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       # taz.de -- Repression in der Türkei: Fernsehsender gestürmt
       
       > Die Polizei schloss den regierungskritischen und prokurdischen
       > Fernsehsender IMC TV. Hunderte protestierten gegen das Vorgehen der
       > Regierung.
       
   IMG Bild: Die Trauer nach der Schließung ist groß
       
       Ankara afp | Die türkische Regierung hat am Dienstag einen
       regierungskritischen und prokurdischen Fernsehsender mit einem massiven
       Polizeieinsatz geschlossen. Bereitschaftspolizisten stürmten gegen Mittag
       in Istanbul die Redaktion des Senders IMC TV und stoppten den Betrieb. Am
       Abend protestierten hunderte Demonstranten gegen die Schließung des
       Senders, die von der Regierung mit Verbindungen zur verbotenen
       Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) begründet wurde.
       
       Die IMC-Journalisten riefen kurz vor Unterbrechung ihrer Übertragungen:
       „Ihr werdet niemals die freie Presse zum Schweigen bringen“, wie auf den
       Fernsehbildern zu sehen war. Die Justiz hatte den im Jahr 2011 gegründeten
       Sender vergangene Woche über seine bevorstehende Schließung informiert.
       Auch elf weitere Fernsehsender, denen Verbindungen zur PKK vorgeworfen
       werden, sollen demnach geschlossen werden. IMC berichtete regelmäßig über
       Frauen-, Umwelt- und kurdische Themen sowie über linke Politik.
       
       Die Schließungen regierungskritischer Sender sind Teil des
       Ausnahmezustands, den Staatschef Recep Tayyip Erdogan nach dem
       gescheiterten Militärputsch Mitte Juli verhängt und am Montag um vorerst
       drei Monate verlängert hatte. Nach dem Justizbeschluss vergangene Woche war
       die Übertragung von IMC TV über das türkische Satellitensystem gestoppt
       worden, doch war das Programm weiter über den europäischen Satelliten
       Hotbird und im Internet zu empfangen.
       
       Seit dem Umsturzversuch hat die islamisch-konservative Regierung bereits
       mehr als hundert Zeitungen, Radio- und Fernsehsender geschlossen, die der
       Gülen-Bewegung nahe stehen sollen oder verdächtigt werden, Sympathien für
       die PKK zu hegen. Zudem wurden mehr als hundert kritische Journalisten
       festgenommen. Die Organisation Reporter ohne Grenze warf Ankara daher einen
       „Frontalangriff“ auf unabhängige Medien vor.
       
       ## Zehntausende suspendiert
       
       Außer Journalisten, Wissenschaftlern, Universitätsangehörigen und Lehrern
       nahm die Regierung nach dem Umsturzversuch vor allem Soldaten, Polizisten
       und Ministeriumsbeamte ins Visier. Zehntausende wurden suspendiert und
       32.000 Menschen wegen angeblicher Verbindungen zu dem in den USA lebenden
       islamischen Prediger Fethullah Gülen inhaftiert.
       
       Wie das Polizeihauptquartier in Ankara am Dienstag mitteilte, suspendierte
       die Polizei im Zuge der Ermittlungen nach dem 15. Juli mehr als 12.800
       Beamte, darunter 2523 Polizeichefs. Die Polizisten werden demnach
       verdächtigt, Gülens Hikmet-Bewegung anzugehören, die von der Regierung für
       den Umsturzversuch verantwortlich gemacht wird und die als
       Terrororganisation eingestuft ist.
       
       Gülen, ein ehemaliger enger Verbündeter Erdogans uns sein jetziger
       Erzfeind, bestreitet die gegen ihn gerichteten Vorwürfe. Kritiker
       bezichtigen die Regierung, den gescheiterten Militärputsch als Vorwand zu
       nutzen, um politische Gegner sowie unliebsame Medienleute und
       Kulturschaffende zum Schweigen zu bringen.
       
       Beim Protest gegen die Schließung von IMC TV in der Nähe des Istanbuler
       Taksim-Platzes trugen die Demonstranten – überwiegend Medienschaffende –
       unter anderem Schilder mit der Parole „Die freie Presse kann nicht
       geknebelt werden“.
       
       5 Oct 2016
       
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