URI: 
       # taz.de -- Kommentar Abriss Hitlers Geburtshaus: Geschichte wird entsorgt
       
       > Statt ein Haus abzureißen, sollte sich Österreich mit der eigenen
       > Geschichte auseinandersetzen. Das Haus an sich ist unschuldig.
       
   IMG Bild: Angemessener wäre es, ganz Braunau abzureißen und nur dieses Haus stehen zu lassen
       
       Es ist 71 Jahre her, der Krieg war gerade beendet, da besuchte der jüdische
       US-Soldat Joseph Gaton das Haus, in dem Adolf Hitler am 20. April 1889 in
       Braunau am Inn geboren wurde. Er hinterließ diese Zeilen:
       
       „All ihr Völker vernehmt es
       
       All ihr Erdbewohner horcht her!
       
       Das Grab ist nun für immer ihr Heim,
       
       Ob sie auch Länder benannten nach ihren Namen,
       
       Der Mensch hat trotz seiner Pracht nicht Bestand
       
       Er gleicht dem Vieh, das man abtut.“
       
       (Psalm 49, 2, 12-13)
       
       Seitdem ist in Braunau, Salzburger Vorstadt 15, nichts geschehen, was
       Erinnern ermöglichen würde. Jetzt aber hat Österreich beschlossen, das Haus
       abzureißen. Begründet wird dies damit, dass man vermeiden wolle, dass das
       Gebäude zu einer Pilgerstätte für Neonazis wird.
       
       Dieses Argument ist dumm. Natürlich mag das Gebäude braunen Fanatikern als
       Erinnerungsort dienen – aber doch nur so lange, wie es eine leere Hülle
       bleibt, die zu jedweder Interpretation seiner und der Geschichte des darin
       Geborenen funktionalisiert werden kann. Es wäre – außer vielleicht in
       Österreich – ein Leichtes, darin eine Gedenkstätte einzurichten, die die
       Dinge ins richtige Licht rückt.
       
       Mit dem Abriss dagegen wird die Geschichte entsorgt. So wie sich Österreich
       nach 1945 nur zu gerne als erstes Opfer der Nazis gerierte, so sorgen die
       Wiener Politiker heute dafür, dass ihr Land unbefleckt von der Erinnerung
       an diesen Österreicher bleibt. Wenn es um Nazi-Architektur ginge, dann
       ließe sich noch darüber streiten, ob Steine erhaltenswert sind. Doch das
       Haus aus dem 18. Jahrhundert ist unschuldig. Diejenigen, die eine
       Konfrontation mit der eigenen Geschichte mit dem Bagger verhindern, machen
       sich schuldig an Geschichtsklitterei, die sie vorgeblich verhindern wollen.
       
       Angemessener als der Abriss schiene es, die ganze Stadt zu zertrümmern –
       und nur dieses eine Gebäude stehen zu lassen. Als Mahnung.
       
       19 Oct 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Klaus Hillenbrand
       
       ## TAGS
       
   DIR Adolf Hitler
   DIR Erinnerungskultur
   DIR Österreich
   DIR Lesestück Recherche und Reportage
   DIR Adolf Hitler
   DIR Adolf Hitler
   DIR Adolf Hitler
   DIR Adolf Hitler
   DIR Adolf Hitler
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Hitlers Geburtsort in Braunau am Inn: Dieses verfluchte Haus
       
       Eine Kleinstadt, hübsch anzuschauen. Doch da steht dieses Haus, in dem
       Adolf Hitler geboren wurde. Jetzt soll dort die Polizei einziehen.
       
   DIR Urteil nach Enteignung: 1,5 Millionen Euro für Hitlerhaus
       
       Der Staat Österreich muss der enteigneten Besitzerin mehr zahlen, hat das
       Landesgericht entschieden – und zwar fast das Fünffache.
       
   DIR Neonazi-Pilgerstätte in Österreich: Streit um Hitlers Geburtshaus
       
       Österreich möchte das Geburtshaus von Adolf Hitler abreißen. Es steht unter
       Denkmalschutz und ist seit 2011 ungenutzt. Eine Expertenkommission übt
       Kritik.
       
   DIR Österreich und der Nationalsozialismus: Streit um Hitlers Haus beigelegt
       
       Das Gebäude wird enteignet. Der Innenminister fordert den Abriss, um eine
       Nazipilgerstätte zu verhindern. Der könnte am Denkmalschutz scheitern.
       
   DIR Erinnerungskultur in Österreich: Mein Nachbar, der Hitler
       
       Was tun mit dem Geburtshaus des „Führers“? In Braunau sucht man darauf eine
       Antwort.
       
   DIR Streit um Hitlers Geburtshaus: Österreich will Besitzerin enteignen
       
       Österreichs Regierung will die Eigentümerin von Hitlers Geburtshaus
       enteignen. Das Haus steht mangels Einigung seit 2011 leer.