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       # taz.de -- Donald Trump und der freie Handel: Falscher Freund
       
       > Donald Trump wettert gegen Freihandelsabkommen. Mit den Ideen linker
       > Globalisierungskritiker hat das aber wenig zu tun.
       
   IMG Bild: Trump treibt es bunt: Er ist gegen Nafta und TPP, seine Position zu TTIP ist offen
       
       Es könnte eine gute Nachricht für die Gegner von TTIP sein: Der neue
       Präsident der USA klingt, als lehne er den freien Handel ab. Gegen das
       geplante Transatlantische Freihandelsabkommens TTIP zwischen der EU und den
       USA gingen in Deutschland Hunderttausende [1][auf die Straße].
       
       Doch Donald Trumps Kritik an Freihandel hat damit nichts zu tun. Sie reihte
       sich im Wahlkampf ein in eine simple „Wir gegen die“-Rhetorik, einen Mix
       aus Angst vor Einwanderern, Kriminalität und Globalisierung. Exemplarisch
       steht hier seine wirtschaftspolitische Rede am 8. August dieses Jahres in
       Detroit.
       
       Dort sagte er: Hillary Clinton stehe für eine Politik, die mit hohen
       Steuern und Wirtschaftsregulierung Jobs ins Ausland verlagere, die
       Kriminalität hoch treibe und mit Migration die öffentlichen Kassen leere.
       Clinton stehe für „Handelsabkommen wie Nafta, von ihrem Mann unterzeichnet,
       mit der eure Jobs nach Mexiko und andere Länder abgewandert sind“.
       
       Linke Globalisierungskritik fordert dagegen einen gerechteren Welthandel,
       der vor allem dem globalen Süden aus der Armut hilft und ökologische
       Probleme löst. Trump wiederum zielte auf eine Wählerschicht ab, die unter
       dem gravierenden Verlust an Industriejobs seit dem Jahr 2000 zu leiden
       hatte. Damals gab es noch 17,2 Millionen Arbeitsplätze im verarbeitenden
       Gewerbe, heute sind es noch 12,3 Millionen, übrigens 500.000 mehr als zu
       Beginn von Obamas Amtszeit.
       
       ## Nafta neu verhandeln
       
       Viele der Jobs gingen im sogenannten Rust Belt verloren. Der „Rostgürtel“,
       das sind jene Teile der Vereinigten Staaten, die für den Niedergang der
       einst stolzen produzierenden Industrie des Landes stehen. Sie liegen
       zwischen den Großen Seen um die ehemalige Autometropole Detroit und den
       ehemaligen Bergbauregionen bis an die Ostküste um New York und Boston. Seit
       Ende der 70er Jahre halbierte sich der Anteil der produzierenden Industrie
       am Bruttoinlandsprodukt der USA auf heute noch 12,8 Prozent. Genau in
       diesem Rust Belt hat Trump den Demokraten nun die beiden wichtigen Staaten
       Pennsylvania und Michigan abgejagt.
       
       Trump hat zwei Dinge konkret angekündigt. Erstens, dass er [2][Nafta neu
       verhandeln will]. Das von Bill Clinton 1993 unterzeichnete
       Freihandelsabkommen mit Kanada und Mexiko zerstörte in Mexiko die
       Lebensgrundlage vieler Kleinbauern wegen der billigen Getreideimporte aus
       den USA. In den USA trug es dazu bei, dass vor allem Jobs in der
       Autoindustrie wegbrachen. Wie viele, daran scheiden sich die Geister.
       
       Trump jedenfalls schaffte es im Wahlkampf, Hillary Clinton persönlich die
       Schuld für Nafta zu geben, auch wenn sich die damalige First Lady 1993 um
       eine Gesundheitsreform kümmerte. Die scheiterte später am Widerstand der
       Republikaner – die dafür wiederum Nafta größtenteils unterstützten. Um
       heute, im Jahr 2016, einen Präsidenten zu stellen, der Nafta verteufelt.
       
       Zweiter Punkt ist, dass Trump das Transpazifische Freihandelsabkommen TPP
       ablehnt, zwischen zwölf Ländern, darunter neben den USA, Kanada und Mexiko
       etwa Peru, Japan, Australien oder Singapur. Auch das Abkommen schrieb Trump
       Clinton zu. „Hillary Clintons TPP wird ein noch größeres Desaster für die
       Autoindustrie“, war einer der Standardsätze.
       
       Clinton hatte TTP nach anfänglicher Unterstützung abgelehnt – wohl auch,
       weil sie die Stimmen linker, demokratischer Freihandelsgegner brauchte. Ihr
       Hauptkritikpunkt waren Schiedsgerichte, vor denen Unternehmen aus den zwölf
       TPP-Staaten die USA verklagen könnten. Genau die Gerichte, die im Fall von
       TTIP auch der EU drohen.
       
       So detailliert hat Trump das Thema nie bearbeitet. TPP ist fertig
       ausgehandelt, doch Trump könnte dem Abkommen einfach die Unterschrift
       verweigern. Nafta könnte der neue Präsident ohne den Senat nicht einfach
       kündigen.
       
       Bei TTIP sieht es ganz anders aus. Das ist noch nicht fertig ausgehandelt.
       Im Wahlkampf war das Abkommen zwischen den USA und der EU praktisch kein
       Thema. Trump wetterte stets gegen TPP, seine Position zu TTIP ist völlig
       offen. Allerdings hat sich die öffentliche Stimmung in den USA in den
       vergangenen drei Monaten gedreht. Heute ist die Mehrheit laut einer Umfrage
       des Meinungsforschungsinstituts Greenberg, Quinlan and Rosner gegen
       Freihandel.
       
       Eine Mehrheit der Amerikaner ist der Ansicht, Freihandel habe ihnen in der
       Vergangenheit geschadet. Besonders stark vertreten ist diese Meinung bei
       den Trump-Wählern. Das könnte bedeuten, dass damit auch TTIP nicht mehr
       durchzusetzen ist.
       
       10 Nov 2016
       
       ## LINKS
       
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