URI: 
       # taz.de -- Bundespräsidentenwahl in Österreich: Was käme mit Norbert Hofer?
       
       > Als Präsident hätte der FPÖ-Politiker deutlich mehr Einfluss als sein
       > Amtskollege in Deutschland. Und er will kräftig aufräumen. Ein Szenario.
       
   IMG Bild: Bald Kanzler und Präsident? Heinz-Christian Strache und Norbert Hofer
       
       WIEN taz | „Sie werden sich noch wundern, was alles gehen wird.“ Dieser
       Spruch von Norbert Hofer ist inzwischen legendär. Er stammt aus der
       Elefantenrunde vor den österreichischen Bundespräsidentschaftswahlen im
       Frühjahr. Damals verkaufte sich der Kandidat der rechten Freiheitlichen
       Partei Österreichs als „aktiver Präsident“: Er werde die Vollmachten des
       Staatsoberhaupt ausschöpfen, um politisch ordentlich aufzuräumen.
       
       Inzwischen würde Hofer die Aussage, die von vielen als eine gefährliche
       Drohung verstanden wurde, gern wieder zurücknehmen. Denn Herr und Frau
       Österreicher schimpfen zwar gern über die Regierung, wünschen sich an der
       Staatsspitze aber niemanden, der für ständige Unruhe sorgt.
       
       Tatsächlich ist der Bundespräsident von der Verfassung mit erheblich mehr
       Vollmachten ausgestattet als etwa sein deutsches Pendant. Er wird in
       direkter Wahl vom Volk gewählt, nicht durch einen politischen Kuhhandel im
       Parlament bestimmt. Was das bedeutet, mussten die Regierungsparteien im
       vergangenen April erfahren: Ihre Kandidaten fielen mit Stimmenanteilen um
       die 10 Prozent deutlich zurück. Stattdessen gelang Norbert Hofer (FPÖ) und
       dem von den Grünen aufgestellten Alexander Van der Bellen der Sprung in die
       Stichwahl.
       
       ## Da gibt er den starken Mann
       
       Während Van der Bellen eine berechenbare Größe ist und sich am Stil der
       Amtsführung seines Vorgängers orientieren will, lässt Hofer viele Fragen
       offen. Zu oft hat er sich aus Opportunitätsgründen auch selbst
       widersprochen.
       
       Anfangs ging es darum, die Protestwähler zu mobilisieren. Da deutete Hofer
       an, er würde die Regierung bei erster Gelegenheit entlassen und Neuwahlen
       ausschreiben. Das kann er zwar, doch ist noch kein Bundespräsident bisher
       selbst initiativ geworden. Neuwahlen hat es immer nur gegeben, wenn die
       Regierung platzte oder sich aus taktischen Gründen für einen früheren
       Wahltermin entschloss.
       
       Der Bundespräsident kann auch das Bundesheer mobilisieren, Notverordnungen
       erlassen und Verfahren niederschlagen. Aus guten Gründen hat aber bisher
       keiner der acht Amtsträger der Zweiten Republik von diesen Rechten Gebrauch
       gemacht.
       
       Inzwischen ist Hofer vorsichtiger geworden. Bei Medienauftritten gibt er
       sich gemäßigt. Er wolle zuerst das Gespräch suchen, wenn die Regierung
       seiner Meinung nach nicht ordentlich arbeitet. Vor seinen Fans aber gibt er
       gern den starken Mann, dem es gar nicht schnell genug gehen kann, den
       eigenen Parteichef Heinz-Christian Strache ins Bundeskanzleramt zu hieven.
       
       ## Klarer Vorsprung bei den Nationalratswahlen
       
       Nationalratswahlen sind für Herbst 2018 geplant. Nach derzeitigen Umfragen
       liegt die FPÖ deutlich vor der sozialdemokratischen SPÖ und der
       konservativen ÖVP. Hofer: „Dann gibt es einen freiheitlichen
       Bundespräsidenten, einen freiheitlichen Bundeskanzler und – Sie haben ganz
       vergessen – einen freiheitlichen Nationalratspräsidenten.“
       
       Gern bezweifelt er Van der Bellens Überparteilichkeit. Er selbst verzichte
       darauf, sich zu verstellen: „Ich bin ein Freiheitlicher durch und durch.“
       Als Bundespräsident müsste er zwar seine Parteimitgliedschaft ruhend
       stellen, seine Gesinnung würde er aber nicht an der Garderobe abgeben.
       
       Er würde auch, wie er wiederholt bestätigt hat, seine Mitarbeiter aus dem
       Nationalrat in die Hofburg mitnehmen. Zumindest einer davon, René
       Schimanek, fand sich einst in der Entourage des verurteilten Neonazis
       Gottfried Küssel.
       
       Als Herausgeber der Publikation Für ein freies Österreich bekennt sich
       Hofer selbst zu einem Gesellschaftsbild, das zu diesen Kreisen passt. So
       empfiehlt er Frauen, ihren „Brutpflegetrieb“ zu stillen, statt
       „Selbstverwirklichungsambitionen“ nachzugehen. Die Homo-Ehe lehnt er ab,
       „solange zwei Männer oder zwei Frauen miteinander keine Kinder bekommen
       können“.
       
