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       # taz.de -- Terrorgefahr in Deutschland: Überwachung soll einfacher werden
       
       > Laut einem Gesetzentwurf von Innenminister de Maizière soll die
       > Videoüberwachung öffentlicher Plätze erleichtert werden. Die SPD stimmt
       > zu.
       
   IMG Bild: Ein potenzielles Terrorziel, das Münchner Oktoberfest, wird videoüberwacht, andere öffentliche Orte sollen folgen
       
       Berlin afp | Zum besseren Schutz vor Anschlägen will Bundesinnenminister
       Thomas de Maizière (CDU) die Videoüberwachung in öffentlich zugänglichen
       Anlagen wie Einkaufszentren oder Sportstätten erleichtern. Eine
       entsprechende Änderung des Datenschutzgesetzes befindet sich in der
       Ressortabstimmung, wie Ministeriumssprecher Johannes Dimroth am Mittwoch
       sagte. Auch die „intelligente“ Überwachung, die etwa Gesichter automatisch
       erkennt, soll ausgeweitet werden.
       
       Nach den Vorfällen von München und Ansbach sei es notwendig geworden, bei
       der Entscheidung über eine Videoüberwachung Sicherheitsbelange stärker zu
       berücksichtigen, heißt es in dem der Nachrichtenagentur AFP vorliegenden
       Gesetzentwurf aus dem Innenministerium. Deshalb müsse das Gesetz hier
       „eindeutigere Vorgaben machen“.
       
       Das geltende Bundesdatenschutzgesetz knüpft die Videoüberwachung an
       bestimmte Voraussetzungen. Optisch-elektronische Einrichtungen seien nur
       zulässig, soweit sie zur Aufgabenerfüllung öffentlicher Stellen, zur
       Wahrnehmung des Hausrechts sowie berechtigter Interessen für konkret
       festgelegte Zwecke erforderlich seien.
       
       De Maizière will den Schutz der Bevölkerung nun als „wichtiges Ziel“ bei
       der Abwägungsentscheidung über eine solche Maßnahme im Gesetz
       festschreiben. Damit würden die Hürden dafür erheblich gesenkt. Über den
       Gesetzentwurf, der möglicherweise noch im November ins Bundeskabinett
       kommt, hatten zunächst die Ruhr Nachrichten vom Mittwoch berichtet.
       
       ## Scharfe Kritik von der Linken
       
       Dimroth begründete den Vorstoß auch mit der derzeitigen Praxis der
       zuständigen Landesdatenschutzbeauftragten. Diese seien bei ihren
       Entscheidungen über die Zulässigkeit von Überwachungsmaßnahmen zu einer
       „sehr restriktiven Spruchpraxis“ gekommen, die in den einzelnen
       Bundesländern auch noch unterschiedlich ausfalle.
       
       Aus der SPD erhielt de Maizière Zustimmung. Wegen der gewachsenen
       Terrorgefahr sollten nicht nur öffentliche Plätze wie Bahnhöfe und
       Flughäfen, sondern auch Einkaufszentren und große Veranstaltungen
       videoüberwacht werden, sagte ihr Innenexperte Burkhard Lischka, der Welt
       (Donnerstagsausgabe).
       
       Die Opposition übte hingegen scharfe Kritik an de Maizières Vorlage.
       Videokameras könnten höchstens helfen, wenn bereits etwas passiert sei,
       kritisierte der Linken-Innenpolitiker Frank Tempel. Sie brächten im
       Einzelfall keine Sicherheit. „Wenn ein für die Verfassung zuständiger
       Innenminister für so ein Placebo unsere Grundrechte verkaufen will, ist er
       eine Fehlbesetzung“, kritisierte Tempel.
       
       Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz bezeichnete das Vorhaben als
       überzogen. Er sagte im Deutschlandfunk, jeden zu erfassen, der ein Gebäude
       oder einen öffentlichen Platz betrete, sei grundrechtswidrig. Zwar könnten
       an bestimmten Gefahren- oder Problempunkten Kameras aufgestellt werden.
       Dann müsse aber genau geregelt werden, wie lange die Speicherfristen für
       die Aufnahmen seien.
       
       De Maizière will zudem die Erprobung von Technik zur automatischen
       Gesichtserkennung an Bahnhöfen und Flughäfen vorantreiben. In einem
       Pilotprojekt solle diese Art der Fahndung nach Terrorverdächtigen erprobt
       werden, heißt es in einer AFP vorliegenden Antwort der Bundesregierung auf
       eine Anfrage der Grünen-Fraktion.
       
       Innenministerium, die Bundespolizei und das Bundeskriminalamt (BKA)
       stimmten sich dafür mit der Deutschen Bahn ab. Wann die Technik genutzt
       werden könne, sei jedoch noch offen. Das Ministerium räumte mögliche
       rechtliche Probleme ein. Ob der Einsatz eine verfassungsrechtliche
       Neubewertung erfordere, hänge von der Ausgestaltung und tatsächlichen
       Nutzung dieser Technik ab.
       
       26 Oct 2016
       
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