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       # taz.de -- Grüne und Finanzpolitik: Steuerstreit eskaliert doch
       
       > Wichtige Realos aus Baden-Württemberg wollen die Vermögensteuer aus dem
       > Programm streichen. Damit brüskieren sie die Berliner Fraktionsspitze.
       
   IMG Bild: Kein Honigschlecken: Anton Hofreiter und Katrin Göring-Eckardt bekommen Gegenwind
       
       Berlin taz | Zuletzt hatten viele Grüne gehofft, ihren Dauerstreit in der
       Steuerpolitik vor dem Bundesparteitag im November noch friedlich beilegen
       zu können. Doch jetzt scheint die Eskalation unausweichlich: Wichtige
       Realos aus Baden-Württemberg plädieren in einem Änderungsantrag dafür, die
       Vermögensteuer aus dem Leitantrag des Vorstands zu streichen – und
       stattdessen für eine Erbschaftsteuer mit moderaten Sätzen zu werben.
       
       In Deutschland sei nach wie vor das Elternhaus für den Erfolg der Kinder
       entscheidend, „und damit für ihre Möglichkeit, selbst Einkommen zu
       erwirtschaften und so Vermögen zu bilden“, heißt es in dem Antrag, der der
       taz vorliegt. „Dieser offensichtlichen Ungerechtigkeit wollen wir
       entgegenwirken.“ Der Antrag listet dann Vorschläge auf, etwa das Schließen
       von Steuerschlupflöchern – und empfiehlt, den Vorschlag einer
       Vermögensteuer ersatzlos zu streichen.
       
       In der Begründung heißt es dazu: „Die (Wieder-)Einführung der
       Vermögenssteuer wäre nicht der richtige Weg, um die Chancengleichheit in
       unserem Land zu verbessern.“ Laut einer Studie des Deutschen Instituts für
       Wirtschaftsforschung würden Unternehmen bei der Einführung „erheblich ins
       Ausland abwandern“, mittelbar würden Arbeitsplätze in Deutschland abgebaut.
       
       Das Papier gibt die Linie von Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried
       Kretschmann wieder, der sich als „Gegner der Vermögensteuer“ bezeichnet
       hatte. Unterschrieben haben zum Beispiel Edith Sitzmann, die
       Finanzministerin in Stuttgart, der Sozialminister Manne Lucha und Volker
       Ratzmann, Bevollmächtigter von Baden-Württemberg beim Bund – und der
       wichtigste Vertraute Kretschmanns in Berlin.
       
       ## Kampfabstimmung wird wahrscheinlich
       
       Damit wird eine Kampfabstimmung auf dem Parteitag, der Mitte November in
       Münster stattfindet, wahrscheinlich. Viele linke Grüne plädieren für die
       Vermögensteuer, viele Realos halten sie für falsch – und wollen stattdessen
       den Fokus auf eine Flat-Tax-Erbschaftsteuer.
       
       Zuletzt hatte die Grünen-Fraktionspitze in Berlin einen Kompromissvorschlag
       vorgelegt. Jener enthielt eine Vermögensteuer für Superreiche, verzichtete
       allerdings darauf, ein konkretes Modell zu nennen. Eine solche Steuer würde
       mehrfache Millionäre und Milliardäre dazu verpflichten, pro Jahr einen sehr
       kleinen Steuersatz, im Gespräch sind 1 Prozent, auf ihr Vermögen zu zahlen.
       
       Der Kompromissvorschlag, den die Fraktionsvorsitzenden Anton Hofreiter und
       Katrin Göring-Eckardt sowie Fraktionsgeschäftsführerin Britta Haßelmann
       angeschoben hatte, war im linken Flügel gut angekommen, weil die explizite
       Erwähnung der Vermögensteuer als Sieg interpretiert wurde. Allerdings
       unterstützen ihn nach taz-Informationen auch wichtige Realos, etwa
       NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann oder Niedersachsens Umweltminister
       Stefan Wenzel.
       
       Die Baden-Württemberg-Realos um Kretschmann ziehen also in den Kampf für
       ihre unternehmensfreundlichen Steuerkurs. Im Bundestagswahljahr 2013 war
       das noch anders. Damals warnte Kretschmann zwar in einem Interview kurz vor
       dem entscheidenden Parteitag vor zu viel Steuererhöhungen. Doch der große
       Streit auf dem Parteitag blieb aus, weil keine relevanten Änderungsanträge
       aus Baden-Württemberg gestellt wurden.
       
       22 Oct 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ulrich Schulte
       
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