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       # taz.de -- Curling-Europameisterschaft in Schottland: 49 und noch auf dem Eise
       
       > Weil es dem deutschen Team an Nachwuchs mangelt, muss Curling-Legende
       > Andy Kapp bei der EM ran. Bisher zeitigt diese Maßnahme keinen Erfolg.
       
   IMG Bild: War natürlich auch bei Olympia 2006 für Deutschland im Einsatz: Andy Kapp
       
       Comeback? Nein! So möchte Andreas Kapp die Sache lieber nicht benannt
       wissen. Comeback hört sich schließlich, so jedenfalls empfindet er das,
       nach einer längerfristigen Rückkehr an. Die seine indes soll nur von eher
       kurzer Dauer sein. Lediglich ein Turnier möchte Kapp spielen, diese eine
       Europameisterschaft, dann soll’s das auch schon wieder gewesen sein. „Ich
       würde mich eher als Aushilfe bezeichnen“, sagt Kapp, den alle nur Andy
       nennen. „Wir haben versucht, die bestmögliche Lösung zu finden“, fügt er
       an.
       
       Dass dem deutschen Curlingteam das gelungen ist, steht noch in Frage. Die
       ersten vier Partien bei der EM im schottischen Renfrewshire gingen
       jedenfalls verloren: Das 4:9 gegen den amtierenden Welt- und Europameister
       Schweden war noch einkalkuliert, das unglückliche 7:8 gegen Italien
       allerdings eine Enttäuschung. Auch gegen Russland (5:6) und die Schweiz
       (2:8) setzte es Pleiten. Die Entscheidungen fallen erst Ende der Woche,
       dann wollen die Deutschen noch dabei sein. Und dafür brauchen sie Andy Kapp
       und seine Erfahrung.
       
       Von der hat niemand so viel wie Kapp. Zwei Mal Vizeweltmeister (1997 und
       2007) war der Mann aus Füssen, zwei Mal Europameister (1992 und 1997), an
       drei Olympischen Spielen hat er teilgenommen. Andy Kapp ist quasi eine Art
       Bastian Schweinsteiger der Steineschieber, der Dirk Nowitzki der
       Eisschrubber. Dass „Mister Curling“, wie ihn die Süddeutsche Zeitung einmal
       nannte, nun bei der EM noch einmal für Deutschland curlt, ist also eine
       kleine Sensation – und die Folge eines Notstandes zugleich.
       
       Gleich zwei Stammspieler aus dem deutschen Nationalteam sind im Vorfeld der
       EM schließlich ausgefallen. Sebastian Schweizer (Schwenningen) zerfetzte
       sich im Knie so ziemlich alles, was man sich zerfetzen kann und befindet
       sich derzeit in Reha. Der junge Mark Muskatewitz (Baden-Baden) wiederum
       konzentriert sich in seinem letzten Juniorenjahr darauf, den deutschen
       Curling-Nachwuchs zurück in die A-Gruppe zu führen. Da Spitzencurler in
       Deutschland in etwa so rar sind wie Skifahrer in Kenia, lag es nahe, bei
       Kapp nachzufragen, ob er sich nicht vorstellen könne, einzuspringen – und
       sei es nur als Aushilfe.
       
       ## 2013 wurde Kapp noch Mixed-Europameister
       
       Kapp konnte – und zwar auf Anhieb. Zumal er ja nie wirklich damit aufgehört
       hat, Granitsteine übers Eis ins House zu schieben. Zwar galt seine aktive
       Karriere offiziell nach Platz sechs bei der WM 2011 als beendet,
       inoffiziell aber ging sie immer munter weiter, wenn auch ohne Team, das
       seinen Namen trug. „Ich habe die ganze Zeit über Curling gespielt“, sagt
       Kapp. Bester Beweis hierfür: Die Goldmedaille bei der Mixed-EM 2013.
       
       Quasi parallel dazu lief seine Tätigkeit als Nachwuchstrainer am
       Bundesstützpunkt Füssen. Nun also noch einmal eine EM. Noch einmal die ganz
       große Bühne, zumindest für Curling-Verhältnisse. „Ich bin immer noch fit
       und im Training“, sagt Andy Kapp, der im Dezember seinen 49. Geburtstag
       feiert. In anderen Sportarten mag das ein biblisches Alter sein, im Curling
       eher nicht. „Das Alter ist nicht die alles beschränkende Kennziffer“, sagt
       Kapp jedenfalls.
       
       Schließlich seien, neben aller körperlichen Fitness, auch Erfahrung,
       taktisches Können und eine gewisse Gelassenheit von großer Bedeutung. „Was
       diese Punkte anbelangt, kann ich der Mannschaft bestimmt weiterhelfen“, ist
       er sich sicher.
       
       Für den Erfolg bei der EM ausschlaggebend dürfte deshalb vor allem werden,
       wie schnell diese Mannschaft zusammenfindet. Viel gemeinsam trainiert haben
       der Füssener Kapp, der als Skip, also Kapitän, fungieren wird, Manuel
       Walter, Alexander Baumann (Baden Hills Golf & Curling Club), Daniel Herberg
       (Oberstdorf) und Ryan Sherrad (München) aufgrund der großen Entfernungen
       jedenfalls nicht. Gerade mal „ein paar Wochenenden“ so Kapp, sei man
       zusammen gewesen, in erster Linie Turniere wurden da gespielt.
       
       ## Rang sieben muss es mindestens sein
       
       „Was die Eingespieltheit anbelangt, sind wir gegenüber den anderen Teams
       unterlegen. Da haben wir Aufholpotenzial“, stellt Kapp fest. Andererseits,
       so sagt er, kenne man sich seit Jahren. „Wir wissen alle, wie Curling
       gespielt wird. Jeder weiß, was er tun muss.“ Nicht zuletzt dank ihm:
       Bereits bei der letzten EM, die das deutsche Team um den damaligen Skip
       Baumann auf Rang sechs abschloss, fungierte Kapp als Taktikberater.
       
       Der sechste Platz wäre auch in Schottland ein Erfolg. Rang sieben und somit
       die direkte Qualifikation für die nächste WM soll es auf jeden Fall sein –
       im Prinzip ist er sogar ein Muss. Deutschlands Curler kämpfen schließlich
       nach wie vor um den Erhalt ihrer staatlichen Förderung. Die WM-Teilnahme
       ist hierfür fast schon Pflicht, zumal es bei der WM um Punkte für die
       Olympiaqualifikation geht.
       
       Es ist also keine geringe Verantwortung für einen, der nur als Aushilfe
       fungiert. Andy Kapp trägt es mit der Gelassenheit eines bald 49-Jährigen.
       „Wenn ich nicht vom Erfolg überzeugt wäre, hätte ich mir das nicht
       angetan“, sagt er.
       
       21 Nov 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Frank Ketterer
       
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