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       # taz.de -- Streit über Drogenkontrollen in Hamburg: Überstunden für ein halbes Gramm
       
       > Mit großem Aufwand verfolgt die Hamburger Innenbehörde die Drogenszene
       > auf der Straße. Der Erfolg ist überschaubar, die Belastung für die
       > Polizisten groß
       
   IMG Bild: Keine Mühen gescheut: Ein Großaufgebot stürmte im Juli ein Hausprojekt in der Hafenstraße
       
       HAMBURG taz | Die Hamburger Polizei verfolgt mit viel Aufwand die sichtbare
       Drogenszene. Der messbare Effekt ist jedoch gering, wie zwei Anfragen der
       Linken in der Hamburgischen Bürgerschaft ergeben haben. Und dabei klagen
       die Polizeigewerkschaften seit Jahren über die vielen Überstunden, die die
       Beamten vor sich herschieben. SPD-Innensenator Andy Grote wolle sich als
       Mann der Härte profilieren, kritisiert die Linken-Abgeordnete Christiane
       Schneider. Er tue das „auf dem Rücken der Grundrechte der kontrollierten
       Bürgerinnen und Bürger und der eingesetzten Polizeibeamten“. Die
       Innenbehörde weist das zurück.
       
       Im April hat die Behörde eine „Task Force Drogen“ gebildet. Die Gruppe soll
       die sichtbare Drogenkriminalität in den einschlägigen Stadtteilen St.
       Georg, St. Pauli und Sternschanze eindämmen. „Es geht hier darum, einer
       massiven Beschwerdelage Herr zu werden“, sagt ein Sprecher der
       Innenbehörde. Medien hatten zuvor über genervte Anwohner berichtet.
       
       Der Senatsantwort auf Schneiders Anfrage zufolge hat die Innenbehörde mit
       ihrer Reaktion nicht gekleckert. Knapp 70.000 Arbeitsstunden hat die Task
       Force Drogen im ersten halben Jahr ihres Bestehens angehäuft. Dabei schiebt
       die Polizei bereits jetzt einen Berg von Überstunden vor sich her: Erst
       Anfang des Jahres hatte Innensenator Grote zwei Millionen Euro losgeeist,
       um damit 86.000 Überstunden wenigstens finanziell abzugelten.
       
       Die Task Force war nicht faul. Mehr als 17.000 Menschen hat sie
       kontrolliert. In 33 Fällen ermittelt die Staatsanwaltschaft noch. In 51
       Fällen hat sie vor Gericht Anklage erhoben. Es gebe einige Dutzend
       Verurteilungen, davon 15 zu Freiheitsstrafen. Unter diesen sind auch Fälle
       wie der eines 19-Jährigen aus Guinea-Bissau, der in der Hafenstraße auf St.
       Pauli mit einem halben Gramm Marihuana erwischt worden war. Das Amtsgericht
       verurteilte ihn dafür zu vier Monaten Haft ohne Bewährung.
       
       Dass angesichts dieses Personaleinsatzes nur so wenige Anklagen erhoben
       worden seien, spreche eine deutliche Sprache, findet die Linken-Abgeordnete
       Schneider. „Die Polizei geht mit immensem Aufwand gegen vermeintliche
       Drogendealer vor“, sagt Schneider. Dabei laufe die Task Force ins Leere und
       sollte deshalb abgeschafft werden.
       
       Der CDU-Abgeordnete Dennis Gladiator sieht das anders: „Eine konsequente
       Bekämpfung der Drogenkriminalität in Hamburg war längst überfällig.“
       Erkennbar sei aber auch, dass die Polizei kaum noch über ausreichend
       Personal für diese Aufgabe verfüge. So würden Kräfte von der
       Sonderkommission gegen Einbruchskriminalität abgezogen und massiv
       Überstunden gemacht.
       
       Die rund eine Million Überstunden der Hamburger Polizei sind regelmäßig
       Gegenstand parlamentarischer Anfragen der CDU. Sie führten dazu, dass immer
       wieder Funkstreifenwagen nicht besetzt werden konnten. Die
       Polizeigewerkschaften fordern schon länger mehr Personal. Anfang des Jahres
       hat der Senat reagiert und beschlossen, die Stellen im
       Polizeivollzugsdienst von 2017 bis 2021 um 300 auf 8.000 zu erhöhen.
       
       Es müsse aber darum gehen, an die Strukturen hinter den Dealern zu kommen,
       fordert Gladiator. Wie berichtet, hat die Bremer Polizei kürzlich einen
       entsprechenden Erfolg vermeldet. Es sei gelungen, die Arbeitsstruktur des
       organisierten Drogenhandels in den beiden Brennpunkten der Stadt – dem
       Hauptbahnhof und dem Steintorviertel –komplett zu zerschlagen, behauptete
       die Polizei.
       
       Die Bremer durchsuchten in den vergangenen Monaten mit 270 Beamten 19
       Wohnungen. Sie beschlagnahmten einige Kilogramm Drogen und 80.000 Euro. 14
       Menschen nahmen sie fest. Sechs Männer sitzen seither in Untersuchungshaft.
       
       27 Oct 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Gernot Knödler
       
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