überreichung
       der Auszeichnungen findet traditionsgemäß am 10. Dezember statt, dem
       Todestag des Preisstifters Alfred Nobel.
       
       Im vergangenen Jahr hatten der Japaner Takaaki Kajita und der Kanadier
       Arthur McDonald die Physik-Auszeichnung für den Nachweis erhalten, dass
       Neutrinos eine Masse besitzen. Die winzigen neutralen Teilchen fliegen
       durch das All und durchdringen alles, auch Menschen und Mauern.
       
       4 Oct 2016
       
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