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       # taz.de -- Wer wird Bundespräsident?: Die P-Frage
       
       > Am Ende wird es jemand machen. Nur wer? Grütters, Rüttgers, Röttgen?
       > Wulff, Lammert, Löw? Lesen Sie hier alles, was es derzeit zu sagen gibt.
       
   IMG Bild: So viel ist klar: Irgendjemand wird am Ende hier stehen und winken – Schloss Bellevue im Oktober 2014
       
       Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, es verhält sich wie folgt: Deutschland
       braucht eine neue Bundespräsidentin oder einen neuen Bundespräsidenten,
       weil der alte aufhört. Deshalb wird gerade jemand gesucht, der es macht.
       Das ist wichtig-wichtig.
       
       Es werden also von Vertretern verschiedener Parteien verschiedene Menschen
       ins Spiel gebracht, aber nicht jeder Vorschlag ist ernst zu nehmen. Margot
       Käßmann zum Beispiel wurde von SPD-Chef Sigmar Gabriel aus der Kiste
       gezaubert, aber haha, war dann wohl doch nicht so gemeint. Den Genossen
       Frank-Walter Steinmeier nannte er auch, aber da kamen die aus den anderen
       Parteien auch aus ihren Löchern und sagten: Steinmeier? Nicht mit uns,
       Freunde der Sonne.
       
       Was man derzeit sagen kann, ist, dass alle über das Thema schreiben. Und
       dass sich das Kandidatendurchblätterspiel, das bei [1][Spiegel Online]unter
       jedem Bundespräsidenten-Text steht, wahrscheinlich gut klickt. Aber sonst?
       
       Diese Woche in einer kleinen Tageszeitung in Berlin-Kreuzberg: Es werden
       Vorschläge zusammengetragen.
       
       Vorschlag 1: Wir suchen einen Kandidaten 
       
       Und zwar einen, der irgendwas zum Thema schreibt, am besten eine Seite in
       der Wochenendausgabe. Dieser Vorschlag stößt auf allgemeine Begeisterung,
       die sich darin äußert, dass niemand ihn empört ablehnt. Vertreterinnen und
       Vertreter der zuständigen Ressorts murmeln Sätze vor sich hin, in denen
       „unbedingt“ vorkommt. Dann aber kommt die Frage: Wer konkret könnte es denn
       machen?
       
       Wäre die Konferenz ein Western, dies wäre der Moment, in dem ein trockenes
       Salzkrautknäuel über die Straße weht. Kollege eins hat die Kandidatensuche
       bereits einmal kommentiert, ihm sind damit die Locken ausgegangen, die er
       auf die Glatze drehen könnte. Kollege zwei ist krank. Kollegin drei ist
       beschäftigt mit noch unbedingterem Pflichtprogramm, das sie alleine
       erledigen muss, weil Kollege zwei krank ist. Wie wäre es mit Kollegin
       vier?, fragt ein Ressortleiter. Hab’ ich schon angerufen, antwortet ein für
       die Samstagsausgabe zuständiger Redakteur, kann irgendwie auch nicht.
       
       Weitere Vorschläge?
       
       Vorschlag 2: Das große Rad 
       
       Wie wäre es, wirft eine Kollegin ein, wenn wir uns nicht damit
       beschäftigen, wer es werden könnte, sondern lieber damit, ob es überhaupt
       jemand werden sollte. Brauchen wir diesen Grüßaugust?
       
       Es wird nun hochkonzentriert an Brillenbügeln gelutscht und abgewogen, ja,
       hm, könnte ein faszinierender Text werden.
       
       Andererseits stellt sich später, beim Blick ins Archiv, heraus: [2][Die
       Frage] wurde schon ungefähr fünf Mal gestellt. Jemand von der Linken hat
       sie [3][in dieser Zeitung] mit nein beantwortet („Ich kenne keinen, dem so
       ein Bundespräsident mal genutzt hat“), Martin Sonneborn mit ja („Ich nähme
       die Wahl an“), sogar Margot Käßmann wurde 2010 schon mal vorgeschlagen. Und
       es vertrat auch einmal jemand die These: Dass wir so einen Typ brauchen, so
       wie man Bettwäsche braucht, wäre vielleicht übertrieben – aber schaden tut
       er auch nicht, sofern er kein totaler Depp ist. Es ist also alles gesagt.
       
       Aber da – kaum ist die Kreativität mal aus dem Käfig gelassen, geht es
       Schlag auf Schlag – ist auch schon Vorschlag drei im Raum.
       
       Vorschlag 3: Kandidatenquartett 
       
       Die Idee bringt eine geschätzte Kollegin auf, die sich sonst eher von
       Leitartikeln und Analysen ernährt, woran man erkennen kann, dass die
       Verzweiflung nun wächst. Ein Kandidatenquartettspiel, das ist etwas, was
       sonst nur der federleichte und sauhippe Gesellschaftsteil macht, über den
       dann die lächeln können, die finden, dass ihre Zeitung für so einen Pipifax
       nicht gegründet worden sei. Weshalb der megasweete und voll belesene
       Gesellschaftsteil sowas gar nicht erst vorschlägt, außer vielleicht
       manchmal. Aber da der Vorschlag nun schon mal im Rennen ist – hey, warum
       nicht? Also, Quartettspiel, wer steht so auf dem Tableau?
       
