URI: 
       # taz.de -- Politische Krise in Spanien: Sozialisten lassen Rajoy regieren
       
       > Spaniens alter Premier wird wohl auch der neue sein. Möglich macht das
       > die Enthaltung von mindestens elf Abgeordneten der Sozialisten.
       
   IMG Bild: Zerreißprobe: Am Anfang lächelten die Regionalchefs der spanischen Sozialisten noch
       
       Madrid taz | Spaniens Sozialisten werden dem konservativen
       Ministerpräsidenten Mariano Rajoy (Volkspartei PP) eine zweite vierjährige
       Amtszeit ermöglichen. Das beschloss der Kleine Parteitag der PSOE am
       Sonntag in Madrid. 59 Prozent der 235 Anwesenden stimmten dafür, sich im
       Parlament zu enthalten, um so Rajoy zu einer relativen Mehrheit und dem
       Verbleib im Regierungspalast zu verhelfen. Die Parlamentssitzung muss bis
       spätestens Ende des Monats stattgefunden haben.
       
       Anfang des Monats hatte ein anderer Kleiner Parteitag den Generalsekretär
       der Sozialisten, Pedro Sánchez, zum Rücktritt gezwungen. Dieser wollte um
       jeden Preis am „Nein“ zu einer Regierung Rajoys festhalten und Wege für
       eine alternative Mehrheit mit der jungen Antiausteritätspartei Unidos
       Podemos (UP) und nationalistischen Parteien aus Katalonien ausloten. Die
       Regionalfürsten der PSOE – allen voran die Chefin der andalusischen
       Autonomieregierung Susana Díaz – wollten diesen Weg auf keinen Fall
       mitgehen. Sie sind strikt gegen jedwede Regierungsbeteiligung von UP.
       
       Die „Putschisten“, wie sie von vielen an der sozialistischen Parteibasis
       genannt werden, haben die Zeit zwischen den beiden Kleinen Parteitagen
       genutzt, um einen geschäftsführenden Parteivorstand mit Verteidigern der
       Duldung Rajoys zu besetzen – und nun das Präsidium des Kleinen Parteitags
       auszuwechseln. Abgestimmt wurde am Sonntag per Aufruf, um genau
       festzuhalten, wer zu welchem Lager gehört.
       
       Die Debatte war heftig, die Stimmung angespannt. Insgesamt meldeten sich 54
       Redner zu Wort, darunter viele Parteigrößen. Nur die Landesväter, die in
       ihrer Region mit Unterstützung von Podemos regieren, hielten sich zurück
       und schickten ihre Stellvertreter vor – die ebenfalls die Duldung Rajoys
       verteidigten. Alle sprachen von der Verantwortung der Sozialisten für
       Spaniens Zukunft. Die Parlamentswahlen erneut zu wiederholen, würde das
       Land in „eine anormale Situation führen“. Dann würde die PSOE, die bei den
       vorgezogenen Neuwahlen im Juni das schlechteste Ergebnis aller Zeiten
       einfuhr, weitere Stimmen verlieren. Der Urnengang vom Juni war notwendig
       geworden, nachdem nach den regulären Wahlen vergangenen Dezember weder
       Rajoy noch Sánchez in der Lage waren, eine Regierungsmehrheit zu finden.
       
       Nun werden die Sozialisten im Parlament beim ersten Wahlgang erneut gegen
       Rajoy stimmen. Im zweiten Wahlgang reicht dann eine relative Mehrheit. Wenn
       sich elf Sozialisten enthalten, ist Rajoy, der auf die Stimmen seiner
       Partido Popular und die der rechtsliberalen Ciudadanos setzten kann,
       gewählt.
       
       Ob sich nur elf Sozialisten enthalten oder die gesamte Fraktion, war bei
       Redaktionsschluss ebenso wenig klar, wie das, was mit eventuellen
       Abtrünnigen geschehen soll. Mehrere Abgeordnete, darunter alle aus
       Katalonien, haben bereits erklärt, auch im zweiten Wahlgang mit „Nein“
       stimmen zu wollen. Der geschäftsführende Parteivorstand droht, sie in
       diesem Falle aus den Parteistrukturen zu verbannen. Offiziell sind die
       katalanische Sozialisten eine eigenständige Partei. Käme es zum Bruch,
       müsste die PSOE im spanischen Nordosten eine eigene Sektion aufbauen. Diese
       dürfte nur schwer möglich sein.
       
