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       # taz.de -- Klimakonferenz 2016 in Marrakesch: Avantgarde in der Sahara
       
       > Marokko ist in der Region Vorbild beim Klimaschutz. Der Ausbau
       > erneuerbarer Energien ist eine Alternative zum afrikanischen
       > Ressourcenexport.
       
   IMG Bild: Marokko setzt auf erneuerbare Energie: Windkraftanlage bei Tanger
       
       Marrakesch taz | Die Klimakonferenz beginnt mit Regen. Noch am Wochenende
       herrschten über 30 Grad Celsius im südmarrokanischen Marrakesch, doch als
       am Sonntag Zehntausende Teilnehmer zur 22. Klimakonferenz der Vereinten
       Nationen in der Stadt eintreffen, geht ein heftiger Gewitterschauer nieder.
       
       Auch am Montagmorgen regnet es noch. Am Nachmittag spricht Marokkos
       Außenminister und Konferenzpräsident Salaheddine Mezouar: „Meine Gedanken
       gehen an all jene, die heute schon leiden, die Länder südlich der Sahara
       und andere Länder, die den Klimawandel zu spüren bekommen. Sie erwarten
       einschneidende Entscheidungen und Handeln.“
       
       Zu einer „COP des Handelns“ hat das Klimasekretariat der Vereinten Nationen
       aufgerufen, das Motto prangt auf unzähligen Plakaten und Fahnen, die die
       Straßen der Stadt säumen. Das trifft den Stand der Verhandlungen: Der
       Vertrag von Paris hat den Rahmen gesetzt – wie die dort vereinbarten Punkte
       nun ausgelegt und umgesetzt werden, welche konkrete Gestalt er annimmt,
       wird erst jetzt verhandelt.
       
       Das Motto steht aber auch dem Gastgeberland nicht schlecht zu Gesicht, denn
       im Gegensatz zu vielen anderen Staaten handelt Marokko tatsächlich. Das
       kleine nordafrikanische Land gilt als Vorreiter in Sachen Klimaschutz, als
       erstes Land der Region hat es im Juni 2015 seine Klimaziele bei den UN
       eingereicht, und sie vor Kurzem präzisiert. Der Climate Action Tracker,
       eine unabhängige Webseite zur Bewertung von Klimazielen und -maßnahmen, hat
       nur fünf Ländern eine Klimapolitik bescheinigt, die dem Ziel entspricht,
       die Erderwärmung unter 5 Grad zu halten – Marokko gehört dazu.
       
       Um 13 Prozent will Marokko seine Treibhausgasemissionen bis 2030
       reduzieren, im Fall, dass ihm weitere Finanzierung zugestanden wird, um 34
       Prozent. Bis 2030 soll über die Hälfte der Energie im Land aus erneuerbaren
       Quellen stammen. Unabhängige Beobachter halten die Planung für realistisch.
       Vor allem Wind und Sonne spielen bei den Planungen eine Rolle, von beidem
       hat Marokko genug.
       
       ## Solarkraftwerke in Eigenregie
       
       Im Februar ist im südlichen Quarzazate eines der größten Solarkraftwerke
       der Welt ans Netz gegangen, zwei weitere sind im Bau. Nachdem das
       umstrittene Projekt Desertec, das internationale Investoren in der
       marokkanischen Wüste geplant hatten, um Strom für den europäischen Markt zu
       produzieren, gescheitert war, hat Marokko die Solarkraftwerke in Eigenregie
       gebaut, in einer Rekordzeit von 30 Monaten.
       
       Von der Umstellung auf erneuerbare Energien dürfte Marokko auch
       wirtschaftlich profitieren: Im Gegensatz zu anderen Ländern der Region
       verfügt Marokko nicht über Öl oder Gas, 98 Prozent des Eigenbedarfs müssen
       importiert werden.
       
       Der Vorbildcharakter der Maßnahmen aus dem nationalen Klimaplan –
       Emmissionseinsparungen durch Veränderungen im Bausektor, Beleuchtung und
       Landwirtschaft, Straßenbahnausbau, Elektrobusse – ist noch größer
       angesichts der Tatsache, dass Marokko kaum zum Klimawandel beiträgt: Die
       arabischen Länder insgesamt sind nur für 4,2 Prozent der Emissionen
       verantwortlich, 85 Prozent davon gehen auf die Golfstaaten zurück. Während
       Marokko pro Kopf gerade einmal 1,6 Tonnen Kohlendioxid pro Jahr ausstößt,
       sind es in Deutschland 9 Tonnen, viele Länder liegen noch weit darüber.
       
       Hauptsächlich betroffen von den Auswirkungen des Klimawandels ist jedoch
       der Gastgeberkontinent. Laut dem aktuellen Globalen Klima-Risiko-Index von
       Germanwatch war Afrika im vergangenen Jahr besonders von Extremwetter
       betroffen, vor allem von Überschwemmungen.
       
       Der Aufwand, den Marokko für die Konferenz betreibt, ist enorm: Alte
       Laternenmasten wurden entfernt und neue aufgestellt, 22 Parks neu
       gestaltet, Radwege angelegt und kostenlose Leihräder in der ganzen Stadt
       verteilt, bis zuletzt waren Arbeiter beschäftigt, die Straßen aufs Feinste
       herauszuputzen, Blumenrabatten und Grünstreifen frisch zu bepflanzen.
       Marrakesch hat eine Kläranlage bekommen und eine Recyclinganlage, am
       Flughafen entsteht ein neuer Terminal.
       
       ## Marokko will Führungsrolle übernehmen
       
       Marokko, das ist deutlich, geht es nicht nur darum, sich einmalig als
       Vorreiter in Sachen Klimaschutz zu präsentieren – sondern um eine
       dauerhafte Führungsrolle auf dem Kontinent.
       
       Im Juli hat König Mohammed VI. angekündigt, Marokko wolle wieder Mitglied
       der Afrikanischen Union werden, aus der es 1984 wegen des Konflikts um die
       Westsahara ausgetreten war. In einer Region, die mit Bürgerkriegen, Unruhen
       und Terrorismus zu kämpfen hat, ist die Stabilität, die das Königreich
       vorweisen kann, ein hohes Gut.
       
       Marokko hat mit mehreren afrikanischen Ländern Partnerschaftsabkommen
       geschlossen, um diese bei der Umstellung auf erneuerbare Energien zu
       unterstützen; die staatliche marokkanische Energie- und Wasseragentur Onee
       investiert bereits in zahlreichen afrikanischen Ländern, unter anderem in
       Mauretanien, der Elfenbeinküste, Niger und dem Tschad. Als Modellland für
       grüne Entwicklung kann Marokko eine Alternative zum Entwicklungsmodell
       Ressourcenexport bieten – und das ist für viele Länder des Kontinents
       attraktiv.
       
       8 Nov 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Juliane Schumacher
       
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   DIR  UN-Klimakonferenz in Belém 2025
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