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       # taz.de -- Winternotprogramm in Hamburg: Rückreise statt Kälteschutz
       
       > Soziale Einrichtungen befürchten, dass die Stadt Hamburg osteuropäische
       > Bettler vom Winternotprogramm ausschließt. Die Sozialbehörde bestreitet
       > das
       
   IMG Bild: Tagsüber am Fischmarkt, nachts im Winterprogramm: Laut Behörde steht das allen Obdachlosen offen
       
       HAMBURG taz | Die Nachricht löste Besorgnis aus. Nach einem Bericht des
       Hamburger Abendblatts plant Hamburgs Sozialbehörde mit verstärkten
       Kontrollen gegen „unberechtigte Nutzer des Winternotprogramms für
       obdachlose Menschen vorzugehen“. Der Bericht legte nahe, dass Ost- und
       Südosteuropäer, die in ihrem Heimatland eine Bleibe haben, aber in Hamburg
       keine berufliche Zukunft, im Winternotprogramm keinen Platz mehr bekommen
       sollen. Im besonderen Fokus dieser Maßnahmen stünden gewerbsmäßige Bettler
       aus Rumänien und Bulgarien. Zudem wolle die Hamburger Sozialbehörde diesen
       Personenkreis verstärkt in ihre Herkunftsländer zurückführen.
       
       „Das Winternotprogramm muss für alle zugänglich bleiben. Wir dürfen nicht
       riskieren, dass es auch nur einen Kältetoten gibt“, formulierte der Chef
       der Hamburger Diakonie, Landespastor Dirk Ahrens, seine Befürchtungen. Und
       die Chefredakteurin des Obdachlosenmagazins Hinz&Kunzt, Birgit Müller, warf
       der Sozialbehörde vor, sie nähme „billigend in Kauf, dass es Tote in diesem
       Winter gibt“.
       
       Die Fraktionsvorsitzende der Hamburger Linken, Cansu Özdemir, hält „die
       Pläne der Behörde“ für „rechtlich fragwürdig“. Hamburg sei verpflichtet,
       „obdachlose Menschen, unabhängig davon, woher sie kommen und wie lange sie
       sich in Hamburg aufhalten, vor dem Erfrieren zu schützen“. Die Stadt dürfe
       sich „dieser Unterbringungspflicht nicht entziehen“ und solle „seinen
       Hardliner-Kurs gegen die rücksichtslosen Arbeitgeber richten und nicht
       gegen die zu Hungerlöhnen beschäftigten OsteuropäerInnen“, sagte Özdemir.
       
       In der Sozialbehörde ist man „erstaunt“ über die Berichterstattung. „Das
       Winternotprogramm kann anonym in Anspruch genommen werden, alle Menschen
       werden aufgenommen, niemand abgewiesen“, sagte Behördensprecher Marcel
       Schweitzer. Auch gebe es keine verschärften Kontrollen. „Nach wie vor gilt,
       dass niemand in Hamburg nachts in frostigen Nächten auf der Straße schlafen
       muss“, sagte Schweitzer.
       
       Neu sei lediglich, dass es vermehrte „Sozialberatungen“ für Obdachlose
       gebe. Diese hätten zwar durchaus das Ziel, Obdachlose zur Rückkehr in ihre
       Heimatländer zu überzeugen und sie dabei finanziell zu unterstützen, doch
       die Teilnahme an solchen Gesprächen sei freiwillig. Im vergangenen Jahr
       wurden die Plätze des Winternotprogramms zu rund 55 Prozent von Menschen
       polnischer, bulgarischer oder rumänischer Herkunft belegt, viele von ihnen
       waren ohne Arbeit.
       
       „Unionsbürger, die keinen Job haben, dürfen sich zwar auf eigene Kosten in
       Hamburg aufhalten, eine Unterbringung auf Kosten der Allgemeinheit ist aber
       rechtlich nicht möglich“, sagte Schweitzer. Doch da das Winternotprogramm
       anonym in Anspruch genommen werden könne und es weder große Kontrollen noch
       Zwangsberatungen gebe, sei für die Behörde eine Durchsetzung dieses
       Prinzips überhaupt nicht möglich.
       
       Das sieht Ulrich Hermannes, Geschäftsführer der Stadtmission „Hoffnungsorte
       Hamburg“ anders. Er begrüßt es zwar, „die Beratung für EU-Bürger aus
       Osteuropa auszubauen“, doch was er von den „Sozialberatern vor Ort höre“,
       habe damit kaum etwas zu tun. „Insbesondere Rumänen werden innerhalb des
       Winternotprogramms nach Ausweis und Wohnsitz befragt, mit dem Ziel, sie zu
       einer unverzüglichen Rückkehr ins Heimatland zu drängen.“ Das kritisiert
       auch Birgit Müller: „Bei Minusgraden Menschen so unter Druck zu setzen,
       dass sie zurück auf die Straße gehen, ist lebensgefährlich für die
       Betroffenen.“
       
       29 Nov 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Marco Carini
       
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