       Mehrere Dutzend Parteimitglieder protestierten während des Kleinen
       Parteitags vor der PSOE-Zentrale in Madrid, die von der Polizei geschützt
       wurde. In den vergangenen Wochen hatten sich in Hunderten Gemeinden und
       Stadtteilen die Ortsvereine getroffen, um ein „Nein“ zu Rajoy einzufordern.
       
       Auf Initiative des Bürgermeisters des andalusischen Orts Jun, José Antonio
       Rodríguez, wurden an der Basis insgesamt 94.000 Unterschriften für einen
       sofortigen Parteitag und die Urwahl eines neuen Generalsekretärs gesammelt.
       Das sind mehr als die Hälfte aller Parteimitglieder. Laut Statuten müsste
       der geschäftsführende Vorstand diesem Basisantrag stattgeben. Die
       Entscheidung lässt auf sich warten.
       
       Die Andalusierin Susana Díaz mahnte in ihrer Rede „zur Einheit der Partei“,
       um „künftige Wahlen zu gewinnen“. Die PSOE stehe vor der schwierigen
       Aufgabe, ihre Glaubwürdigkeit als Oppositionskraft zurückzugewinnen, wolle
       sie nicht weitere Stimmen verlieren.
       
       24 Oct 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Reiner Wandler
       
       ## TAGS
       
   DIR Spanien
   DIR PSOE
   DIR Mariano Rajoy
   DIR Pedro Sánchez
   DIR Podemos
   DIR Spanien
   DIR Spanien
   DIR Spanien
   DIR Mariano Rajoy
   DIR Mariano Rajoy
   DIR Pedro Sánchez
   DIR Spanien
   DIR Spanien
   DIR Spanien
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Neuer Chef der spanischen Sozialisten: Comeback für Pedro Sánchez
       
       Spanien Sozialisten wählen den früheren Vorsitzenden wieder an die
       Parteispitze. Das Votum ist eine Rebellion gegen den Parteiapparat.
       
   DIR Kampf um Unabhängigkeit in Katalonien: Neues Kapitel in der Politfarce
       
       Hohe katalanische Expolitiker stehen vor Gericht. Sie hatten ein Referendum
       über die Unabhängigkeit der Region durchgeführt.
       
   DIR Proteste gegen Sparpolitik in Spanien: „Unsere verlorenen Rechte“
       
       In Madrid sind Zehntausende gegen die Sparpolitik der Regierung auf die
       Straße gegangen. Ministerpräsident Rajoy beruft sich auf die Vorgaben der
       EU.
       
   DIR Regierungsbildung in Spanien: Rajoy verliert Vertrauensabstimmung
       
       Der amtierende Ministerpräsident hat beim ersten Votum die absolute
       Mehrheit verpasst. Eine zweite Abstimmung dürfte aber für ihn positiv
       ausgehen.
       
   DIR Kommentar Spanische Sozialisten: Im Dienst von Heimat und Kapital
       
       Dank der Sozialisten bleibt die korrupte Rajoy-Regierung in Spanien im Amt.
       Die WählerInnen werden ihr das nicht verzeihen.
       
   DIR Nach Sánchez' Rücktritt in Spanien: Zurück bleibt ein Trümmerhaufen
       
       Der Parteichef der PSOE hat monatelang um die Macht gepokert und ist
       gescheitert. Nun stellen sich die Sozialisten ins Abseits.
       
   DIR Politische Dauerkrise in Spanien: Sozialisten zerlegen sich selbst
       
       Im Machtkampf in der PSOE wird Parteichef Sánchez trickreich aus dem Amt
       gehievt. Seine Anhänger bezeichnen das Vorgehen als Putsch.
       
   DIR Regierungsbildung in Spanien: Wenn Sozen kneifen
       
       Die Sozialisten unter Pedro Sánchez entscheiden sich in der Koalitionsfrage
       fürs Nichtstun – und damit für die Lähmung ihres Landes.
       
   DIR Spanischer Wahlabend: „Hasta la victoria siempre!“
       
       Das Bündnis Unidos Podemos hat verloren. Die Anhänger sind frustriert, aber
       Podemos-Star Pablo Iglesias gibt sich entschlossen.