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       # taz.de -- Kritik an Hamburger Bildungsreform: Stadtteilschule macht schlau
       
       > Studie bescheinigt der Stadtteilschule erfolgreiche Arbeit. Zuletzt waren
       > es 2.886 Abiturienten. Trotzdem kritisiert die schwarz-gelbe Opposition
       > in Hamburg die Bildungsreform.
       
   IMG Bild: Besser als ihr Ruf: das Lernniveau an Stadtteilschulen ist hoch
       
       HAMBURG taz | Die vor fünf Jahren gestarteten Stadtteilschulen „leisten
       hervorragende Arbeit“, sie „tragen nachweislich zur Erhöhung der
       Chancengerechtigkeit bei, indem sie soziale Durchlässigkeit und
       Bildungsteilhabe erhöhen“. So lautet das Fazit einer Studie des Instituts
       für Bildungsmonitoring und Qualitätsentwicklung (Ifbo).
       
       Doch dieses Lob – unterfüttert durch rasant steigende Abiturientenzahlen –
       geht in der Berichterstattung unter. „Stadtteilschulen fehlt
       Leistungsspitze“, titelte am Montag das Hamburger Abendblatt und zitierte
       die CDU-Politikerin Karin Prien mit der Forderung, die Kinder an den
       Stadtteilschulen wieder ab Klasse 8 in Kursen nach Lernniveau zu trennen.
       Im Jahrgang 5, so schrieb das Blatt, verfehlten zehn von 22 Kindern einer
       Klasse die „Mindeststandards“ in Mathematik.
       
       Tatsächlich sind es laut der Studie acht von 22 Kindern. Und das ist kein
       Wunder. Denn die zitierten Daten aus dem Test „Kermit 5“ erheben zu Beginn
       der 5. Klasse, was die Kinder zuvor vier Jahre in der Grundschule lernten.
       Und die von der konservativen Elterngruppe „Wir wollen lernen“ (WWL) 2010
       per Volksentscheid durchgesetzte Struktur sieht vor, dass die
       Stadtteilschule alle Fünftklässer zu nehmen hat, während das Gymnasium die
       leistungsstärkere Hälfte nimmt.
       
       Wäre das nicht so, kämen etwa vier matheschwache Kinder auf eine Klasse an
       Gymnasien wie Stadtteilschulen. Und das wäre, wenn man es dem bundesweiten
       Ländervergleich aus dem Jahr 2011 gegenüberstellt, kein neuer
       Negativ-Trend.
       
       Damals hatten 20,5 Prozent der Hamburger Kinder am Ende der Grundschule die
       für dieses Alter verabredeten Mindeststandards noch nicht erreicht. Das
       heißt nicht, dass die Kinder dies nicht aufholen können.
       
       Eben das zu ermöglichen ist die Stärke der Stadtteilschulen. Im Jahrgang 10
       gingen in 2015 von 25 Schülern zehn in die Oberstufe über. Von den übrigen
       blieb einer ohne Abschluss, fünf hatten den Real- und sieben den
       Hauptschulabschluss und zwei Schüler haben wiederholt. Die Zahl der
       Abiturienten, die Stadtteilschulen hervorbringen, stieg kontinuierlich: von
       1.845 in 2011 auf 2.886 in 2016.
       
       Nun fordert die CDU – wie schon oft – getrennte Kurse nach Lernniveau.
       „Dafür gibt es empirisch keine Grundlage“, sagt Schulforscher Ulrich
       Vieluf. Er hat sowohl 2009 als auch in den vergangenen drei Jahren den
       Lernstand der Schüler bei Eintritt in die Stadtteilschul-Oberstufe erhoben.
       „Es wurde nicht schlechter, eher im Gegenteil“, sagt Vieluf.
       
       Gleichwohl warnt Vieluf wie auch die Ifbo-Studie, dass auf die
       Stadtteilschulen mit der jetzigen Zusammensetzung der 5. Klassen, der
       Inklusion und den Flüchtlingskindern neue Herausforderungen zukommen.
       Schulleiter forderten im Sommer in einem Brandbrief mehr Unterstützung und
       Spielraum. Zum Beispiel sollten die Gymnasien alle Kinder behalten und
       nicht an die Stadtteilschulen abgeben dürfen. Dies gilt als nicht
       durchsetzbar, weil das WWL-Lager immer noch Druck macht.
       
       „Es ist auffällig, dass CDU und FDP immer wieder Schuldaten aus dem
       Zusammenhang zitieren und damit das Bild der Stadtteilschule schädigen“,
       kritisiert die Grüne Stefanie von Berg. Nötig seien konkrete Lösungen für
       die Probleme. „FDP und CDU sägen an der Stadtteilschule“, sagt auch Sabine
       Boeddingshaus von der Links-Fraktion. Sie habe fast den Eindruck, „die
       wollen zum alten Haupt- und Realschulsystem zurück“.
       
       18 Oct 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Kaija Kutter
       
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