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       # taz.de -- Der Elbphilharmonie-Skandal war gestern: Ein großes Buch über die Liebe
       
       > Der Hamburger Journalist Joachim Mischke hat zur Teil-Eröffnung einen
       > fröhlich begeisterten Elbphilharmonie-Bild-Textband gemacht.
       
   IMG Bild: Demnächst zu besichtigen: die Plaza der Elbphilharmonie, die die verstorbene Hamburger Kultursenatorin Barbara Kisseler (Bild) gerne eröffnet hätte.
       
       HAMBURG taz | Viel von Liebe ist in diesem Buch die Rede. Von Hamburgs
       Politikerriege, die sich – ganz unhanseatisch – in die Elbphilharmonie
       verliebt, bevor sie steht. Mehr noch: in eine Planungsskizze, eine
       Architekten-Animation, die Hamburgs Senat derart euphorisierte, dass er
       nicht mehr wusste, was er tat. Und das Konzerthaus quasi binnen Sekunden
       beschloss, ausschrieb und eine Baufirma beauftragte.
       
       Dabei hatten die Architekten gesagt, dass es zu früh sei und
       Kostensicherheit noch fern. Aber der Erste Bürgermeister Ole von Beust war
       „verliebt“ ins Gebäude und in den nahenden Bürgerschafts-Wahltermin – und
       handelte. Zugleich splittete er die Verantwortung so geschickt, dass ein
       Schuldiger im Zweifelsfall nicht auszumachen wäre.
       
       All diese Unbilden erwähnt auch das Elbphilharmonie-Buch, das jetzt der
       Hamburger Abendblatt-Redakteur Joachim Mischke vorlegt. Erscheinen soll es
       am 2. 11., zwei Tage bevor die Elbphilharmonie-Plaza fürs Volk geöffnet
       wird. Ein erster Vorgeschmack auf das „Haus für alle“, dessen am 11. 1.
       2017 startende Eröffnungssaison trotz der Misstöne der Vergangenheit
       weitgehend ausverkauft ist.
       
       Mischkes Buch spiegelt diesen Stimmungswandel. Ein schöner Bildband ist es
       geworden, mit Fotos von Michael Zapf bestückt, die von der Baugrube bis zum
       fertigen Konzertsaal reichen und ästhetische, ungewohnte Perspektiven
       bieten.
       
       Begleitet wird diese optische Sinfonie von Texten Mischkes, die nicht nur
       die Genese, sondern auch Architekten und Akustiker würdigen und das Gebäude
       so faktenreich und lebendig zeichnen, als sei man beim Rundgang live dabei.
       All das hat er schon oft geschrieben, der als Hamburger Abendblatt-Autor
       jeden Konzertsaal bereist, jeden Experten befragt hat, der mit der
       Elbphilharmonie zu tun hatte. Jede Fiber des Baugeschehens hat er akribisch
       recherchiert und berichtet.
       
       Es wird ihm also leicht gefallen sein, die Geschichte für ein
       Vorweihnachtsbuch handlich aufzubereiten. Das keine erneute Jammer-Arie
       wegen der 800 Millionen Staats-Euro und der zehnjährigen Bauzeit sein kann.
       Auch ist so ein Band kein journalistisches, sondern ein Kunstprodukt, und
       das gilt es zu unterschieden. Denn ein Journalist braucht kritische
       Distanz. Ein Buchautor nicht.
       
       Trotzdem fällt es schwer zu akzeptieren, dass sich Mischke in dem Buch
       streckenweise seiner Verliebtheit in die Elbphilharmonie hingab, sich von
       Vision und Ästhetik hemmungslos verzaubern ließ.
       
       Das mit der kritischen Distanz sei „schwierig“, räumt er ein. Er habe nie
       an dem Projekt gezweifelt. Und die Realität hat ihm ja recht gegeben, der
       Bau ist wunderbar gelungen. Trotzdem ist betrüblich, dass das Buch einige
       kritische Punkte – etwa die Parlamentarischen Untersuchungsausschüsse und
       die dort aufgetretenen Gedächtnislücken Ole von Beusts – nur andeutet, die
       Protest-Boote bei der Grundsteinlegung nicht erwähnt.
       
       Und die unprofessionellen Senatsverträge mit dem Baukonzern
       „verhängnisvoll“ nennt, als seien es verzeihliche Pannen eines
       Liebestollen. Sätze wie diese atmen ein Verständnis für Fehler, wie es eine
       Mutter aufbringt oder die Pressestelle der Kulturbehörde. Und sie
       irritieren, sind sie doch gar nicht typisch für diesen sonst so kritischen
       Geist.
       
       Ob es dagegen Mischkes Wunsch war, dem Elbphilharmonie-Luxushotel samt
       Luxuswohnungen eigene Kapitel zu widmen, steht dahin. Werbewirksam sind sie
       in jedem Fall. Denn die teuren Wohnungen über dem Konzertsaal sind noch
       längst nicht alle verkauft.
       
       Doch bevor man missmutig aus der Lektüre geht, folgt ein fundierter
       Kurz-Abriss Hamburger Musikgeschichte samt Prolog, endend mit einem
       philosophisch-staunenden „Wahnsinn. Die haben das tatsächlich gebaut.“ Ein
       Satz, der auch von der kürzlich verstorbenen Kultursenatorin Barbara
       Kisseler stammen könnte. Sie hätte das Haus so gern eröffnet. Ein großes
       Foto von ihr prangt auf einer der letzten Seiten des Buchs. Ein berührender
       Abschiedsgruß.
       
       29 Nov 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Petra Schellen
       
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