URI: 
       # taz.de -- Diskriminierendes Verhalten im Fußball: Der Antirassismus der Fifa
       
       > Ist es wirklich ohne Abstriche ganz toll, wenn der Weltfußballverband
       > Strafen wegen rassistischer und homophober Fans verhängt? Nicht ganz.
       
   IMG Bild: Moralisch im Recht? Fifa-Chef Gianni Infantino
       
       Ganz toll, Fifa. „Say no to racism“ heißt es immer, wenn international
       Fußball gespielt wird. Nun hat die Organisation elf Mitgliedsverbände
       bestraft – wegen „diskriminierendem und unsportlichen Verhalten der Fans“,
       konkret wegen Rassismus und Homophobie. Honduras, El Salvador, Mexiko,
       Kanada, Chile, Brasilien, Argentinien, Paraguay, Peru, Albanien und, als
       europäischer Vertreter, Italien wurden teilweise zu Geldstrafen, teils zu
       Spielen ohne Publikum verurteilt.
       
       Ganz toll also. Selbstverständlich ist es nicht zu bekritteln, wenn ein
       Verband mit derart globaler Macht gegen Rassismus, gegen Homophobie, gegen
       Antisemitismus, gegen Sexismus und andere Formen der Unterdrückung vorgeht.
       Und Hinweise, dass dieser Fußballweltkonzern sein Engagement nicht aus
       philanthropischen Motiven, sondern mit Blick auf neue Märkte und neue
       Zielgruppen betreibt, gehen ins Leere. Schließlich kommt es doch aufs
       Ergebnis an: Der Scheiß muss gebannt werden.
       
       Toll. Immer noch. Nicht mal, dass die Fifa ansonsten eine Organisation ist,
       der oft Kriminalität (und Korruption sowieso) nachgesagt wird, und die ihre
       gutgemeinten Kampagnen bloß zur Verbesserung ihres ramponierten Images
       durchführt, mag das Lob schmälern. Denn auch hier gilt: Wer gegen
       Unterdrückung vorgeht, hat immer recht und muss nicht erst den Nachweis
       erbringen, moralisch ehrenwert zu sein.
       
       Und was ist damit, dass hier ein Verband andere Verbände bestraft? Warum
       darf der Weltverband in die Rolle des zuständigen Richters schlüpfen, ein
       nationaler Verband hingegen in die Rolle des Angeklagten, der Verantwortung
       für die Fans übernehmen muss? Ja, sogar das ist zu begründen (und letztlich
       zu begrüßen), denn es sind ja Anhänger der Nationalteams, und immer mehr
       Verbände mischen sich in die Ticketvergabe ein – so auch der DFB mit seinem
       „Fan Club Nationalmannschaft“.
       
       ## Hauptsache, der Dreck ist weg
       
       Was denn nun? Ist es wirklich ohne Abstriche ganz toll, wenn die Fifa
       Strafen wegen rassistischer und homophober Fans verhängt? Nicht ganz. Denn
       man sollte nicht vergessen, dass der Weltverband Fifa sich selbst anmaßt,
       zu wissen, was als Diskriminierung gilt.
       
       Sinnvoller wäre, man einigte sich auf etwas, das man ein wenig unbeholfen
       „Opferkompetenz“ nennen könnte. Soll heißen: Diskriminierte Schwarze sagen
       uns, was Rassismus ist; Frauen erklären uns Sexismus; LGBT-Leute bestimmen
       Homophobie, wie Juden dies bezüglich des Antisemitismus tun.
       
       Ansonsten haben wir es mit einen Phänomen zu tun, das Fußballfans vom
       Dortmunder Keeper Roman Weidenfeller kennen: Der sollte 2010 für sechs
       Spiele gesperrt werden, weil er den damaligen Schalker Gerald Asamoah
       „schwarzes Schwein“ genannt hatte; als dann kursierte, er habe „schwules
       Schwein“ gesagt, gab es nur drei Spiele Sperre.
       
