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       # taz.de -- Monarchie in Thailand: Ein Königreich ohne König
       
       > Der Thronfolger des verstorbenen Bhumibol will sich erst nach einer
       > angemessenen Trauerzeit krönen lassen. Der 96 Jahre alte Kronratschef
       > springt ein.
       
   IMG Bild: Hat keine Eile sich krönen zu lassen: Maha Vajiralongkorn
       
       Berlin taz Thailand trauert – im ganzen Land beweinen Menschen den Tod von
       König Bhumibol Adulyadej. Am vergangenen Freitag, einen Tag nachdem der
       88-Jährige verstorben war, versammelten sich auf den Straßen Bangkoks
       Zehntausende, als der Leichnam vom Krankenhaus zum Königspalast gebracht
       wurde.
       
       Während viele Thais fassungslos angesichts des Verlusts sind, sorgten
       jüngste Entwicklungen für Verwirrung. Denn Kronprinz Maha Vajiralongkorn,
       den Bhumibol 1972 als Nachfolger benannt hatte, bat um Aufschub: Er wolle
       nicht sofort als Rama X. den Thron besteigen, sondern erst mit der
       Bevölkerung trauern.
       
       In einer Fernsehansprache von Samstagnacht sagte Juntachef und
       Premierminister Prayuth Chan-ocha nach einer Audienz mit Vajiralongkorn,
       der Kronprinz wolle die Nachfolge frühestens in einem Jahr antreten.
       Zugleich habe Letzterer das Volk darum gebeten, sich keine Sorgen wegen der
       Nachfolgefrage zu machen. Diese sei in der Verfassung und dem Palastgesetz
       geregelt. Mittlerweile wurde bekannt, dass das Vakuum von Prem Tinsulanonda
       gefüllt wird, dem 96-jährigen Vorsitzenden des Kronrats.
       
       Obwohl das drakonische „Gesetz gegen Majestätsbeleidigung“ (Lese Majeste)
       alle Kritik am Königshaus sowie Debatten über die Nachfolge verbietet, ist
       es kein Geheimnis, dass Prem Tinsulanonda, General im Ruhestand und
       zwischen 1980 und 1988 Premierminister, zu jenen im royalistischen
       Establishments gehört, die den 64-jährigen Lebemann Vajiralongkorn als
       unwürdigen Thronnachfolger betrachten.
       
       ## Mythos vom gottgleichen König
       
       Prems neuer Status als Regent macht diese Einstellung nun politisch umso
       brisanter. Als engster Berater des verstorbenen Bhumibol gilt er als eine
       Schlüsselfigur im Patronage-Netzwerk aus Staatsrat, Armee, Technokraten
       sowie altem Geldadel, das die Strippen zieht und den Mythos des
       gottgleichen Königs kultiviert hat, der angeblich über der Politik steht.
       Indem sich das Militär als Beschützer der Monarchie geriert und Putsche im
       Namen des Königs legitimiert, geht es in Wirklichkeit darum, eigene
       Machtansprüche zu verteidigen.
       
       Es war Prem, der 2006 eine Ansprache vor Kadetten hielt, die Aufmerksamkeit
       erregte, weil sie gut zwei Monate vor dem Militärputsch gegen den damaligen
       Premier Thaksin Shinawatra stattfand: „Soldaten sind Pferde, und
       Regierungen nur Jockeys, aber nicht deren Besitzer; die Armee gehört der
       Nation und dem König“, so der Kronratsvorsitzende damals.
       
       Zugleich repräsentiert Prem eine Clique in der Armee, die Beobachtern
       zufolge an Einfluss gegenüber einer anderen Fraktion namens „Tiger des
       Ostens“ verloren hat. Letzterer gehören Juntachef Prayuth und seine
       Vertrauten an, die im Mai 2014 putschten.
       
       In jüngerer Zeit war der Eindruck entstanden, die jetzige Militärjunta habe
       sich mit Vajiralongkorn arrangiert. Von Prem hingegen sei bekannt, schrieb
       die kritische Webseite New Mandala im Juli 2015, dass er den Kronprinzen
       sowohl als Risiko für die Monarchie ansehe als auch als Bedrohung für den
       Reichtum, die Macht und Privilegien der Ultraroyalisten. Zwar wird die
       Armee weiter als der Machtfaktor angesehen, der in dieser Zeit des
       Übergangs die Zügel in der Hand hält. Doch das Verhältnis der Fraktionen
       untereinander gilt als belastet.
       
       Ein Beobachter beschrieb dieses der taz gegenüber als „gereizte
       Freundschaft“. Sollte es zu einem offenen, sich an der Nachfolgefrage
       entzündenden Konflikt kommen, könnte die Lage in Thailand, das derzeit eine
       konstitutionelle Monarchie ohne Monarch ist, unberechenbarer denn je
       werden.
       
       16 Oct 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Nicola Glass
       
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