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       # taz.de -- Ethisch unsaubere Geldanlagen: Rürup dank Rüstungsgeschäften
       
       > Ein Tischler fühlt sich von seiner Rentenversicherung gelinkt. Sie hat
       > sein Geld bei Waffenherstellern angelegt. Jetzt schafft er einen
       > Präzedenzfall.
       
   IMG Bild: Ein britisches U-Boot des Rüstungskonzerns BAE Systems – wohl von deutschen Rürup-Rentnern mitfinanziert
       
       München taz | Lange schien alles gut zu laufen. Monat für Monat knappste
       Rainer Retlow vom Konto die Beiträge für die Rentenpolice ab, am Ende jeden
       Jahres erfuhr er, um wie viel die Versicherung das Kapital gemehrt hatte.
       Auf unbedenkliche Weise – so glaubte Retlow. Dann kam der Tag, an dem er
       über sein Ruhekissen fürs Alter nachforschte und auf die Webseiten von
       Rüstungsschmieden und Ölmultis stieß. Ein Horror für den Ökotischler und
       Sohn einer Kriegswaise.
       
       Und etwas, das er für ausgeschlossen hielt: „Der Versicherungsmakler hat
       gewusst, dass ich eine ethisch saubere Geldanlage haben wollte.“ Retlow
       wirft dem Makler „Falschberatung“ vor und klagt auf Rückabwicklung des
       Vertrags. Nur scheinbar ein simpler Fall. Denn mit dem Verhältnis von Moral
       und Moneten in der Altersvorsorge ist das so eine Sache.
       
       Der Handwerker aus Hannover hat eine Rürup-Police der Zurich Deutscher
       Herold Lebensversicherung AG. Darin taucht nirgends ein Hinweis auf
       ökologische, soziale oder ethische Aspekte (ESG) seiner Anlage auf.
       Versicherungen müssen Rürup-Sparer auch nicht darüber informieren.
       
       Den Gesetzgeber interessiert nicht, ob ESG-Aspekte bei privaten
       Rentenanlagen eine Rolle spielen. Die Fördermilliarden nach „Rürup“ fließen
       unabhängig davon, ob die Versicherung Beiträge in Firmen steckt, die Geld
       mit ABC-Waffen, Kinderarbeit oder der Abholzung von Regenwald verdienen.
       Für die amtliche Zertifizierung, Voraussetzung für die Förderung, ist das
       unerheblich. Auch gibt es keine gesetzliche Definition oder
       Mindeststandards, was „nachhaltig“ oder „ethisch-ökologisch“ eigentlich
       ist.
       
       Was der Tischlermeister erwartet hätte, definiert er so: „Kein Geld für
       Waffen, Umweltzerstörung, Menschenrechtsverletzungen.“ Finanzprodukte, die
       die Zurich-Versicherung in Renten-Policen bündelt, passen nicht in dieses
       Bild. Sie streut Beiträge in eine Vielzahl von Fonds, zum Beispiel in den
       Aktienfonds „Top Dividende“ der Deutschen Asset Management International
       GmbH, DWS. Die Deutsche-Bank-Tochter pumpt über diesen Fonds Geld unter
       anderem in die Waffenschmieden BAE Systems und Raytheon. Auch andere
       Papiere der Versicherung lenken Geld in Rüstungsfirmen wie Northrop
       Grumman, Safran Industries, United Technologies oder Honeywell.
       
       ## Krieg in Dafur
       
       Auch Ölkonzerne wie Shell, BP und Chevron stehen auf den Fondslisten.
       Ebenfalls Petrochina. Diese Firma macht Geschäfte mit dem Sudan, dem
       nachgesagt wird, mit den Einnahmen den Krieg in Darfur zu finanzieren.
       
       Die Altersvorsorge von Zurich ist keine Ausnahme, im Gegenteil, in ihr
       spiegelt sich der Stellenwert ethischer Anlagekriterien im überwiegenden
       Teil der Finanzwelt wider. „Bei der großen Mehrzahl unserer Fonds steht der
       finanzwirtschaftliche Aspekt im Vordergrund, ESG-Kriterien fließen
       nachrangig bei der Auswahl der Investments mit ein“, erklärt etwa
       DWS-Sprecher Claus Gruber. Er sagt: „Kapitalanlagen in Rüstungsunternehmen
       werden von uns nicht spezifisch ausgeschlossen. Was wir vermeiden, sind
       Investments in Firmen, die international geächtete Waffen wie Streumunition
       herstellen.“
       
       Retlow fand heraus, dass alle seine Fonds auf Aktien setzten, die mit
       seinen Wertvorstellungen kollidieren. Als seine Anwältin gegen den Makler
       Klage einreichte, schrieb dessen Verteidiger: Sein Mandant habe keine
       Kenntnis davon gehabt, dass der Tischler „angeblich nur in ethisch
       unbedenkliche Anlagen investieren wollte“.
       
       ## Schwierige Beweislage
       
       Die Beweislage ist schwierig. Er habe nie ein Beratungsprotokoll erhalten,
       sagt Retlow. Selbst wenn er eines hätte, bewiesen wäre damit wohl nichts.
       Denn „das Thema Nachhaltigkeit muss im Beratungsprotokoll nicht vorkommen“,
       moniert Thomas Küchenmeister. Der Gründer der NGO „Facing Finance –
       Finanzmärkte im Visier“ sagt: „Kunden erfahren im Verkaufsgespräch in der
       Regel nicht, dass ihr Geld auch in ethisch fragwürdige Anlagen fließt.“
       
       Der Rechtsstreit ist, wie es aussieht, ein Novum. Angelika Jackwerth,
       Retlows Anwältin, ist bisher kein solcher Fall untergekommen. Auch Kollegen
       in anderen Fachkanzleien nicht. Laut Verbraucherzentralen gibt es nicht
       einmal einschlägige Beschwerden. Mit der Moral ist das beim Geld so eine
       Sache: 2 Prozent der Sparer verlangten explizit eine ethisch saubere
       Anlage, berichtet die Bremer Verbraucherschützerin Ulrike Brendel. „20
       Prozent wollen ein bisschen ‚grün‘, alle übrigen fragen nur nach einer
       möglichst satten Rendite.“
       
       17 Oct 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Manfred Fischer
       
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