# taz.de -- Frische Luft für niedersächsische Schweine: Regen trifft auf Schweinehaut
> Ein Osnabrücker Verein setzt sich für mehr Offenställe ein, in denen
> Schweine frische Luft bekommen. Niedersächsische Bauern sehen dafür
> keinen Markt.
IMG Bild: Mit Blick nach draußen: Schweine in einem Offenstall im niedersächsischen Samern
Osnabrück taz | In konventionellen Ställen haben Schweine so wenig Platz,
dass sie in ihren Exkrementen liegen müssen: 0,75 Quadratmeter pro Tier.
Sie sehen kein natürliches Licht, kennen keinen Regen, keinen Wind. Und von
den Güllegruben unter dem Stallboden steigen Ammoniakdämpfe auf, die die
Lungen der Schweine schädigen. Eine neue Initiative aus Osnabrück will die
Haltung der Tiere verbessern – und wirbt für sogenannte Offenställe.
Darin sollen die Tiere doppelt so viel Platz haben wie gesetzlich
vorgeschrieben. Eine Stallwand ist, wie es der Name schon sagt, offen. Die
Schweine sollen so frische Luft und in dem größeren Raum auch
Beschäftigungsmöglichkeiten bekommen, etwa Stroh zum Wühlen. In einer Ecke
können sie schlafen, in einer anderen ihr Geschäft verrichten.
„So kommt man dem natürlichen Betätigungsdrang der Tiere entgegen“, sagt
Bert Mutsaers, ein Wurstfabrikant und der Vorsitzende des neu gegründeten
„Vereins zur Förderung der Offenstallhaltung von Schweinen“. Bisher werden
laut dem Agrarbiologen Rudolf Wiedmann, der in der Landesanstalt für
Schweinezucht in Baden-Württemberg beschäftigt war, rund drei Prozent der
27 Millionen Schweine in Offenställen gehalten.
Schon Mutsaers’ Hintergrund verrät, dass es sich in Osnabrück nicht um eine
gewöhnliche Tierschutzinitiative handelt. Neben dem Fleischwarenhersteller
engagieren sich dort Wissenschaftler, Landwirte und Vertreter von
Schlachtbetrieben. Ziel des Vereins sei es, sowohl Landwirte, die ihre
Ställe umbauen wollen, als auch den Handel im Zusammenhang mit der
aufwendigeren Fleischproduktion zu fördern, sagt Mutsaers. Denn bisher ist
die Bereitschaft der Landwirte, ihre Ställe umzubauen und somit viel Geld
zu investieren, nicht sonderlich groß: In Mutsaers’ Fabrik kommen bislang
wöchentlich rund 20 von 4.000 Schweinen aus Offenställen.
Die zukünftige Entwicklung der Ställe hänge von der Nachfrage nach solchen
tierschutzgerechteren Haltungsformen ab: „Die muss beim Endverbraucher
erzeugt werden“, sagt Mutsaers. Durch Informationsarbeit und Gespräche mit
Landwirten und Einzelhändlern will der Verein weitere Betriebe zum
Mitmachen bewegen.
Das niedersächsische Landesministerium begrüßt den Vorstoß des Vereins.
Durch offene Ställe würden die Tiere „Außenklimareizen ausgesetzt, die der
Tiergesundheit und dem Tierwohl sehr zugutekommen“, sagt
Ministeriumssprecher Manfred Böhling. Doch um eine finanzielle Förderung
aus dem Agrarinvestitionsförderprogramm oder über die neuen Tierwohlprämien
zu bekommen, reiche es nicht, eine Wand wegzulassen: Die Landwirte müssten
„deutlich mehr Tierschutz als den gesetzlichen Standard“ bieten, sagt
Böhling. Der Offenstall sei ein Anfang, müsse aber durch geringere
Besatzdichten, Freilandhaltung oder ständigen Zugang zu Wühlmaterial
ergänzt werden, sagt Böhling.
Ähnlich sieht das Edmund Haferbeck, von der Tierschutzorganisation Peta.
Zwar sehe er die Schweinehaltung generell äußerst kritisch, aber
Offenställe seien für die Tiere zumindest besser als die konventionelle
Buchtenhaltung. Bisher allerdings handle es sich dabei um „eine
Nischenhaltung im Promillebereich“, sagt Haferbeck – dabei gebe es das
Modell bereits seit zehn Jahren. Die Politik müsse die Offenställe stärker
finanziell fördern und mehr Tierschutz von den Betrieben fordern.
Doch viele Landwirte könnten die neuen Auflagen zum Tierwohl, zu Emissions-
und Wasserschutz schon heute nicht erfüllen, hält der niedersächsische
Landesbauernverband Landvolk dagegen. Viele kleine Betriebe müssten die
Schweinezucht einstellen, sagt Verbandssprecherin Gabi von der Brelie. Laut
dem Landesamt für Statistik sank der Schweinebestand in Niedersachsen im
vergangenen Jahr um 4,3 Prozent. Die Landwirte müssten schauen, ob sich
Offenstallhaltung lohne und ob es einen Markt dafür gebe. Zwar würden
alternative Haltungsformen oft und intensiv von Politik und Medien
vorgestellt, im Einkaufsverhalten fänden sie allerdings nur bei „rund einem
Prozent“ der Käufer Anklang, sagt von der Brelie. „Deshalb ist es eine
Investitionsfrage.“
8 Nov 2016
## AUTOREN
DIR Hannes Vater
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