URI: 
       # taz.de -- Polizeirecht in Niedersachsen: Schmerzgriffe nur noch mit Ansage
       
       > Ein Demonstrant wurde bei einem Polizeieinsatz verletzt. Die Gewalt war
       > rechtswidrig, meint das Oberverwaltungsgericht Lüneburg.
       
   IMG Bild: Polizeiwache in Göttingen
       
       Göttingen taz | Die Polizei in Niedersachsen muss künftig vorher
       ankündigen, wenn sie Schmerzgriffe gegen Demonstranten anwendet. Das ist
       die Quintessenz eines am Mittwoch bekannt gewordenen Urteils des
       Oberverwaltungsgerichts (OVG) Lüneburg. Die Klage eines heute 43-jährigen
       Göttingers hatte damit weitgehend Erfolg.
       
       Der Mann hatte sich im Januar 2013 an der symbolischen Besetzung eines leer
       stehenden Hauses im Zentrum von Göttingen beteiligt. Eine Gruppe von etwa
       100 AktivistInnen wollte damit auf die prekäre Wohnraumsituation aufmerksam
       machen. Beamte der wegen mehrerer ruppiger Einsätze bereits in der Kritik
       stehenden Göttinger Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit räumten nach
       einem verstrichenen Ultimatum des Eigentümers das Gebäude und bugsierten
       die verbliebenen Besetzer ins Freie.
       
       Dabei wendeten zwei Polizisten auch Schmerzgriffe an der Nase des Klägers
       an, um ihn zum Aufstehen zu bewegen. Der Mann erlitt dabei Verletzungen im
       Gesicht. Die auch aus Kampfsportarten bekannte Technik nutzt den Verlauf
       von Nervenbahnen: Durch Druck auf deren Schnittpunkte soll dem Gegner
       Schmerz zugefügt und seine Gegenwehr gebrochen werden.
       
       Das Verwaltungsgericht Göttingen hatte eine Klage des Besetzers 2014
       zunächst abgewiesen. Das OVG kassierte diese Entscheidung nun und erklärte
       die Anwendung von Schmerzgriffen in dem konkreten Fall für rechtswidrig.
       Weil dem Kläger ein nicht unerheblicher Schmerz zugefügt worden sei, hätte
       es nach Auffassung der Lüneburger Richter einer besonderen Androhung dieser
       Griffe vor ihrer Anwendung bedurft.
       
       Über die grundsätzliche Frage, ob Schmerzgriffe bei polizeilichen Einsätzen
       überhaupt verhältnismäßig sind, entschied das Gericht allerdings nicht.
       Eine Revision gegen das Urteil ließ das OVG nicht zu.
       
       Schmerzgriffe würden in jüngster Zeit mehr und mehr zur Standardmaßnahme
       geschlossener Polizeieinheiten im Umgang mit Demonstrierenden, kommentierte
       der Anwalt des Klägers, Sven Adam, den Richterspruch. Es sei erfreulich,
       dass das OVG mit seiner Entscheidung dieser Form von Gewalt
       rechtsstaatliche Grenzen gesetzt habe. Die Polizei müsse sich an diesem
       Urteil orientieren, forderte Adam.
       
       16 Nov 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Reimar Paul
       
       ## TAGS
       
   DIR Göttingen
   DIR Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
   DIR Göttingen
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Raum für Geflüchtete in Göttingen: Vom Hausbesetzer zum Hausbesitzer
       
       Die Gruppe „Our House OM10“ hat ein ehemaliges Gewerkschaftsgebäude
       übernommen. Jetzt muss sie noch Geld für Kauf und Sanierung besorgen.