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       # taz.de -- Gleichstellung in Kleinstädten: Auf Rechnung der Kommunen
       
       > Niedersachsens Landtag schreibt jetzt auch kleineren Städten vor,
       > hauptamtliche Gleichstellungsbeauftragte einzustellen. Er trägt aber
       > nicht alle Kosten
       
   IMG Bild: Aushängeschild der Gleichstellungspolitik: Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD)
       
       Hamburg taz | Auch kleinere Städte und Gemeinden in Niedersachsen müssen
       künftig eine hauptamtliche Gleichstellungsbeauftragte beschäftigen.
       Dagegen, dass das Land die Kosten nur zur Hälfte übernimmt, hat sich
       vergeblich der Niedersächsische Städte- und Gemeindebund (NSGB) gewehrt.
       Sie sehen das in der Landesverfassung verankerte „Konnexitätsprinzip“
       verletzt: Danach muss das Land Aufgaben, die es den Kommunen auferlegt,
       auch bezahlen. „Es werden Vorgaben für die kommunale Selbstverwaltung
       gemacht und nur mit Geiz erstattet“, kritisiert Oliver Kamlage vom NSGB.
       
       Wie der rot-grün dominierte Landtag in Hannover am Mittwoch mit einer
       Änderung der Kommunalverfassung beschlossen hat, soll künftig jede Kommune
       mit mehr als 20.000 Einwohnern mindestens eine halbe Stelle für eine
       hauptamtliche Gleichstellungsbeauftragte schaffen. Bisher galt das nur für
       die Landkreise und die größeren Städte. Grob gesagt geht es um die Städte
       und Gemeinden in der Größe zwischen 20.000 und 50.000 Einwohnern.
       
       Der FDP-Abgeordnete Jan-Christoph Oetjen hält die Neuerung für übertrieben.
       „Aus meiner Sicht bringt das die Gleichstellung null voran“, sagt er. Es
       handle sich um reine Symbolpolitik. Kleine Gemeinden hätten gar nicht
       genügend zu tun für eine hauptamtliche Gleichstellungsbeauftragte. Überdies
       könnten die Gemeinden das Geld, das sie hier aufwenden müssten, besser für
       mehr Kindergärtnerinnen ausgeben. Damit würde etwa die Vereinbarkeit von
       Familie und Beruf konkret verbessert. Und auch Oetjen findet, das
       Wer-bestellt-bezahlt-Prinzip verletzt.
       
       Das Land bezieht sich beim Kostenausgleich auf eine halbe Stelle, wie sie
       die Gesetzesänderung vorschreibt. Weil Gleichstellungsbeauftragte zur
       Hälfte mit internen Aufgaben für Bereiche wie Personal, innere Organisation
       und Hauswirtschaft beschäftigt seien, müssten die Hälfte der halben Stelle
       die Kommunen selbst bezahlen. Das Land trägt letztlich die Personal- und
       Ausstattungskosten einer Viertelstelle.
       
       Almut Woedtke, Leiterin der Vernetzungsstelle für
       Gleichstellungsbeauftragte, weist darauf hin, dass der Staatsgerichtshof
       schon 1996 geurteilt habe, es sei rechtmäßig, den Kommunen
       Gleichstellungsbeauftragte vorzuschreiben. Gleichstellung sei schließlich
       Verfassungsauftrag. Aber die Kommunen konnten sich bisher zur Not mit
       Ehrenamtlichen behelfen.
       
       „Das Land hat die Standards klargestellt“, sagt Woedtke. Mehr noch: Sie
       hält es für unbefriedigend, dass das Land für die Gemeinden mit weniger als
       20.000 Einwohnern keine Regelung getroffen hat. Die müssten weiterhin
       selbst zusehen, wie sie zurecht kämen. Schließlich sei die Gleichstellung
       auf einer Vielzahl kommunaler Handlungsfelder zu beachten – bis hin zur
       Aufstellung von Bebauungsplänen. Unterm Strich sagt sie: „Da hat das Land
       eine ganz gute Lösung gefunden, über die sich die Kommunen freuen können,
       weil sie Geld bekommen.“
       
       Uneingeschränkt freuen können sich die mittelgroßen Kommunen, die heute
       schon hauptamtliche Gleichstellungsbeauftragte beschäftigen, wie etwa die
       selbstständige Gemeinde Sehne bei Hannover mit seinen rund 23.000
       Einwohnern. „Ich gehe davon aus, dass auch wir unterstützt werden“, sagt
       Bürgermeister Carl Jürgen Lehrke (CDU) – sprich: Die 60-Prozent-Stelle, die
       die Gemeinde dafür seit Jahren freiwillig eingerichtet hat, finanziert in
       Zukunft knapp zur Hälfte das Land mit.
       
       Sehndes Verwaltung zählt zurzeit rund 80 Köpfe. Aus Lehrkes Sicht hat die
       Gleichstellungsbeauftragte genug zu tun. Sie leite einen Arbeitskreis für
       Frauen, berate intern und extern. Sie sei an allen Maßnahmen im Hause, etwa
       bei Einstellungen und am Personalentwicklungskonzept beteiligt. Mit Blick
       auf Bebauungspläne sei mir ihr eine grundsätzliche Regelung getroffen
       worden, die umgesetzt werde.
       
       28 Oct 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Gernot Knödler
       
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