       Die Geschichte illustriert, auf welchen krummen Wegen sich die Verbände
       diesen Themen angenähert haben: Die Bekämpfung des Rassismus auf dem
       Fußballplatz hatte für die Fifa immer einen höheren Stellenwert als die
       anderer Unterdrückungsideologien. Schließlich spielen viele schwarze Profis
       in den wichtigsten Ligen der Welt, sind afrikanische Verbände in der Fifa
       stark vertreten, und gehört die ökonomische Erschließung des afrikanischen
       und des asiatischen Kontinents zu den strategischen Zielen des
       Weltfußballverbandes. Der Bekämpfung des Sexismus haben sich Fifa und
       nationale Verbände erst angenommen, als zum einen der Frauenfußball
       wichtiger wurde und zum anderen Frauen als wichtige Zielgruppe in Stadien
       und vor Fernsehern entdeckt wurden.
       
       Dass der Fußballweltverband Fifa diese Phänomene erst bekämpft, wenn sie
       ihm disfunktional werden, sei ihr zugestanden. Hauptsache, der Dreck ist
       weg. Dass wir, die Fans, die Sportöffentlichkeit, die Zivilgesellschaft,
       aber der Fifa das Recht überlassen, zu definieren, wann welche
       Unterdrückung anfängt, das ist nicht toll.
       
       14 Oct 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Martin Krauss
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Rassismus
   DIR Fußball
   DIR Homophobie
   DIR Fifa
   DIR Schwerpunkt Rassismus
   DIR Schwerpunkt Rassismus
   DIR Fußball
   DIR Antisemitismus
   DIR SC Freiburg
   DIR Fans
   DIR Champions League
   DIR Homophobie
   DIR Zahir Belounis
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Rassismus im norwegischen Fußball: Pfeifen gegen den Schiri
       
       Svein-Erik Edvartsen, einer der besten Referees Norwegens, wurde von
       Kollegen gemobbt. Eine Mischung aus Neid und Rassismus.
       
   DIR Rassismus in den italienischen Medien: Eklat während Live-Interview
       
       Über Kopfhörer wird Juve-Spieler Medhi Benatia als „Scheiß-Marokkaner“
       beleidigt. Der TV-Sender Rai weist die Verantwortung von sich.
       
   DIR Homophobie im Fußball: „So etwas möchten wir nicht“
       
       Beim U20-Spiel Schweiz-Deutschland hängte die Security ein Transparent
       gegen Homophobie ab. Der Schweizer Fußballverband wollte es so.
       
   DIR Antisemitische Fußballfans: Eine Frage der Volksverhetzung
       
       Nach einem Spiel des HSV sollen Anhänger ein antisemitisches Lied gegrölt
       haben. Die Linke wirft der Polizei vor, nichts dagegen unternommen zu haben
       
   DIR Kolumne Pressschlag: „Man muss sich jetzt bekennen“
       
       Christian Streich, Trainer des SC Freiburg, prangert Fremdenhass an. Wir
       dokumentieren seine viel beachtete Rede.
       
   DIR Fußballfans sind verdächtig: Freund und Spanner
       
       Die Polizei hat jahrelang heimlich Daten über Fußballfans gesammelt. Das
       Oberverwaltungsgericht Lüneburg findet das völlig okay
       
   DIR Champions League, dritter Spieltag: Glückliche Fohlen im Celtic Park
       
       Die angebliche Krise der Bayern scheint überwunden: München fertigt
       Eindhoven 4:1 ab. Eine Überraschung gelingt Gladbach gegen Celtic Glasgow.
       
   DIR Football Pride Week in Berlin: Es ist 2016, liebe Fußballfreunde
       
       Fangruppen, Vereins- und Verbandsvertreter aus aller Welt sprachen in
       Berlin vier Tage lang über Homophobie und Sexismus im Sport.
       
   DIR Ex-Fußballer konnte Katar nicht verlassen: „Sie haben mein Leben zerstört“
       
       Fünf Jahre lang hielt ein Club den Ex-Fußballprofi Zahir Belounis in Katar
       gefangen. Nun fällt es ihm schwer, wieder Fuß zu fassen.