       Gut, da ist Steinmeier, klar. Geeignet, weil: kann halbwegs Reden halten.
       Hielt mal eine gute vor Journalisten. Kernaussage: „Ich will nicht den
       Eindruck haben, dass alle das Gleiche schreiben, das macht misstrauisch.“
       Auch geeignet, weil: Dann wäre er nicht mehr Außenminister, was gute Seiten
       hätte, findet ein Kollege.
       
       Heißer Tipp aus der Expertenloge: Monika Grütters, die Kulturdingens.
       Geeignet, weil: ist eine Frau und hat bislang nicht abgesagt.
       
       Carolin Emcke nicht vergessen, sagt ein Kollege. Geeignet, weil:
       Social-Media-Kandidatin. Nicht geeignet, weil: Social-Media-Kandidatin.
       
       Was gegen die Kandidatenquartettidee spricht: Andere Medien hatten sie
       schon, und man will ja nicht machen, was alle machen.
       
       Vorschlag 4: Was Lyrisches 
       
       Grütters Rüttgers Röttgen /
       
       Kermani Fahimi Zamperoni /
       
       Fischer Petry Heil /
       
       Wulff Lammert Löw /
       
       Roth Kohl Zeh /
       
       Och nee?
       
       Vorschlag 5: Was Alternatives 
       
       Drauf geschissen, wir machen gar nichts zu dem Quatsch. So geht alternative
       Presse!!!!
       
       Vorschlag 6: Doch nicht 
       
       Na ja, warte, hm, ist halt schon der Bundespräsident. Und man will sich ja
       hinterher nicht sagen lassen, dass man – womöglich als einziges Medium –
       keinen Kandidatensuchezwischenstand gegeben hat.
       
       Vorschlag 7: Kurz berichten, wer die Kandidaten für das allerwichtigste Amt
       sind, Ende 
       
       Das allerwichtigste Amt? Okay, bitte: Topkandidat für den Trainerposten bei
       Arminia Bielefeld ist „übereinstimmenden Medienberichten zufolge“
       ([4][spox.com]) Peter Neururer. Ebenfalls in Medien genannt: Maik
       Walpurgis, Lorenz-Günther Köstner, Jürgen Kramny, Konrad Fünfstück, Michael
       Frontzeck, André Breitenreiter. Um nur mal einige zu nennen.
       
       Nur haben wir dann immer noch nichts über den Bundespräsidenten
       
       Vorschlag 8: Was Medienkritisches 
       
       Am Dienstag wurde Rudi Völler, Sportdirektor von Bayer Leverkusen, nach der
       Niederlage gegen den Drittligisten Sportfreunde Lotte gefragt: „Stehen Sie
       noch zum Trainer?“ Und Völler, Meerschweinchen auf dem Kopf, antwortete:
       „Sie müssen das fragen, ich weiß schon.“
       
       Musste der Reporter das fragen? Vermutlich ja. Weil ihm sonst seine
       Redaktion hätte vorwerfen können, dass er nicht gefragt hat. Man will sich
       ja hinterher nicht sagen lassen, dass man – womöglich als einziges Medium –
       nicht über die Möglichkeit der Trainerentlassung berichtet hat, die man
       selbst erst aufgebracht hat. Schrecklicher Verdacht: Funktioniert
       Bundespräsidentschaftskandidatenspekulationsjournalismus wie
       Fußballstadionkatakombenjournalismus? Ob man das schnell mal analysieren
       soll?
       
       Nee, geht nicht, Medienkritik dauert, sie muss präzise sein, sonst denken
       diese Lügenpresse-Schreihälse am Ende, sie hätten einen Punkt.
       
       Vorschlag 9: Was Politikkritisches 
       
       Diese [5][Täuschungsmanöver], dieses alberne Zukunftskoalitionsgeschraube,
       dieser Konsensquatsch – „das macht misstrauisch“. Schon klar, eine
       ökoliberale christliche linke Konservative mit arabischem
       Migrationshintergrund und Doktortitel in Soziologie, die bio isst, Zither
       spielt, Frauen liebt und Männer mag, das wär’s. Oder aber: Jede Partei
       nennt einfach ihre Kandidatin oder ihren Kandidaten für die
       Bundesversammlung im Februar. Und dann wird mal gewählt statt vorher
       ausgekaspert.
       
       Aber das hat man ja auch schon mal gehört.
       
       Vorschlag 10: Glaskugeljournalismus 
       
       Das ist die Lösung! Wir prophezeien hiermit: Am Ende wird es jemand machen.
       Und hey, bitte merken: Hier haben Sie es zuerst gelesen.
       
       29 Oct 2016
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.spiegel.de/politik/deutschland/bundespraesident-was-will-frank-walter-steinmeier-a-1118007.html
   DIR [2] /!5141821/
   DIR [3] /!5141601/
   DIR [4] http://www.spox.com/de/sport/fussball/zweiteliga/1610/News/peter-neururer-kandidat-trainer-arminia-bielefeld.html
   DIR [5] /!5307318/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Klaus Raab
       
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