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       # taz.de -- Türkische „Zaman“ in Deutschland: Last man standing
       
       > Ismail K. ist einer der letzten Mitarbeiter in der Druckerei. Das
       > Verlagsgebäude ist ein Geisterhaus geworden. Am 30. November erscheint
       > die finale Ausgabe.
       
   IMG Bild: Harun Odabaşı war Redakteur bei der „Zaman“-Redaktion in Istanbul. Nun sucht er mit seiner Familie Asyl in Deutschland
       
       Ismail K. geht über den leeren Parkplatz der Druckerei auf die
       Eingangstreppe zu, biegt aber kurz davor ab und öffnet eine unscheinbare
       Metalltür. „Wir kommen schon lange nicht mehr durch den Haupteingang zur
       Arbeit.“ Die Drehtüren sind versperrt, die Empfangshalle liegt im
       Halbdunkeln, Kabel hängen aus der Wand. Gäste werden im Verlagsgebäude der
       Zaman in Offenbach nicht mehr erwartet.
       
       „Es läuft alles nur noch auf Minimalbetrieb“, sagt Ismail K. und lächelt
       entschuldigend. Auch in der Druckerei ist die letzte Arbeitswoche
       angebrochen, am 30. November erscheint die deutsche Ausgabe der Zaman zum
       letzten Mal. Ismail K. leitet in Offenbach die Druckvorstufe, er bereitet
       die Zeitungsseiten für die Pressen vor. In diesen letzten Tagen im November
       hat Ismail K. aber viele Jobs. Er ist auch Pförtner, Aufräumer, Mutmacher.
       
       Seinen vollen Namen will Ismail K. nicht in der Zeitung lesen. Bereits als
       Abiturient hat er angefangen, in der Druckerei der Zaman zu arbeiten,
       später studierte er Medieninformatik, heute ist er 38 Jahre alt.
       
       Der Weg in die Druckerei führt über lange Gänge durch das dunkle
       Verlagsgebäude. Irgendwo hört man Schritte auf einer Treppe. Ismail K.
       drückt nach jeder Biegung wieder auf einen Lichtschalter. Aber es bleibt
       dunkel. Und kalt. Nicht alle Gebäudeflügel werden noch beheizt. Früher
       haben hier 150 Menschen gearbeitet, jetzt sind es noch zehn. Vielleicht
       auch weniger. „So ganz genau weiß man das jetzt nicht mehr“, sagt Ismail K.
       
       ## Gestapelte Schreibtische, Regale und Drehstühle
       
       Er klopft an eine Bürotür. „Hier könnte noch jemand sein.“ Aber keine
       Antwort; die Tür ist abgeschlossen. Hinter der nächsten Biegung riecht es
       nach frisch aufgebrühtem Schwarztee. Am Ende des Gangs fällt Licht aus
       einem Büro in den Flur. Ismail K. begrüßt einen Haustechniker. Er ist der
       einzige hier, der keine Kündigung erhalten hat. Im Februar geht er in
       Rente, solange soll er sich noch um die Abwicklung des Gebäudes kümmern.
       
       Die gesamte Inneneinrichtung wandert Stück für Stück in eine große Halle im
       Erdgeschoss. Dort stapeln sich Schreibtische, Regale, Glasvitrinen,
       Drehstühle, Ordner. Ein Basketballkorb ragt aus den Möbeln hervor. Ismail
       K. zuckt mit den Schultern. Die Sachen sollen verkauft werden, ebenso wie
       der Gebäudekomplex.
       
       Von Offenbach aus sollte die Zaman einmal in ganz Europa verbreitet werden.
       Die Nähe zum Frankfurter Flughafen sprach für den Standort, ganz in der
       Nähe haben sich auch andere große türkischen Zeitungen wie die Hürriyet
       niedergelassen. Ismail K. kennt noch Geschichten aus den 1970er Jahren, als
       die Druckplatten zusammengerollt mit dem Flugzeug aus Istanbul nach
       Frankfurt gebracht wurden. Die Nachrichten aus der Türkei waren in
       Deutschland dann immer schon einen Tag alt.
       
       Auf dem großen Wandkalender hinter Ismail K.s Schreibtisch gibt es für den
       30. November einen Eintrag in Großbuchstaben: FINISH. Die übrigen Wochen
       bis zum Jahresende sind mit Kugelschreiber ausgestrichen. Im Dezember wird
       Ismail K. noch mal in die Druckerei kommen. „Die Maschinen müssen gereinigt
       und eingefettet werden.“ Dann werden auch sie verkauft.
       
       Einige Büros sind vor einem halben Jahr noch frisch gestrichen worden,
       neuer Teppichboden wurde verlegt. „Klar, wir wussten, dass sich bei uns was
       verändern wird.“ Auch bei der Zaman wurde schon in den letzten Jahren die
       Auflage gedrosselt. „Das waren schon lange nicht mehr die goldenen 1990er
       Jahre des Zeitungsgeschäfts.“ Die Lohnaufträge anderer Zeitungen und
       Magazine, auf die die Druckerei wirtschaftlich angewiesen ist, gingen
       zurück. Ihre Kündigungen haben die Mitarbeiter im September bekommen.
       
       „Bald wird es hier sehr still sein.“ Ismail K. sitzt wie in einem Cockpit
       hinter drei Computerbildschirmen. Hier treffen die Seiten aus der Berliner
       Redaktion für die morgige Ausgabe ein. Ismail K. formatiert sie und
       kontrolliert die fertigen Druckplatten mit einer Lupe. Ein Mitarbeiter
       bringt sie nach unten in die Druckerei. Wenig später dringt von unten aus
       der Maschinenhalle ein Dröhnen bis in das Büro. Ismail K. hebt den Kopf, er
       lehnt sich zurück. „Jetzt drucken sie.“
       
       27 Nov 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Markus Sehl
       
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