URI: 
       # taz.de -- Südthüringer wollen Bayern werden: Auf der anderen Seite ist es grüner
       
       > Ein thüringischer Heimatverein sammelt Unterschriften. Ein Teil des
       > Landkreises Sonneberg will nach Bayern übertreten.
       
   IMG Bild: In Sonneberg werden jetzt Unterschriften gesammelt. Das Ziel: Aufnahme in Bayern
       
       Es gibt zweifellos einige gute Gründe, nicht in Thüringen wohnen zu wollen.
       Das schlechte Wetter im Harz etwa. Oder Björn Höcke, den Vorsitzenden der
       AfD-Landtagsfraktion.
       
       Ein wenig überraschend kommt die jüngste Forderung des Heimatvereins
       Henneberg-Itzgrund-Franken aber trotzdem: Ein Teil des Landkreises
       Sonneberg, gelegen im äußersten Süden des Freistaats, soll ins benachbarte
       Bayern übertreten. Dafür sammelt der Verein, der sich seit drei Jahren
       dafür einsetzt, die fränkische Kultur in Südthüringen zu stärken, nun
       Unterschriften.
       
       „Kulturell gehört die Region von Bad Salzungen bis Sonneberg zu Franken“,
       sagt der Vereinsvorsitzende Martin Truckenbrodt. In Bayern, sagt er, wisse
       man ja auch zwischen Franken, Schwaben und Altbayern zu unterscheiden – und
       eine ähnliche Praxis wünscht er sich auch. Sein Verein setzt sich „für die
       Wiederentdeckung der fränkischen Identität des heutigen Südthüringen und
       für die Anerkennung der Existenz eines fränkischen Teils im Freistaat
       Thüringen“ ein.
       
       Vor einem Jahr schrieb der Verein, der 41 Mitglieder hat, deshalb einen
       Brief mit 13 Forderungen an die Landesregierung. Darunter etwa die, die
       fränkische Geschichte in der Schule stärker zu thematisieren. Bis Ende
       August hatte der Verein Zeit für eine Antwort eingeräumt. Doch in Erfurt
       blieb man stumm.
       
       Und nun macht die Frankenlobby Druck: Am 31. August begann der Verein,
       Unterschriften für einen Antrag auf ein Volksbegehren nach Artikel 29 des
       Grundgesetzes zu sammeln – und für einen Übertritt Sonnebergs nach Bayern.
       
       ## Eine schwierige Mission
       
       Die Sache hat einen Haken: „Der Wechsel nach Bayern ist eigentlich nicht
       unser erklärtes Ziel“, sagt Martin Truckenbrodt. Vielmehr sei der Vorstoß
       eine Reaktion auf das despektierliche Schweigen der thüringischen
       Landesregierung. „Hätte sie sich mit uns den Tisch gesetzt und die
       Forderungen besprochen, wäre diese Aktion vermeidbar gewesen.“
       
       Durchbringen will der Verein seine Forderung nun dennoch: 5.000
       Unterschriften – das sind knapp 10 Prozent der Wahlberechtigten des
       ursprünglichen Landkreises Sonneberg, also des historischen fränkischen
       Kreises Sonneberg zum Stand vom 31. März 1923 – müssen Truckenbrodt und
       seine MitstreiterInnen bis Ende Februar sammeln, um ihr Ziel zu erreichen.
       Und das wollen sie schaffen.
       
       Was, wenn? Eindeutig ist die rechtliche Lage nicht. Zwar gibt es laut
       Grundgesetz mehrere Möglichkeiten, einen solchen Übertritt von einem
       Bundesland ins andere zu organisieren. Für die wahrscheinlichste Regelung
       bräuchte der Verein jedoch die Zustimmung des Bundesrats. Und bevor der
       Antrag überhaupt eingehen kann, muss das Bundesinnenministerium ihn auf
       Zulässigkeit prüfen. „Noch wissen wir nicht, ob man dort das Verfahren
       zulässt“, sagt Truckenbrodt.
       
       ## Auch die Wirtschaft spielt eine Rolle
       
       Um Mundart und Bräuche geht es bei der Petition wohl nicht allen
       SonnebergerInnen: Obwohl Südthüringen – nach Jena und Erfurt – die
       wirtschaftsstärkste Region Thüringens ist und die niedrigsten
       Arbeitslosenzahlen in Ostdeutschland hat, fühlen sich viele BürgerInnen im
       wahrsten Sinne des Wortes abgehängt, sagt Truckenbrodt.
       
       Denn im Zuge einer von der rot-rot-grünen Landesregierung geplanten
       Gebietsreform würde das erfolgreiche Sonneberg in einem neuen Groß-Kreis
       aufgehen – und das ist keine Option für viele stolze SüdthüringerInnen.
       
       „Die Region muss besser vernetzt werden, Franken sollte stärker
       zusammenwachsen“, sagt der Vereinsvorsitzende. Und die Motivation liegt
       nahe: Mit den bayerischen Nachbarinnen und Nachbarn meint man nicht nur
       kulturell mehr gemein zu haben als mit den seit Langem schrumpfenden
       Kreisen jenseits des Thüringer Waldes. Ein Übertritt nach Bayern wäre, so
       glauben viele in der Region, vermutlich auch wirtschaftlich ein Gewinn. Das
       Gras auf der anderen Seite, so scheint es, ist offenbar auch 26 Jahre nach
       der deutschen Einheit noch grüner.
       
       Aber eines sollten die Sonnebergerinnen und Sonneberger bedenken: Regen und
       die AfD gibt es schon auch in Bayern.
       
       14 Oct 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Julia Lorenz
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Thüringen
   DIR Bayern
   DIR Petition
   DIR Franken
   DIR Sonneberg
   DIR Online-Petition
   DIR Dialekt
   DIR Bayern
   DIR Schwerpunkt Abtreibung
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Petition für Verkehrshelfer in Newcastle: Ja zu Rentnern mit Lutscher
       
       Newcastle muss sparen. Und will daher in Zukunft auf Schülerlotsen – die
       sogenannten „Lollipop People“ – verzichten. Und was wird aus den Kindern?
       
   DIR Petition der Muettersproch-Gsellschaft: E feschti Sendestund
       
       Die Muettersproch-Gsellschaft will mehr Radiosendungen auf Alemannisch.
       Klingt nach Kleingartenkrieg. Es geht aber um mehr.
       
   DIR Onlinepetition in Bayern: Die Mücke im Raum
       
       Was wollen sie? Die bayerische Provinz wird von einer Mückenplage
       überzogen. Jetzt wehren sich die Bürger*innen – mit einer Petition.
       
   DIR Abtreibungsgesetz in Polen: Schlimmer geht immer
       
       In Polen soll das Abtreibungsgesetz verschärft werden. Doch dagegen regt
       sich Widerstand von Aktivistinnen und linken Parteien.