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       # taz.de -- Pressefreiheit in Ungarn: Plötzliches Aus für „Népszabadság“
       
       > In Ungarn ist am Samstag die größte noch unabhängige Tageszeitung
       > geschlossen worden. Erscheint sie bald neu, aber auf Regierungslinie?
       
   IMG Bild: Prophetisch: Die Népszabadság verkündet im Januar 2011 das „Ende der Pressefreiheit“
       
       Wien taz | Die etwa 100 Redakteure der ungarischen Tageszeitung
       Népszabadság wurden Samstag früh von einem Kurier geweckt. Er übergab ein
       nicht unterzeichnetes Schreiben, das dem Empfänger mitteilte, er sei ab
       sofort vom Dienst freigestellt. Die Zeitung vom Montag soll nicht mehr
       erscheinen. Als Begründung wurde den Journalisten erklärt, der Eigentümer
       wolle die ständigen Verluste nicht mehr hinnehmen. Eigentümer ist die
       Medienholding Mediaworks, die wiederum mehrheitlich der Vienna Capital
       Partners (VCP) [1][des österreichischen Investmenunternehmers Heinrich
       Pecina] gehört.
       
       Népszabadság ist mit einer täglichen Auflage von knapp 40.000 Exemplaren
       die größte Tageszeitung, die von der Regierung Viktor Orbáns noch nicht
       gleichgeschaltet war. Nachdem sich die Nachricht von der plötzlichen
       Schließung verbreitet hatte, trafen von den unabhängigen Medien Ungarns
       kämpferische Solidaritätsbotschaften ein. Heinrich Pecina wollte sich nicht
       äußern. Er berief sich am Telefon auf eine Erkältung und verwies auf eine
       Presseerklärung: „Da steht alles drin“.
       
       Die Redaktion glaubt nicht an die darin angeführten ökonomischen Motive.
       Die Zeitung sei in den vergangenen Jahren so schlank gespart worden, dass
       sie keine Verluste mehr schrieb. Außerdem sei sie der wichtigste Kunde der
       Druckerei, die demselben Unternehmen gehört. Mediaworks gibt zudem die
       wichtigste Sportzeitung das einzige täglich erscheinende Wirtschaftsblatt
       und acht Regionalzeitungen heraus.
       
       Insgesamt wirft dieses kleine Medienimperium Gewinne ab. Zuletzt wurden von
       der Essener WAZ-Gruppe noch vier Regionalzeitungen in Westungarn
       übernommen. Nicht erreicht würden nur die eingeplanten Werbeeinnahmen, weil
       Inserate aus dem Umfeld der Regierung – offenkundig aus politischer
       Motivation – äußerst spärlich geschaltet werden.
       
       Die suspendierten Redakteure, die mit niemandem über ihre Situation reden
       dürfen, vermuten, dass die Chefs der Regierungspartei Fidesz die Geduld mit
       der respektlosen Zeitung verloren haben. Zuletzt hatte sie einen
       Korruptionsskandal von Notenbankchef György Matolcsy aufdeckt und über das
       Luxusleben von Kommunikationsminister Antal Rogán berichtet.
       
       Den Redakteuren wurden am Samstag der Zugang zu ihren Arbeitsplätzen
       verwehrt. Einzig Chefredakteur András Murányi wurde ins Redaktionsgebäude
       vorgelassen, wo er mit dem neuen Chef der Mediaworks Holding Viktor Katona
       in Verhandlungen trat. Die Redakteure rechnen damit, dass die Zeitung bald
       wieder erscheinen wird – allerdings mit völlig neuem Personal und auf
       Regierungslinie.
       
       8 Oct 2016
       
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