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       # taz.de -- Internet auf dem Land: Die Entfernung der Langsamkeit
       
       > An vielen Orten Deutschlands läuft das Internet nur im Schneckentempo.
       > Schlecht vor allem für die dortigen Firmen. Was tun?
       
   IMG Bild: Das lädt und lädt und lädt auf dem Land – bis das Foto verschickt ist
       
       FÜRSTENBERG taz | Es sind zwei Worte, die Verbraucher auf der Suche nach
       einem neuen Internetanschluss stutzig machen: „bis zu“. Sie stehen auf
       Werbeplakaten, in Flyern und in Verträgen, wenn es um die versprochene
       Geschwindigkeit des Anschlusses geht und sie bedeuten vor allem eines: So
       schnell wird es eigentlich nie.
       
       „Im Moment sitzt, vor allem im ländlichen Raum, ein dicker Monopolist, und
       das Ergebnis ist kein Gutes“, sagt Anke Domscheit-Berg. Sie hat mit ihrem
       Mann ein Start-up gegründet, mit dem sie dem „bis zu“ ein Ende setzen
       wollen. Glasfaser in die Erde statt Kupfer, über das immer noch vielerorts
       in Deutschland die Netzanbindung läuft. Glasfaser, kombiniert mit einem
       Betriebsmodell, das sie sich aus Schweden abgeschaut haben. Und damit auch
       der Telekom Konkurrenz machen wollen.
       
       Die Domscheit-Bergs sind in der netzpolitischen Szene prominent: Sie,
       Unternehmerin und Aktivistin, unterwegs etwa im Bereich Open Government, er
       bekannt als Gründer der Whistleblower-Plattform OpenLeaks. Sie leben in
       Fürstenberg an der Havel – und wenn man so will, ist das ein ziemlicher
       exemplarischer Ort.
       
       [1][Im Breitbandatlas], den das Verkehrsministerium herausgibt, ist
       Fürstenberg bunt gekachelt. Einige Straßen im Stadtzentrum sind gelb
       eingefärbt. Hier können mehr als 95 Prozent der Haushalte einen
       Internetanschluss mit mehr als 50 Megabit pro Sekunde bekommen. Das ist die
       Geschwindigkeit, die laut Bundesregierung bis 2018 für alle Haushalte
       verfügbar sein soll, so hat sie es in ihrer Digitalen Agenda
       festgeschrieben. Mit 50 Megabit pro Sekunde lässt sich immerhin ein
       Spielfilm in hoher Qualität herunterladen, ohne dafür eine halbe Stunde vor
       dem Rechner zu sitzen. Andere Ecken sind dagegen dunkelblau: Nur maximal
       zehn Prozent der Haushalte haben hier schnelles Internet.
       
       So gemischt wie in Fürstenberg ist es in ganz Deutschland: In
       Ballungsräumen eine meist hohe Verfügbarkeit von schnellem Internet und
       viele dunkelblaue Flächen auf dem Land. Im Schnitt kommt Deutschland laut
       einer Auswertung des Netzwerkanbieters Akamai auf 14 Megabit pro Sekunde –
       Platz 24. Spitzenreiter Südkorea liegt bei knapp 27 Megabit pro Sekunde.
       Schweden immerhin bei 19 Megabit.
       
       ## Zuständigkeiten „sauber trennen“
       
       Um zu zeigen, wie sich das ändern soll, nimmt Anke Domscheit-Berg den
       Autoverkehr als Vergleichsgröße. Wäre der so organisiert wie die
       Internet-Versorgung in Deutschland, erklärt sie, dann würde ein und
       dasselbe Unternehmen Straßen bauen, dafür Maut kassieren, Autos herstellen
       und den TÜV abnehmen. Es hätte also vermutlich ein Interesse daran, die
       alten Straßen so lange zu verwenden, wie es irgend geht, und so viele Autos
       wie möglich darauf fahren zu lassen, um den Profit zu maximieren. „Für die
       Nutzer ist es aber viel besser, die einzelnen Zuständigkeiten sauber
       voneinander trennen“, sagt Domscheit-Berg.
       
