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       # taz.de -- Gaza-Schiff in der Debatte: Märtyrer an Bord
       
       > Wer sich als Passagier auf ein Aktivisten-Schiff begibt, sollte sich
       > besser vorher informieren, wer die Organisatoren der Reise sind. Dies sei
       > auch den Medien angeraten.
       
   IMG Bild: Die Mava Marmara.
       
       Friedensaktivisten, Menschenrechtsaktivisten, Solidaritätsaktivisten,
       türkische Aktivisten - all diese gab es ganz sicher auf der "Mavi Marmara",
       dem Schiff, das von israelischem Militär gestürmt wurde. Doch die
       Bezeichnung Aktivist ist weder geschützt noch ein verbrieftes
       Qualitätssiegel.
       
       Wer sich also freiwillig als Passagier auf ein Aktivisten-Schiff eincheckt,
       sollte sich vorher ausreichend darüber informieren, wer die Organisatoren
       und Aktivisten der "Solidaritätsflotte" sind. Und genauso sollte jeder
       Journalist, der über die Ereignisse berichtet, versuchen, sich ein klares
       Bild von der Sorte Aktivisten zu machen, über die er oder sie als "Opfer"
       berichtet.
       
       Lange vor dem Auslaufen der "Mavi Marmara" gab es genügend Material -
       sowohl über die türkische als auch über die deutsche Internationale
       Humanitäre Hilfsorganisation (IHH), das zumindest hätte misstrauisch machen
       sollen. Bereits vor einigen Jahren hatten deutsche Staatsanwälte der IHH
       vorgeworfen, Spendengelder nicht zu humanitären Zwecken, sondern zum Kauf
       von Waffen für Glaubensbrüder in Bosnien und Tschetschenien zu verwenden.
       
       Vor einem Jahr war Bülent Yildirim, Vorstand der IHH, auf einer
       Veranstaltung in Gaza, wo er bekannte: "Vor drei, vier Jahren noch hat man
       die Hamas als terroristische Organisation bezeichnet. Heute nennen wir
       Israel, die USA und Großbritannien die Terroristen." Bei der Einweihung der
       Solidaritätsflotte, so berichteten israelische Medien vorab, seien Mahmad
       Tzoalha und Sahar Albirawi, Mitglieder der Hamas, und Hamam Said, ein
       Führer der Muslimbrüder aus Jordanien zugegen gewesen.
       
       Die Offenheit, mit der die IHH gestern zugestand, dass sie das Risiko der
       vollen Eskalation eingehen will: "Wir machen weiter, bis das Embargo
       aufgehoben ist", und dass sie sich nicht nur mit "zweieinhalb Holzstangen"
       (Norman Paech, außenpolitischer Sprecher der Linksfraktion), sondern mit
       Eisenstangen verteidigt hätten, lässt nun einige doch an den rein
       humanitären und friedlichen Zwecken der Organisation zweifeln.
       
       Ausgerechnet Norman Paech wurde im Studio der ARD-"Tagesthemen" am Montag
       als neutraler Beobachter der Ereignisse auf dem Schiff interviewt. Wer
       allerdings an der Echtheit des Videos der israelischen Armee zweifelte, auf
       dem zu sehen ist, wie die israelischen Soldaten mit Eisenstangen
       zusammengeschlagen werden, hätte auch den Aussagen eines Norman Paech
       misstrauen müssen.
       
       Denn Paech ist kein objektiver Beobachter, wenn es um Israel geht. Er
       vergleicht seit Jahren das Vorgehen des israelischen Militärs mit
       Nazimethoden, empfiehlt die Hamas als Dialogpartner und lässt offen, ob das
       Widerstandsrecht der Palästinenser gegen die israelische Besatzung auch
       eine Grenze hat.
       
       Es waren nicht israelische, sondern türkische Medien (Vatan und Milliyet),
       die am Mittwoch darüber berichteten, dass mindestens 40 der Aktivisten auf
       der "Mavi Marmara" gewaltbereit gewesen seien und drei der Toten vor ihrer
       Abreise gegenüber Freunden und Verwandten gesagt hätten, dass sie auf
       diesem Trip als "Märtyrer" sterben wollen. Es ist schon interessant, dass
       die Journalisten in dem Land, aus dem die Toten stammen und in dem es
       bislang zu den heftigsten antiisraelischen Demonstrationen nach dem Vorfall
       kam, die Hintergründe der Toten trotzdem offen recherchieren und
       publizieren. Während hierzulande drei Mitglieder der Linkspartei, die
       ebenfalls auf dem Schiff waren und die aus ihrer Sympathie für den
       Widerstand gegen Israel keinen Hehl machen, als objektive Zeugen für die
       friedlichen Absichten der "Freiheits-Flottille" gehandelt werden.
       
       4 Jun 2010
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Doris Akrap
       
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