       ## Alte Träume neu geträumt
       
       Am deutlichsten spürbar wäre die Wende in der Hofburg wohl in der
       Außenpolitik. „Das würde genauso werden wie einst unter Waldheim“, meint
       Oliver Tanzer, außenpolitischer Redakteur bei der Wochenzeitung Die Furche.
       Bundespräsident Kurt Waldheim (1986–1992), der wegen seiner
       Gedächtnislücken aus Kriegstagen auf dem Balkan vor allem im Ausland als
       Kriegsverbrecher verdächtigt wurde, brachte Österreich international in die
       Isolation.
       
       „Wenn Marine Le Pen in Frankreich gewinnt, würde sich das ändern“, ist
       Zeitungsmann Tanzer überzeugt. Mit Wladimir Putin und Donald Trump würde
       Hofer sich gut verstehen. Der hat schon angekündigt, er wolle sich den
       nationalkonservativen Regierungen in Ungarn, Polen und Serbien annähern. Zu
       den Kronländern der ehemaligen Monarchie gebe es eine natürliche Nähe.
       
       Er träumt von einem „Visegrád plus“ als Erweiterung der EU-skeptischen
       Gruppe Polen, Ungarn, Tschechien und Slowakei. Gleichzeitig wolle Hofer
       wohl aus der Not eine Tugend machen, so Tanzer, denn Einladungen zu
       Staatsbesuchen wären von ehesten aus ähnlich gestrickten Regierungen zu
       erwarten: „Zum Glück werden die diplomatischen Beziehungen aber nicht vom
       Bundespräsidenten, sondern von der Regierung hergestellt“.
       
       1 Dec 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ralf Leonhard
       
       ## TAGS
       
   DIR Österreich
   DIR Bundespräsident Österreich
   DIR Norbert Hofer
   DIR Alexander Van der Bellen
   DIR FPÖ
   DIR Wladimir Putin
   DIR Norbert Hofer
   DIR Alexander Van der Bellen
   DIR Österreich
   DIR Bundespräsident Österreich
   DIR Österreich
   DIR Präsidentschaftswahlen Österreich
   DIR Rechtspopulisten
   DIR Alexander Van der Bellen
   DIR Feminismus
   DIR Bundespräsident Österreich
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Putin wird in Österreich erwartet: Hochzeitsgast Wladimir
       
       Damit hat Österreichs Außenministerin wohl nicht gerechnet: Der russische
       Präsident kommt überraschend zu ihrer Hochzeit ins Sulztal.
       
   DIR Alexander Van der Bellen: Der Retter des Alpenlandes
       
       Sohn niederländischer Migranten, kettenrauchender Professor,
       Sympathieträger: Alexander Van der Bellen ist keiner, der polarisiert.
       
   DIR Kommentar Wahl in Österreich: Ein Erdrutsch der Vernunft
       
       Erleichterung. Zu verdanken ist der Sieg Van der Bellens einer nie da
       gewesenen Grassroots-Bewegung. Aber Glücksgefühle sind fehl am Platz.
       
   DIR Präsidentenwahl in Österreich: Van der Bellen hat gewonnen
       
       Die ersten Hochrechnungen sind da. Der grünen-nahe Van der Bellen liegt
       rund sieben Prozentpunkte vor dem Rechtspopulisten Norbert Hofer.
       
   DIR Nazis und Nachbarn in Österreich: Die Wegwischer
       
       Unsere Autorin wuchs in einem österreichischen Dorf auf. Zu Besuch in
       Altenfelden vor der Präsidentenwahl – Österreich im Kleinen.
       
   DIR Österreich vor der Wahl – ein A bis Ö: Wie arg könnt’s werden?
       
       Norbert Hofer könnte nächster Bundespräsident Österreichs werden. Was der
       FPÖler will. Und was man in dem Amt alles anstellen kann.
       
   DIR FPÖ und Medien in Österreich: In der Echokammer
       
       Provokationen gehen immer: Keine andere Partei nutzt Medien so gezielt wie
       die FPÖ. Journalisten braucht sie dafür nicht mehr.
       
   DIR Kommentar zu verzagten Demokraten: Fürchtet euch nicht!
       
       Hofer? Puh. Le Pen? Oh Gott! Wir sollten damit aufhören, die Teufel an die
       Wand zu malen. Das motiviert nur die Falschen.
       
   DIR Vor der Präsidentenwahl in Österreich: „Ich gehe sicher nicht auf die Knie“
       
       Alexander Van der Bellen will bei der Bundespräsidentenwahl erneut den
       FPÖ-Populisten Norbert Hofer schlagen. Eine Begegnung.
       
   DIR Initiative gegen den Sexismus der FPÖ: Er redet vom Brutpflegetrieb
       
       Das Frauenbild von FPÖ-Präsidentschaftskandidat Hofer ist mittelalterlich.
       Der Hashtag #frauengegenhofer will es zum Thema machen.
       
   DIR Wahlkampf in Österreich: Trumps Geist in Wien
       
       Es ist das erste TV-Duell des zweiten Wahlkampfes zwischen Hofer und Van
       der Bellen. Der US-Triumph der Rechten schwingt mit.