       Übertragen aufs Internet heißt das: Kommunen sollen die Infrastruktur
       stellen, die Leitungen. Ein Unternehmen ist für den Netzbetrieb zuständig,
       etwa ein Stadtwerk. Wollen Service-Provider ihre Dienste anbieten, müssen
       sie dafür über einen digitalen Marktplatz gehen – ein neuer Akteur in der
       Kette, den die Domscheit-Bergs selbst anbieten wollen. Weil der Marktplatz
       die Angebote bündelt, so die Idee, soll die Konkurrenz unter den Anbietern
       zunehmen und für die Nutzer in Form von sinkenden Preisen und wegfallenden
       Kündigungsfristen spürbar sein. Das Geld, das der Nutzer für seinen
       Internetanschluss zahlt, ginge dann nicht mehr allein an den
       Service-Provider. Prozentuale Anteile sollen auch an die Kommune, an den
       Netzbetreiber und den Marktplatz fließen. Sobald die Kommune den Kredit für
       den Netzausbau abgezahlt hat, würde sie damit Gewinn machen, so die Idee.
       
       Stephan Albers vom Branchenverband Breko, der zahlreiche
       Telekom-Konkurrenten vertritt, hält das Modell für realistisch. „Von der
       Konzeption ist das genau das, was wir im Moment brauchen.“ Er lobt, dass
       die Unternehmer auf Glasfaser setzen wollen, das sei eine „zukunftssichere
       Infrastruktur“, und dass es eine Wettbewerbssituation gibt, statt auf eine
       Kooperation mit einem Anbieter zu setzen. „Und in kleinen Städten und dünn
       besiedelten Gebieten ist die Not groß.“
       
       Auch dass es, obwohl mehr Akteure involviert sind, am Ende für den Kunden
       billiger werden soll, hält Albers für möglich. „Die Tiefbaukosten sind der
       größte Posten beim Netzausbau“, sagt er. Würden sich die Kommunen selbst um
       den Ausbau kümmern, ließe sich viel sparen: Einerseits, weil man das
       Knowhow sowieso in der Kommune habe. Andererseits dadurch, dass man mehrere
       Arbeiten zusammenlegt – etwa das Verlegen von Kabel mit dem Erneuern von
       Wasserleitungen.
       
       ## Das Geld reicht vielerorts nicht
       
       Ralph Sonnenschein, der sich beim Deutschen Städte- und Gemeindebund um das
       Thema Breitbandausbau kümmert, ist deutlich skeptischer. „Wir können kein
       schwedisches Modell eins zu eins nach Deutschland importieren.“ Durch die
       dichte Besiedlung stießen die Kommunen in Deutschland aneinander, daher
       müsste man sie bei einem Ausbau bündeln, und das würde vieles
       verkomplizieren. Doch auch die Finanzierung sei ein Problem.
       
       „Das Geld in den kommunalen Haushalten reicht vielerorts nicht mal aus, um
       die bestehende Infrastruktur zu erhalten.“ Und dazu zählten nicht nur
       Straßen oder Telefonleitungen, sondern etwa auch Schulgebäude –
       dementsprechend gebe es für die Kommunen andere Prioritäten. Zwar können
       die Kommunen günstige Kredite bekommen, etwa von der KfW. „Aber die
       Erfahrungen mit Wirtschaftlichkeitsberechnungen sind schlecht.“ Wer sage
       etwa, dass tatsächlich ausreichend Bewohner in einer Kommune Interesse an
       schnellem Internet haben?
       
       Dass eine bessere Breitbandversorgung nötig ist, das findet auch
       Sonnenschein – nur mit einer anderen Finanzierung. „Der Bund müsste viel
       mehr Geld in die Hand nehmen.“ Der sei schließlich für eine grundlegende
       Telekommunikationsversorgung zuständig. Schnelles Internet – und da ist er
       von den Domscheit-Bergs nicht weit entfernt, das gehöre längst dazu.
       
       4 Nov 2016
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.zukunft-breitband.de/Breitband/DE/Breitbandatlas/BreitbandVorOrt/breitband-vor-ort_node.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Svenja Bergt
       
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