# taz.de -- Integrationsgipfel in Berlin: Beim Grundgesetz ist Schluss
> MigrantInnenorganisationen fordern, Deutschland als Einwanderungsland in
> der Verfassung festzuschreiben – und stoßen auf Widerstand.
IMG Bild: Bei der Jugendfeuerwehr in Berlin-Wedding hat knapp die Hälfte der Kinder ausländische Wurzeln
Berlin taz | Ibrahim will nicht nur lernen, wie man Feuer löscht, sondern
vor allem, wie man deutsch spricht. Seit einem halben Jahr ist der
16-jährige Afghane bei der Jugendfeuerwehr in Berlin-Wedding. Knapp die
Hälfte der 62 Jungen und Mädchen dort haben ausländische Wurzeln, sechs
sind als Geflüchtete nach Deutschland gekommen. Die Organisation ist ein
Paradebeispiel in Sachen Integration. Davon überzeugte sich am Montag auch
Angela Merkel (CDU). Kurz vor Beginn des 9. Integrationsgipfels hatte die
Kanzlerin die Jugendfeuerwehr besucht.
Seit 2006 diskutieren Vertreter von Ländern, Wirtschaft, Gewerkschaften und
MigrantInnenorganisationen auf Integrationsgipfeln im Kanzleramt über
Probleme und Chancen von Zuwanderergenerationen. Der neunte Gipfel drehte
sich um gesellschaftliche Teilhabe von MigrantInnen, besonders im
ehrenamtlichen Engagement. All das basiere vor allem auf der „Verbundenheit
mit unserem Wertesystem, das im Wesentlichen vom Grundgesetz vorgegeben
wird“, sagte Merkel.
Viele MigrantInnen halten diese Passage für nicht ausreichend. So drängte
ein bundesweiter Zusammenschluss von 50 MigrantInnenorganisationen kurz vor
dem Gipfel auf eine Änderung des Grundgesetzes. [1][In einem Impulspapier]
fordern sie unter anderem die „Aufnahme eines neuen Staatsziels ins
Grundgesetz als Art. 20b“. Darin soll Deutschland als vielfältiges
Einwanderungsland festgeschrieben werden. Als „sehr klugen Vorschlag“ hatte
das die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Christine
Lüders, gewürdigt.
Während des Integrationsgipfels stieß die Forderung jedoch nicht überall
auf Begeisterung. Sie sei aber in Teilen unterstützt worden, sagte Farhad
Dilmaghani, Vorsitzender von [2][DeutschPlus e. V.], der taz. Dilmaghani
war an dem Impulspapier beteiligt und weiß, dass es „politische
Maximalforderungen“ stellt. Unter anderem fordern die
MigrantInnenorganisationen, interkulturelle Öffnung zur Chefsache zu machen
und mit einem bundesweiten Partizipations- und Integrationsgesetz
verbindlich zu regeln.
Die 50 MigrantInnenorganisationen nehmen für sich in Anspruch, für die
überwiegende Mehrheit der rund 17 Millionen Menschen mit
Einwanderungsgeschichte in Deutschland zu sprechen. Sie verlangen außerdem
die Festlegung von Quoten für Menschen mit Einwanderungsgeschichte in der
Bundesverwaltung. Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan
Özoguz (SPD), ließ sich auf eine verbindliche Regelung nicht ein, stimmte
aber zu: „Wir brauchen eine Art Zielmarke, wie wir beispielsweise im
öffentlichen Dienst den Anteil von Menschen mit Einwanderungsgeschichte
erhöhen können.“
Dilmaghani hat nach dem Integrationsgipfel im Kanzleramt gemischte Gefühle:
„Wir wollen zwar niemanden überfordern, aber wir werden nicht aufgeben.
Beim Umweltschutz hat es 15 Jahre gedauert, wir haben einen langen Atem.“
14 Nov 2016
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## AUTOREN
DIR Astrid Ehrenhauser
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