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       # taz.de -- Internationaler Strafgerichtshof: Weltgericht unter Beschuss
       
       > Ein Land Afrikas nach dem anderen verkündet den Rückzug aus dem
       > Internationalen Strafgerichtshof. Sie werfen dem Organ Einseitigkeit vor.
       
   IMG Bild: Angehörige von Opfern in der Elfenbeinküste verfolgen die Berichtersattung aus Den Haag
       
       Berlin taz | [1][Erst Burundi]. [2][Dann Südafrika]. [3][Jetzt Gambia]. Die
       Liste afrikanischer Staaten, die ihren Rückzug aus dem Internationalen
       Strafgerichtshof (IStGH) verkünden, wird immer länger, ein Ende ist nicht
       absehbar.
       
       Was haben sie alle gegen das weltweit höchste Gericht zur Ahndung von
       Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit? Verbreitet ist das
       Gefühl, in Den Haag werde mit zweierlei Maß gemessen: „EU und USA töten in
       Pakistan, Jemen, Irak, Gaza, Syrien, Palästina und Libyen, aber der
       Gerichtshof nimmt sich Afrika vor“, schreibt eine Twitterin aus Burundi und
       veröffentlicht die Fotos aller bisher vom IStGH angeklagten Personen –
       ausnahmslos schwarze Afrikaner.
       
       Gambias Regierung erklärte am Dienstag, der IStGH – auf englisch ICC
       (International Criminal Court) – sei ein „International Caucasian Court“,
       ein Gericht der Weißen also „zur Verfolgung und Erniedrigung von People of
       Colour“. Gambias Regime ist eines der repressivsten des Kontinents, aber
       Präsident Yahya Jammeh sieht sich als Verteidiger Afrikas auf der
       Weltbühne. Dass der IStGH eine Anzeige Jammehs gegen die EU wegen Mordes an
       afrikanischen Flüchtlingen nicht aufnahm, hat der Autokrat nicht verziehen.
       „Viele westliche Länder, mindestens 30, haben fürchterliche Verbrechen
       gegen unabhängige souveräne Staaten und ihre Bürger begangen, und kein
       einziger westlicher Kriegsverbrecher wurde angeklagt“, so die Regierung.
       
       Dabei kommt die Chefanklägerin des IStGH aus Gambia: die ehemalige
       Justizministerin Fatou Bensouda. Der Vorsitzende der Versammlung der
       Vertragsstaaten, die Führungsbehörde des Gerichtshofs, ist Senegals
       Justizminister Sidiki Kaba. Er kritisierte die afrikanischen Rückzüge
       scharf und sagte, man müsse den IStGH stärken und nicht schwächen.
       
       Kein Prozess vor dem IStGH hätte jemals stattgefunden, wenn nicht das
       Herkunftsland das Angeklagten es gewünscht hätte. Aber je aktiver das
       Weltgericht wird, desto höher ist das Risiko, dass nicht nur Gegner
       afrikanischer Regierungen dort vor Gericht kommen, sondern auch Regierende
       selbst – und das wollen sie verhindern.
       
       Zum Symbol dafür ist der Haftbefehl geworden, der im Jahr 2009 auf
       Beschluss des UN-Sicherheitsrats gegen Sudans Präsident Omar Hassan
       al-Bashir ausgestellt wurde. Der Vorwurf: Völkermord in Sudans Westregion
       Darfur. Bashir ist seitdem unter Afrikas Diktatoren zum Helden geworden,
       Symbol des Widerstands gegen westliche Willkürjustiz.
       
       Auf dem letzten Staatengipfel der Afrikanischen Union (AU) im Juli in
       Ruanda – ebenso wenig Mitglied des Gerichtshofs wie Äthiopien, Südsudan
       oder Somalia, wo es überall reichlich Arbeit für internationale Ermittler
       gäbe – wurde Bashir gefeiert. Kenia brachte eine Beschlussvorlage zum
       kollektiven Rückzug Afrikas aus dem IStGH-Statut ein, unterstützt vom
       Tschad, der aktuell den AU-Vorsitz innehat. Sie wurde nicht angenommen –
       aus formalen Gründen: Weil die AU nicht kollektiv dem Statut beigetreten
       ist, kann sie nicht kollektiv austreten, die Staaten müssten dies einzeln
       tun, hieß es. Genau das tun sie jetzt.
       
       In der Demokratischen Republik Kongo prüft Präsident Joseph Kabila – der
       reihenweise selbst Warlords an das Weltgericht überstellt hat – Berichten
       zufolge einen Rückzug. Kenias Parlament hat schon zweimal für den Rückzug
       gestimmt, die Regierung – die selbst einmal in Den Haag vor Gericht
       gestanden hat – muss nur noch Folge leisten. Ugandas Regierung – auf deren
       Wunsch der IStGH gegen die Rebellenmiliz LRA (Widerstandsarmee des Herrn)
       vorgeht – kündigte bereits Anfang Oktober an, sie habe entsprechende
       Schritte eingeleitet.
       
       26 Oct 2016
       
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