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       # taz.de -- Asyl in Deutschland: Trickst das Bamf mit Anträgen?
       
       > Täuschte ein Mitarbeiter des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge
       > einen afghanischen Asylbewerber? Sein Rechtsanwalt klagt nun.
       
   IMG Bild: Demonstration vor dem Bamf in Bamberg, August 2016
       
       Berlin taz | Der Bundesregierung, daran besteht kein Zweifel, beantragen zu
       viele Afghanen Asyl in Deutschland. „Unsere Sorge“, sagte zuletzt
       CDU-Innenminister Thomas de Maizière auf dem EU-Innenministertreffen in
       Brüssel, „ist im Moment … die große Zahl der Flüchtlinge aus Afghanistan.
       Wir wollen, dass in Afghanistan das Signal ankommt: ‚Bleibt dort! Wir
       führen euch aus Europa direkt nach Afghanistan zurück!‘“
       
       Dieses Signal sollen auch die Mitarbeiter des Bundesamtes für Migration und
       Flüchtlinge (Bamf), deren oberster Dienstherr de Maizière ist, aussenden.
       Nun steht der Vorwurf im Raum, dass sie Asylbewerber bewusst täuschen,
       damit diese ihre Asylanträge zurücknehmen.
       
       Den Vorwurf erhebt Atikullah Farmani. Anfang November erzählt der Afghane
       in der Außenstelle Frankfurt (Oder) von seiner Flucht vor den Taliban. Als
       Mitarbeiter der Nato-Schutztruppe Isaf sei er vom Tode bedroht gewesen.
       Über die Türkei kam er nach Deutschland.
       
       Der Anhörer teilt Farmani daraufhin mit, dass seine Beweise „schwach“ seien
       und dass er „wahrscheinlich keine Anerkennung in Deutschland“ bekäme. Die
       erhielten nur 20 Prozent der Afghanen. Später erfährt Farmani, dass die
       tatsächliche Schutzquote 2016 mit 45 Prozent mehr als doppelt so hoch ist.
       
       ## Klage beim Verwaltungsgericht eingelegt
       
       Der Bamf-Mitarbeiter unterbreitet dem Afghanen drei Vorschläge: Farmani
       zieht seinen Asylantrag zurück und kehrt in seine Heimat zurück. Farmani
       nimmt eine Duldung an und lebt ohne Pass, Wohnung oder Geld in Deutschland.
       Oder er gehe zurück in die Türkei. Visa und Pass würde Farmani bekommen.
       Auch dafür müsste er seinen Asylantrag zurückziehen. Dann noch am Liebsten
       in die Türkei, dachte Farmani und unterschrieb. Die türkische Botschaft in
       Berlin wollte ihm jedoch keinen Pass ausstellen.
       
       So schildert es der Afghane in einer Eidesstattlichen Erklärung, die der
       taz vorliegt. Heute fühlt er sich durch den Anhörer getäuscht. Die
       verantwortliche Bamf-Außenstelle weist den Vorwurf zurück. Asylbewerber
       würden, versichert die Bamf-Zentrale, nicht gezielt zur Rücknahme der
       Asylanträge bewegt. Diese Möglichkeit werde „nur beim Vorliegen von
       entsprechenden Anhaltspunkten“ thematisiert. Etwa, wenn der Antragsteller
       gar keinen Schutz im Bundesgebiet sucht.
       
       Dieser Fall liegt laut Rechtsanwalt Dieter Bollmann, der Farmani vertritt,
       aber nicht vor. „Mein Mandant wurde bei seiner Anhörung arglistig
       getäuscht, damit er seinen Antrag zurück nimmt“. Vor einer Woche hat
       Bollmann die unterschriebene Rücknahmeerklärung angefochten und Klage beim
       Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) eingelegt. Für ihn steht fest: Der
       Innenminister nimmt politisch Einfluss auf das Bamf, um die
       Flüchtlingszahlen zu senken. Der Fall seines Mandanten sei dafür der
       Beweis.
       
       Belegen kann Bollmann das nicht. Fakt ist jedoch, dass die Bundesregierung
       dem Bamf vor etwa einem Jahr neue Asylvorgaben machte. In der Neuversion
       der Herkunftsländer-Leitsätze zu Afghanistan verweist die Bundesregierung
       verstärkt auf „interne Schutzmöglichkeiten“. Darin steht, verkürzt
       formuliert: Wer in Kundus bedroht ist, ist in einer anderen Region im Land
       sicher.
       
       ## Jeder zweite Afghane erhält Schutzstatus
       
       Wie sehr Entscheider bei afghanischen Asylfällen unter Druck stehen, hat
       vor Kurzem ein Bamf-Mitarbeiter offen eingeräumt: „Jeder Asylentscheid, der
       von den Vorgaben der Leitsätze abweicht, muss dem Vorgesetzten vorgelegt
       werden“, [1][zitiert ihn Zeit Online.]
       
       Pro Asyl beobachtet, dass afghanische Asylfälle derzeit vor allem möglichst
       schnell bearbeitet werden sollen. „Dafür sind Mitarbeiter, die nur zwei
       oder drei Wochen geschult worden sind, nicht geeignet“, sagt Bernd Mesovic.
       Eine Anweisung, Asylbewerber zur Rücknahme der Anträge zu bewegen, kann
       sich Mesovic aber nicht vorstellen.
       
       Eine offizielle „Enmutigungskampagne“ erkennt er hingegen schon: Keine
       Sprachkurse, das Gerücht eines „sicheren“ Afghanistans und den Wunsch,
       12.500 Afghanen abzuschieben. Fakt sei aber: Fast jeder zweite Afghane
       erhält einen Schutzstatus. „Kein Grund also, vorschnell aufzugeben.“
       
       30 Nov 2016
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.zeit.de/politik/deutschland/2016-11/afghanistan-bamf-asyl-abschiebung-gefahr-innenministerium
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ralf Pauli
       
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