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       # taz.de -- Wasserkraftwerk in Tadschikistan: Der Bau des Monster-Damms beginnt
       
       > 335 Meter hoch soll die Staumauer für das umstrittene Wasserkraftwerk
       > Rogun werden. Sie wäre damit der höchste Wasserdamm der Welt.
       
   IMG Bild: Ein Rohbau von einem der vorherigen Bauversuche
       
       Berlin taz | Startschuss für den höchsten Wasserdamm der Welt:
       Tadschikistans autoritär regierender Präsident Emomalii Rachmon hat sich am
       Wochenende persönlich in einen Bulldozer gesetzt, um das erste Geröll in
       den Fluss Wachsch zu schieben. Wenn der Bau vollendet ist, soll die
       Staumauer des umstrittenen Wasserkraftwerks Rogun mit 335 Metern die
       höchste der Welt sein. Zum Vergleich: Der Berliner Fernsehturm ist 368
       Meter hoch. Das bereits zu Sowjetzeiten geplante Projekt wird den Fluss
       Wachsch stauen, der in seinem Unterlauf in Usbekistan in den Amurdarja
       mündet – und dort Lebensgrundlage für 30 Millionen Menschen mit ihren
       Baumwoll- und Reisfeldern ist.
       
       Tadschikistan ist eines der ärmsten Länder der Welt, Stromabschaltungen
       sind für die acht Millionen Einwohner der zentralasiatischen
       Exsowjetrepublik Normalität. Vor allem im tadschikischen Winter mit seinen
       Temperaturen von bis zu minus 45 Grad sind sie besonders schmerzhaft, denn
       es wird überwiegend mit Strom geheizt.
       
       Der Strom wird zu 99 Prozent aus Wasserkraft gewonnen. Präsident Emomalii
       Rachmon bezeichnete den Baubeginn deshalb als „Erfolg des Jahres“. Der
       Startschuss fällt nicht zum ersten Mal: Nach dem Zusammenbruch der
       Sowjetunion wurden die ersten Arbeiten 1993 wegen fehlender Finanzierung
       eingestellt.
       
       Nach zwei weiteren vergeblichen Versuchen, den Bau zu finanzieren, rief
       Tadschikistan 2011 die Weltbank um Hilfe: Finanziert wird das Projekt mit
       3.600 Megawatt Leistung nun überwiegend von internationalen Geldgebern. Der
       erste Teil des Wasserkraftwerks soll Ende 2018 in Betrieb gehen. Pro Jahr
       sollen 13 Milliarden Kilowattstunden Strom erzeugt und so große Gebiete
       Zentralasiens mit elektrischer Energie versorgt werden.
       
       Vor allem in Usbekistan klingeln wegen des Baus allerdings die
       Alarmglocken: Es dauert mindestens fünf Jahre, bis sich das knapp 12
       Quadratkilometer große Staubecken gefüllt haben wird. Die usbekische
       Regierung hat in Taschkent offiziell Protest gegen die Befüllung des
       Reservoirs von Rogun eingelegt, weil dies erhebliche Probleme für die
       Wasserversorgung Usbekistans mit sich bringe.
       
       ## Streit um die Ressource Wasser
       
       Schon heute leiden die Usbeken unter Wassermangel, der Amurdarja – einst
       größter Strom Zentralasiens – versiegt, lange bevor er den Aralsee
       erreicht. Über diesem entstand noch vor 40 Jahren ein Viertel jenes
       Niederschlages, der in den zentralasiatischen Bergen die Flüsse füllte.
       
       Rogun ist nicht der einzige Damm am Fluss Wachsch. Im Unterlauf liegt das
       1961 begonnene Kraftwerk Nurek mit 3.000 Megawatt Leistung. Zudem liefern
       das Kraftwerk Baipaza und das Kraftwerk Sangtuda 2 Strom.
       
       „Wir werden das Wasser doppelt nutzen“, sagte der tadschikische Ökologe
       Alikhon Latifi der Deutschen Welle: „Zum einen wird es die Turbinen im
       Wasserkraftwerk Rogun antreiben, zum anderen ermöglicht es den Betrieb des
       stromabwärts liegenden Wasserkraftwerks Nurek das ganze Jahr über.“ Fließt
       im Wachsch nämlich zu wenig Wasser, müssen derzeit die Nurek-Turbinen
       angehalten werden – vor allem im Winter.
       
       „Nach dem Bau von Rogun würde Nurek völlig unabhängig von jahreszeitlichen
       Wasserschwankungen sein“, hofft Latifi. Eben weil der weiter oben liegende
       Rogun-Damm dann bereits das Nass aufgestaut hat.
       
       Falls es künftig überhaupt noch reicht. „Uns wird das Wasser knapp“, sagt
       Wladimir Romanowski, der das Labor des „Instituts für Wasserprobleme und
       Hydroelektroenergie“ an der Kirgisischen Akademie der Wissenschaften
       leitet. Nirgendwo habe sich die Erde schneller erwärmt als in Zentralasien,
       „bei uns ist die Temperatur in nur 40 Jahren im Jahresmittel um 2 Grad
       gestiegen“, so Romanowski.
       
       Er gibt aber auch Usbekistan und Kasachstan Mitschuld am Wassermangel –
       „auch wegen der gigantischen Bewässerungsprojekte unten in den Wüsten“.
       Usbekistan ist weltgrößter Baumwollexporteur und gräbt für den Anbau die
       Flüsse ab.
       
       2 Nov 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Nick Reimer
       
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