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       # taz.de -- Doping im norwegischen Skisport: Das Vertrauen in Trümmern
       
       > Norwegens Skilanglaufstar Therese Johaug wurde positiv auf Steroid
       > getestet. Die Behandlung ihrer Lippen mit Wundcreme soll die Quelle sein.
       
   IMG Bild: Therese Johaug während einer Pressekonferenz am vergangenen Donnerstag
       
       Stockholm taz | Therese Johaug, norwegischer Skilanglaufstar, Gewinnerin
       des Gesamtweltcups der Saison 2013/14 und 2015/16, ist bei einer
       Dopingkontrolle Mitte September positiv auf das verbotene anabol-androgene
       Steroid Clostebol getestet worden. Ihre Erklärung: Die Substanz stamme aus
       einer Creme, mit der sie Sonnenbrand an den Lippen behandelt habe.
       Mannschaftsarzt Fredrik Bendiksen nahm die Verantwortung auf sich und
       erklärte seinen Rücktritt.
       
       Binnen weniger Monate wurde der norwegische Skilanglaufsport damit von
       einem zweiten prominenten Dopingfall betroffen. Im Juli war bekannt
       geworden, dass Martin Johnsrud Sundby positiv auf das Asthmamittel
       „Salbutamol“ getestet worden war. Sundby erhielt eine relativ geringe
       Dopingsperre von zwei Monaten, bekam aber den Gesamtsieg bei der Tour de
       Ski 2015 aberkannt. Infolgedessen war bekannt geworden, dass auch völlig
       gesunde norwegische Skiläufer systematisch mit Asthmamedizin behandelt
       wurden: Angeblich vorbeugend.
       
       Zu den Nichtasthmakranken, die diese Medizin bekamen, gehörte auch Johaug.
       Ende September und vor Bekanntwerden des positiven Dopingtests hatte sie
       dies ihrer Lokalzeitung erzählt und beteuert, dass sie nichts nehme, ohne
       alle Substanzen anhand der Dopingliste zu prüfen: „Ob das nun eine Salbe
       ist oder Tee. Ich checke so etwas nicht nur einmal, sondern zwei- und
       dreimal.“ Eine neue App des Antidopingbüros Wada macht eine solche
       Kontrolle auch recht einfach.
       
       Desto merkwürdiger ist das angebliche Versehen mit der Wundcreme
       „Trofodermin“. Zumal sich auf deren Verpackung neben einem deutlichen
       Clostebol-Hinweis ausdrücklich ein kaum zu übersehendes Dopingsymbol
       befindet. So ein Fehler könne eigentlich nicht passieren, meint Bo
       Berglund, Chefsmediziner beim schwedischen Olympiakomitee.
       
       ## Erklärung „nicht glaubwürdig“
       
       „Norwegen ist verpflichtet, Johaug zu sperren“, meint Sarah Lewis,
       Generalsekretärin des Internationalen Skiverbands FIS. Doch diesen Schritt
       verweigert der norwegische Verband noch. Begründung: Es gebe noch kein
       Urteil.
       
       „Sundby war schlimm, Johaug ist zehnmal schlimmer“, kommentiert die Osloer
       Zeitung Aftenposten: „Das Vertrauen in den norwegischen Langlauf liegt in
       Trümmern.“ Ob über die Behandlung wunder Lippen überhaupt eine nachweisbare
       Menge an Clostebol in den Körper gelangen kann, scheint strittig.
       
       Maarit Valtonen, Medizinerin bei der finnischen Forschungszentrale für
       Leistungssport, hält Johaugs Erklärung für „nicht glaubwürdig“: Über Lippen
       „können nicht so hohe Konzentrationen absorbiert werden, dass sie
       nachweisbar sind“. „Sie muss die Salbe schon gegessen haben“, lästerte Sami
       Jauhojärvi, finnischer Skilanglauf-Goldmedaillengewinner von 2014.
       
       17 Oct 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Reinhard Wolff
       
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