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       # taz.de -- Kolumne Habibitus: Freche Almans & The City
       
       > Warum werden Durchschnittsdeutsche beim Anstehen eigentlich immer zu
       > solchen Haywans? Da helfen nur noch Kopfhörer.
       
   IMG Bild: Hilfeeeeee! Ich will Euch alle nicht hören!
       
       In der Servicewüste Deutschland mangelt es an einigen Dingen. Ich spreche
       nicht von gut gewürztem Essen oder ästhetischer Funktionskleidung, sondern
       von der kollektiven Möglichkeit, Aggressionen abzubauen. Vielleicht sollten
       sich mehr Fight Clubs etablieren.
       
       Nach dem Feierabend oder nur so zwischendurch mit einem Handtuch und
       bequemer Kleidung ein Etablissement wie einen Sportverein betreten, in dem
       sich alle einvernehmlich die Fresse polieren und danach mit einem Glühen
       auf den Wangen nach Hause fahren.
       
       Hauptsache, die Leute – und damit meine ich besonders Durchschnittsalmans
       wie Dörte und Wolfgang – können die Luft rauslassen und tiefenentspannt in
       ihren Alltag, das Wohnzimmer mit Eckgarnitur im spießigen Reihenhaus,
       zurückkehren. Denn das Bedürfnis aufzumucken, ist definitiv da, und es
       zeigt sich vor allem an einem Ort: der Schlange zum Service.
       
       Die Schlange verwandelt sich in einen metaphysischen Raum mit
       verschwommenen Regeln. Aus dem diplomatischen Dieter und der gewaltfrei
       kommunizierenden Gisela werden wahre [1][Haywans], wie man sie sonst nur
       von All-you-can-eat-Buffets und vom Einstiegsbereich öffentlicher
       Verkehrsmittel kennt.
       
       ## Gemeinsames Feindbild
       
       Keine Lüge ist ihnen zu schade, um möglichst früh dran zu kommen. Kein
       Kommentar über andere Menschen zu unangebracht, um mit anderen Fremden zu
       bonden und ein kollektives Wir zu konstruieren, das gemeinsam gegen ein
       Feindbild wettert.
       
       Mal ist es die Person, dessen Geschlecht nicht eindeutig zugeordnet werden
       kann – aber ganz ehrlich, wann kann man das schon wirklich? –, mal die
       langsame Taschenpackerin, mal die Person, die nicht fließend Deutsch
       spricht und deshalb Dinge nachfragen muss.
       
       Würden sie wenigstens intervenieren, weil sie jemand diskriminierend
       verhält: okay. Aber nein: Die Schlange verwandelt sich in einen mit harten
       Gefühlen aufgeladenen Käfig, in dem alles – vor allem sich Einmischen –
       kann und nichts – besonders nicht Respekt – muss.
       
       Gestern ging ich mit Kopfhörern auf den Ohren in den Drogeriemarkt. An
       harten Tagen wie diesen hilft mir die musikalische Beschallung dabei,
       stressige Orte wie Geschäfte auszuhalten. An der Kasse spürte ich schon,
       wie die Uschi hinter mir ungeduldig wie ein gedoptes Pferd vor einem
       Pferderennen hinter mir hin und her trabte. Und das, obwohl ich meine
       Kopfhörer trug.
       
       ## Ich atmete durch
       
       Als ich die Kassiererin bat, einen Satz zu wiederholen, weil ich ihn nicht
       verstanden hatte, hörte ich ihren zynischen Kommentar schon wie dieses
       eklige Wasser, das manchmal aus Ketchupflaschen kommt, losspritzen: „Sind
       wir hier etwa im Baumarkt, dass man Kopfhörer für den Lärmschutz braucht?“
       
       Ich atmete durch, zitterte etwas, sprach nicht. Mein Energielevel war
       niedrig, sonst hätte ich mich zu ihr umgedreht und gesagt, dass Pissnelken
       wie sie der Grund dafür sind, warum ich meine Kopfhörer am liebsten nie
       abnehmen würde.
       
       Oder ich hätte eine Freundin von meiner Mutter zitiert, die mal sagte:
       „Wenn du nichts zu sagen hast, aber deine Zunge in Bewegung halten musst,
       dann kau ein Kaugummi.“
       
       23 Nov 2016
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.urbandictionary.com/define.php?term=haywan
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Hengameh Yaghoobifarah
       
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