URI: 
       # taz.de -- Rüstungsindustrie beim Celler Trialog: Guter Absatz, miese Stimmung
       
       > Die Bundesregierung genehmigt erneut mehr Waffenexporte. Die
       > Rüstungsbranche gibt sich bei einer Tagung trotzdem frustiert.
       
   IMG Bild: Patrouillenboot für die saudische Küstenwache: Werft-Chef Lürssen stört die Genehmigungspraxis
       
       Celle taz | Draußen fällt Nieselregen, drinnen ist die Stimmung gedrückt.
       Ulrich Grillo steht auf der Bühne des Celler Kongresszentrums, der
       BDI-Präsident ist der Star des Dienstagvormittags und seine Botschaft
       klingt fatal. „Den politischen Entscheidern muss bewusst sein, dass sie der
       Industrie ihre Leistungsfähigkeit nehmen, wenn sie massiv in deren
       wirtschaftliches Handeln eingreifen“, sagt der Chef des Industrieverbands.
       „Genau das geschieht seit einiger Zeit, vor allem beim Export
       wehrtechnischer Güter.“
       
       Nanu? Wenige Stunden zuvor sickerten ersten Details aus dem neuen
       Rüstungsexportbericht der Bundesregierung durch. Wie bereits bekannt, stieg
       das Gesamtvolumen der genehmigten Rüstungsexporte im ersten Halbjahr 2016
       erneut an. Besonders groß ist der Zuwachs bei Geschäften mit Saudi-Arabien
       und der Türkei.
       
       Auf der Bühne des Celler Trialogs bricht ob der Meldung dennoch kein Jubel
       aus. Auf Einladung des CDU-Bundestagsabgeordneten Henning Otte diskutieren
       in der niedersächsischen Kleinstadt Politiker, Bundeswehrangehörige und
       Rüstungslobbyisten über aktuelle Branchenfragen. In diesem Jahr heißt das
       vor allem: über die Genehmigungspraxis der Behörden.
       
       Da wäre zum Beispiel Friedrich Lürssen, Geschäftsführer der gleichnamigen
       Werft aus Bremen, die derzeit Patrouillenboote für den saudischen
       Grenzschutz baut. Lürssen hätte am liebsten eine Exportgenehmigung für 30
       Boote auf einmal, stattdessen muss er nach eigenen Angaben die Ausfuhr
       jedes Schiffs einzeln beantragen. Gegenüber Konkurrenten aus Ländern mit
       weniger strengen Vorgaben sei er damit im Nachteil. „Die Franzosen und
       Italiener lachen doch über uns“, sagt er.
       
       ## Die Branche bringt sich in Stellung
       
       Mit dieser und ähnlichen Anekdoten bringt sich die Branche gezielt in
       Stellung: Eine Kommission im Wirtschaftsministerium berät seit drei Wochen
       über eine Reform der Rüstungsexportkontrolle. Neun Referate des
       Ministeriums sind in dem Gremium vertreten, bis zum Frühjahr wollen sie elf
       externe Experten anhören. Als Sachverständige geladen haben sie
       [1][Gewerkschafter, Lobbyisten, Juristen, Wissenschaftler, Menschenrechts-
       und Friedensaktivisten].
       
       „Die Bekanntgabe von Exportzahlen oder die Diskussion von
       Einzelentscheidungen lösen häufig intensive öffentliche Diskussionen aus“,
       schrieb ein Unterabteilungsleiter des Ministeriums in der [2][Einladung an
       die Sachverständigen]. Deshalb solle die neue Kommission im Auftrag von
       Minister Sigmar Gabriel „Handlungsoptionen zur Zukunft der
       Rüstungsexportpolitik einschließlich der Möglichkeit zur Erarbeitung eines
       Rüstungsexportkontrollgesetzes aufzeigen“.
       
