# taz.de -- Preis für Zivilcourage in Freital: Gegen die schweigende Mehrheit
> Steffi Brachtel hatte im Juni 2015 eine Demonstration gegen rassistische
> Flüchtlingsgegner organisiert. Die Kanzlerin überreicht ihr dafür einen
> Preis.
IMG Bild: Die Unterstützer der „Nein zum Heim“-Kampagne waren nicht wenige. Es gab aber auch Gegenstimmen
Dresden taz | „Das ist meine erste Demo“, erklärte Steffi Brachtel
aufgeregt im Juni 2015. Nach Aufrufen einer Initiative „Nein zum Heim“
hatten Einwohner und militante Nazis das als Flüchtlingsunterkunft
vorgesehene ehemalige Leonardo-Hotel in Freital blockiert. Zu denen, die
sich ihnen entgegenstellten, gehörte die damals vierzigjährige schlanke
Frau als Anmelderin der Versammlung.
Heute wird Brachtel nach Berlin reisen und im Beisein der Kanzlerin einen
„Preis für Zivilcourage gegen Rechtsradikalismus, Antisemitismus und
Rassismus“ entgegennehmen. Die 3.000-Euro-Dotierung hat der Förderkreis
Denkmal für die ermordeten Juden Europas gestiftet.
Ein antimuslimischer Eintrag auf ihrer Facebook-Freundesliste löste 2014
ihre eindeutige Positionierung aus. „Damit war für mich eine Grenze
überschritten“, sagt die Preisträgerin. Eine solche Gesinnung kollidierte
mit ihrer Erziehung zu Mitmenschlichkeit, Respekt und Hilfsbereitschaft.
„Das geht in eine ganz böse Richtung“, verständigte sich die
alleinerziehende Mutter mit ihrem 17-jährigen Sohn und Unterstützer.
Solchen angestauten Frust und Hass kann sie angesichts unserer
Wohlstandsverhältnisse nicht verstehen. Brachtel gehört als Kellnerin in
einem Dresdner Café nicht gerade zu den Besserverdienenden und bezog schon
einmal Hartz-IV-Grundsicherung, aber Lebensqualität misst sie nicht zuerst
am Einkommen, sondern an „innerer Zufriedenheit“.
Als sie dann im Mai 2015 mit den beiden Freitaler
Flüchtlingshilfe-Initiativen in Kontakt kam, war sie plötzlich
„mittendrin“. Denn die „schweigende Mehrheit“ stört sie fast noch mehr als
die harten Nationalisten. „Es macht wütend, dass so viele Menschen einfach
auf dem Sofa sitzen bleiben!“ Engagement aber macht angreifbar. Mysteriöse
Verfolgungsfahrten mit dem Auto, ein gesprengter Briefkasten, öffentliche
Anfeindungen. Seit eineinhalb Jahren geht sie nicht mehr ohne Pfefferspray
aus dem Haus.
Dabei ist es doch auch in Freital ruhiger geworden, geht es inzwischen um
sehr alltägliche Hilfe. Wenn Pegida montags in Dresden demonstriert, steht
Steffi Brachtel allerdings nach wie vor oft an der „Front“. Von Angst will
sie sich nicht besiegen lassen. „In mir steckt noch ein etwas naiver Glaube
an das Gute im Menschen“, bekennt sie und möchte „die Welt jeden Tag etwas
besser machen“.
1 Nov 2016
## AUTOREN
DIR Michael Bartsch
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