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       # taz.de -- Sechser-Gipfel im Kanzleramt: Die Welt muss warten
       
       > Staatschefs aus Europa und den USA preisen Merkel. Obama gibt fast eine
       > Wahlempfehlung. Sie sieht sich nicht als alleinige Führerin des Westens.
       
   IMG Bild: Zögert die Entscheidung noch heraus: Angela Merkel
       
       BERLIN taz | Eigentlich könnte Angela Merkel zufrieden sein. Neben
       US-Präsident Barack Obama sind auf ihre Einladung hin am Freitag die
       Regierungschefs von Frankreich, Großbritannien, Italien und Spanien ins
       Berliner Kanzleramt gekommen, um über zentrale Fragen der Weltpolitik zu
       beraten. Und sie alle betonten angesichts des bevorstehenden Amtsantritts
       von Donald Trump als US-Präsident die wichtige Rolle Deutschlands in der
       westlichen Welt. „Die Stabilität in Deutschland ist sehr wichtig für
       Europa“, sagte der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy nach dem
       Treffen.
       
       Und auch persönlich bekam die Hausherrin Lob von höchster Stelle: Eine
       „standfestere und verlässlichere Partnerin“ hätte er sich nicht wünschen
       können, sagte US-Präsident Barack Obama bei seinem Abschiedsbesuch in
       Berlin über Angela Merkel – und gab quasi eine persönliche Wahlempfehlung
       ab: „Wenn ich Deutscher wäre, würde ich sie unterstützen.“
       
       Doch die Kanzlerin reagierte mit demonstrativer Zurückhaltung auf den
       internationalen Wunsch, sich zur Wiederwahl zu stellen. Darüber werde sie
       „zum geeigneten Zeitpunkt“ entscheiden, erklärte sie bei der
       Pressekonferenz mit Obama.
       
       Der kommt nun aber offenbar recht schnell: Die CDU, deren Vorstand am
       Sonntag und Montag zu einer Klausurtagung zusammenkommt, kündigte am
       Freitag überraschend eine Pressekonferenz von Merkel für Sonntagabend an.
       In der Partei wird erwartet, dass die Kanzlerin dort ihre erneute
       Kandidatur verkündet.
       
       Doch auch wenn sie wieder antritt und gewählt werden sollte – als neue
       Führerin der westlichen Welt, zu der sie in den letzten Tagen manche Medien
       erklärt haben, mag sich Merkel nicht sehen. „Ein Mensch allein kann niemals
       alles lösen, sondern wir sind nur gemeinsam stark“, sagte sie am Freitag
       nach dem Sechsergipfel. Aber natürlich, fügte sie in ihrer gewohnten
       Nüchternheit dazu, gehöre es zu ihrer Aufgabe als Bundeskanzlerin, „auch
       für den Zusammenhalt Europas und für den Erfolg Europas zu arbeiten“.
       
       ## Schwere Zeiten
       
       Im Vergleich zu Obama, der sich in Berlin gut gelaunt und redselig
       präsentiert hatte, wirkte Merkel nach dem Gipfel angespannt. Das dürfte
       nicht nur daran liegen, dass international schwere Zeiten vor ihr liegen:
       Weder zum Thema Syrien noch zur Ukraine gab es beim Sechsertreffen
       Fortschritte zu vermelden, das Flüchtlingsthema wurde kaum angesprochen.
       
       Obama ist nur noch wenige Wochen im Amt, und ihre europäischen Partner
       haben derzeit andere Sorgen. Theresa May in Großbritannien muss den Brexit
       organisieren, der französische Präsident François Hollande seinen Posten
       gegen die Rechtsextreme Marine Le Pen verteidigen, und Italien und Spanien
       kämpfen noch immer mit der Wirtschaftskrise.
       
       Und auch in der Heimat hat sich ein geplanter Coup von Merkel offenbar in
       letzter Minute in eine Niederlage verwandelt. Wie mehrere Medien am Freitag
       berichteten, wollte die Kanzlerin die ehemalige Bundesbeauftragte für die
       Stasiunterlagen und Grünen-Politikerin [1][Marianne Birthler als Kandidatin
       für das Amt der Bundespräsidentin] nominieren. Diese habe zunächst
       Bereitschaft signalisiert, hieß es; auch die Grünen und die CSU hätten
       bereits ihr Einverständnis erklärt, so dass eine Mehrheit gesichert gewesen
       wäre.
       
       Doch kurz vor Beginn des entscheidenden Treffens am vergangenen Sonntag
       habe Birthler, die wie Merkel aus der DDR-Bürgerrechtsbewegung stammt,
       einen Rückzieher gemacht, berichten FAZ und Süddeutsche Zeitung. Daraufhin
       stand die Kanzlerin ohne eigenen Vorschlag da und [2][musste schließlich
       ihre Unterstützung für den SPD-Kandidaten Frank-Walter Steinmeier
       erklären]. Im Berliner Machtspiel stößt offenbar auch die angeblich
       mächtigste Frau der Welt bisweilen an ihre Grenzen.
       
       18 Nov 2016
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Malte Kreutzfeldt
       
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