       Für den Fall, dass die Bundesregierung am Ende die Exportregeln verschärfen
       sollte, kündigt die Branche in Celle schon mal ihren Widerstand an. „Ein
       Angriff auf die Sicherheits- und Verteidigungsindustrie ist ein Angriff auf
       die gesamte deutsche Wirtschaft“, sagt BDI-Chef Grillo.
       
       ## Plädoyer für europaweite Angleichung
       
       Die Unternehmer haben aber auch eine Hoffnung: dass sie sich mit ihren
       Argumenten durchsetzen und eine Verschärfung verhindern. Am Dienstag
       plädieren sie geschlossen für ein europäisches Rüstungsexportgesetz, das
       EU-weite Standards setzt. Dass liefe eher auf eine Lockerung hinaus, nicht
       auf eine Verschärfung.
       
       „Das europäische Exportgesetz wird sicher nicht das deutsche Exportgesetz
       sein“, sagt der Rheinmetall-Vorstand Armin Papperger, dessen Unternehmen
       unter anderem Teile der deutschen Panzer liefert, deren Export nach Katar
       die Bundesregierung 2015 genehmigte. „Aber wenn man Gerechtigkeit möchte,
       dann braucht man das europäische Exportgesetz.“
       
       26 Oct 2016
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /fileadmin/static/pdf/rexport_sachverstaendige.pdf
   DIR [2] /fileadmin/static/pdf/rexport_einladung.pdf
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Tobias Schulze
       
       ## TAGS
       
   DIR Waffenexporte
   DIR Wirtschaftsministerium
   DIR Rüstungsindustrie
   DIR Rüstungsexporte
   DIR Russland
   DIR Saudi-Arabien
   DIR Rüstungsindustrie
   DIR „Islamischer Staat“ (IS)
   DIR Export
   DIR Rüstungsexporte
   DIR Waffenexporte
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Deutsche Rüstungsexporte und Gabriel: Sogar Schwarz-Gelb hatte weniger
       
       Auf diese Statistik hätte Sigmar Gabriel gerne verzichtet: 2016 erreichten
       die Exportgenehmigungen den zweithöchsten je gemessenen Wert.
       
   DIR Deutsche Rüstungsausgaben gestiegen: Mehr Geld für Waffen
       
       500 Millionen Euro mehr als im Vorjahr hat Deutschland 2016 für Waffen,
       Munition und militärische Forschung ausgegeben. Und es soll noch mehr
       werden.
       
   DIR Militärkooperation mit Saudi-Arabien: Bundeswehr soll Offiziere schulen
       
       Von der Leyen muss in Saudi-Arabien taktieren: Das Land ist wichtiger
       Partner im Anti-IS-Kampf. Trotzdem ist eine militärische Kooperation
       heikel.
       
   DIR Bericht über Waffenindustrie: Deutsche Rüstungskonzerne boomen
       
       Global schrumpft das Waffengeschäft, wenn auch nur noch gering. In
       Westeuropa und Russland steigen hingegen die Umsätze.
       
   DIR Kommentar gestiegene Rüstungsexporte: Ohne Munition gegen den IS? Absurd!
       
       Steigende Waffenexporte lassen sich nicht beschönigen. Oder doch? Wenn der
       Westen den IS nicht selbst bekämpfen will, müssen es andere tun.
       
   DIR Bericht zu Rüstungsexporten: Drastischer Anstieg bei Munition
       
       Deutschland liefert weniger Kleinwaffen in andere Länder. Die Ausfuhr von
       Munition für diese Art Waffen verzehnfacht sich aber.
       
   DIR Gremium im Wirtschaftsministerium: Geheimsache Rüstungsexport
       
       Eine Regierungskommission berät über ein neues Rüstungsexportrecht. Dass
       sie einen Abschlussbericht veröffentlicht, ist aber nicht vorgesehen.
       
   DIR Gremium zum Waffenexport: Gabriel lässt sich Zeit
       
       Der Wirtschaftsminister setzt eine Kommission ein, die über das
       Rüstungsexportrecht berät. Kann sie bis zur Bundestagswahl Ergebnisse
       liefern?