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       # taz.de -- Kolumne Wir retten die Welt: Kaiser’s, ich übernehme
       
       > Die Supermärkte werden verkauft. Kann man da einfach so mitbieten? Über
       > den Spaßfaktor (hoch), Bibelsprüche (alt) und Geschäftsmodelle
       > (ungerecht).
       
   IMG Bild: Der kann doch auch Geld mit der Supermarktkrise verdienen. Warum nicht auch unser Autor?
       
       Mein 16-jähriger Sohn schlägt vor, den „großen Kaiser’s“ zu kaufen. Das ist
       der Supermarkt von Kaiser’sTengelmann, in dem wir unsere meisten Einkäufe
       erledigen. Er ist geräumig, modern, immer voller Kunden und vermutlich eine
       Goldgrube. Es gibt in unserer Gegend auch noch den „kleinen Kaiser’s“. Aber
       das ist eine Rumpelbude à la Schlecker. Den will man nicht haben.
       
       Die Tengelmann-Gruppe verkauft ihre Supermärkte. Die Idee meines Sohnes
       zeugt von Unternehmergeist. Ein Freund sitzt mit uns beim Abendessen. Auch
       er ist begeistert.
       
       Wir beginnen gleich Pläne zu machen. Wenn uns der Laden gehört, könnten wir
       Notfallkisten anbieten mit jeweils sechs Flaschen Wasser, drei Dosen
       Ravioli, Dauerwurst und bundeswehrmäßigem Hartbrot für 7,99 Euro.
       Schließlich hat der Innenminister erst kürzlich dazu geraten, wieder
       Vorräte für Krisenzeiten anzulegen. Wir sollten das Produkt
       „De-Maizière-Korb“ nennen.
       
       ## Kein Unterschied zum Kommentarschreiben
       
       Einen Supermarkt zu leiten, würde mir Spaß machen. Sich solche Angebote
       auszudenken ist eigentlich auch nichts anderes, als Kommentare für die
       Zeitung zu schreiben. Der Freund freilich bezweifelt meine Eignung zum
       Supermarkt-Manager. Als studierter Ökonom redet er sofort von „Retail“ und
       „Point of Sale“.
       
       Außerdem würden wir auch deshalb keinen Millionenkredit für den
       Kaiser’s-Kauf von der Berliner Sparkasse bekommen, weil unsere
       Eigentumswohnung als Sicherheit nicht ausreiche, behauptet unser Freund.
       
       Er rät uns, etwas kleiner einzusteigen. Vielleicht so: Mir fällt eine
       Freundin ein, Hausbesitzerin, gut verdienend, die unlängst zum Spaß noch
       eine Wohnung in Berlin erwarb. Weil die Bank sie für eine solide Kundin
       hielt, bekam sie den Kredit über 100.000 Euro, ohne einen Cent Eigenkapital
       beizusteuern. Kreditzinsen: äußerst günstige ein Prozent pro Jahr.
       
       Meine Freundin muss in den kommenden 15 Jahren also keinen Euro
       investieren. Die Miete, die sie erhält, tilgt den Kredit. Ohne eigenes
       finanzielles Zutun ist sie dann um eine Wohnung reicher.
       
       Es ist wirklich so: Wer schon Kapital besitzt, dem wird weiteres geschenkt.
       Das ist die Profanversion des biblischen „Wer da hat, dem wird gegeben
       werden, und er wird die Fülle haben“. Wobei es der Evangelist Matthäus
       durchaus anders meinte: Er empfahl ein gottesfürchtiges Leben im Diesseits,
       um das Jenseits zu gewinnen.
       
       ## Das Rad muss sich weiterdrehen
       
       Das aber ist den Zentralbanken heute egal. Sie wollen einfach, dass sich
       das Rad weiterdreht. Deshalb stopft auch die Europäische Zentralbank die
       Geschäftsbanken mit Milliarden Euro voll – damit diese mehr Kredite
       vergeben, zum Beispiel an geschäftstüchtige Kunden wie uns.
       
       Aber wie viele Schulden sind zu viel? Deutschland schleppt etwa zwei
       Billionen Euro alte Kredite mit sich herum, etwa zwei Drittel seiner
       Wirtschaftsleistung. Mit 135 Billionen Euro (135.000 Milliarden) stehen die
       Privatpersonen, Firmen und Staaten dieser Erde insgesamt bei ihren
       Gläubigern in der Kreide. Das ist mehr als das Doppelte der globalen
       Wirtschaftsleistung.
       
       Der japanische Staat ist sogar mit 250 Prozent des Bruttoinlandsprodukts
       verschuldet – und bricht trotzdem nicht zusammen. Wie lange so etwas gut
       geht, lässt sich pauschal nicht sagen. Wenn allerdings eine relevante
       Anzahl von Kapitalbesitzern nicht mehr glaubt, dass ihre Gläubiger
       zahlungsfähig sind, bricht das Kartenhaus zusammen, und eine Finanzkrise
       ist da.
       
       In ein paar Tagen gehe ich zur Sparkasse und frage nach dem
       Kaiser’s-Kredit. Wenn wir ihn bekommen, melde ich mich an dieser Stelle
       wieder. Dann sollten Sie Ihre Konten räumen, weil es bald wieder so weit
       ist.
       
       29 Oct 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Hannes Koch
       
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