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       # taz.de -- Verhandlungen zum Tisa-Vertrag: Voll auf Deregulierungskurs
       
       > Die Europäer sind bei der Privatisierung ganz vorne: Sie wollen alle noch
       > geschützten Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge „liberalisieren“.
       
   IMG Bild: Die Tisa-Kritiker_innen haben ein Auge auf die Verhandlungen – zum Glück
       
       Zürich taz | Die EU fordert bei den Verhandlungen über das geplante
       Dienstleistungsabkommen Tisa entgegen bisherigen Aussagen die
       „Liberalisierung“ aller öffentlichen Dienstleistungen. Dabei geht es um
       Privatisierung, Deregulierung und möglichst uneingeschränkten Zugang für
       ausländische Unternehmen, insbesondere in Ländern des Südens. Das geht aus
       einem von der EU Ende Juni am Genfer Verhandlungstisch präsentierten
       Forderungskalatog hervor, [1][den Wikileaks kurz vor der am Montag in
       Washington eröffneten 27.] Tisa-Verhandlungsrunde ins Internet gestellt
       hat.
       
       Weitere Dokumente belegen zudem, dass die seit der Weltwirtschaftskrise von
       2008 verstärkt geforderte Regulierung von Finanzdienstleistungen nach dem
       für kommenden Dezember angestrebten Abschluss eines Tisa-Abkommens
       zumindest in den 50 Vertragsstaaten kaum mehr möglich wäre. Zudem könnten
       die Regierungen selbst kleine lokale einheimische Unternehmen nicht mehr
       bevorzugt behandeln und vor übermächtiger Konkurrenz ausländischer Konzerne
       schützen.
       
       An den 2012 von der EU, den USA und Australien initiierten
       Tisa-Verhandlungen sind 20 weitere Länder beteiligt. Das EU-Dokument nennt
       im Detail die Forderungen Brüssels an die anderen Staaten. Von Chile etwa
       verlangt die EU-Kommission die „Liberalisierung“ etwa von Post,
       Telekommunikation und Abfallsammlung. Ähnliche Forderungen – zum Beispiel
       nach Übernahme von bis zu 100 Prozent lokaler Fernseh- und Radiostationen
       durch ausländische Konzerne – richtet die EU an Kolumbien, Costa Rica,
       Mexiko, Pakistan, Panama, Paraguay und Peru. Ausdrücklich verlangt die EU
       von diesen Ländern, Bestimmungen abzuschaffen, wonach Privatisierungen etwa
       der kommunalen Wasserversorgung, die sich als schädlich für Verbraucher
       oder Umwelt erweisen, wieder rückgängig gemacht werden können.
       
       Die EU-Kommission und auch die deutsche Bundesregierung haben bislang immer
       behauptet, öffentliche Dienstleistungen seien von den Tisa-Verhandlungen
       ausgenommen. Der Trick ist: Im allgemein gehaltenen Haupttext des geplanten
       Abkommens werden öffentliche Dienstleistungen eng als solche definiert, die
       für die Verbraucher völlig kostenfrei sind. Das trifft heute in den meisten
       Staaten aber höchstens noch auf die Feuerwehr oder den Katastrophenschutz
       zu.
       
       ## Noch weniger Kontrolle
       
       Würde der Verhandlungstext zu Finanzdienstleistungen verbindlicher Teil
       eines künftigen Tisa-Vertrags, hätten die Regierungen noch weniger
       Möglichkeiten als heute, Banken zu regulieren, hochriskante Finanzprodukte
       zu verbieten oder Offshore-Märkte zu kontrollieren.
       
       Die drei jetzt veröffentlichten Dokumente reflektieren die Position
       zumindest einer großen Mehrheit der 23 Verhandlungsparteien. Zu einigen
       Punkten gibt es Forderungen nach restriktiveren Regeln, aber auch nach noch
       weitergehender „Liberalisierung“.
       
       Bis Freitag müssen alle Staaten ihre endgültigen Liberalisierungsangebote
       und -forderungen auf den Tisch legen. Nach einer weiteren Verhandlungsrunde
       im November soll das Abkommen auf einer Ministerkonferenz Anfang Dezember
       noch rechtzeitig vor dem Regierungswechsel in den USA besiegelt werden.
       
       17 Oct 2016
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://wikileaks.org/tisa/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Zumach
       
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