URI: 
       # taz.de -- Reaktionen auf Koalitionsvertrag: „Druck von der Straße wird nötig sein“
       
       > Wie reagieren außerparlamentarische Gruppen auf den Koalitionsvertrag von
       > SPD, Linkspartei und Grünen? Fünf Protokolle.
       
   IMG Bild: Rot-Rot-Grün schmeckt nicht jedem
       
       ## „Sozialmieter stärker entlasten“
       
       Sandy Kaltenborn, Kotti & Co: 
       
       „Ohne den Druck von uns und anderen Initiativen wäre vieles an positiven
       Inhalten nicht in den Koalitionsvertrag gekommen. Wir begrüßen die
       Ernennung von Katrin Lompscher (Linkspartei) zur
       Stadtentwicklungssenatorin. Wir hoffen, dass die uns nur zu gut bekannten
       verkrusteten SPD-Strukturen bei der Senatsverwaltung nun ein Ende haben und
       sie endlich im Sinne der Berliner Mieter und Mieterinnen arbeitet.
       
       Aber auch die neue Regierung wird Druck von der Straße nötig haben. Der
       Kampf um das Recht auf Stadt wird auch in den nächsten Jahren vor allem
       durch außerparlamentarische Initiativen vorangetrieben werden müssen.
       
       Wir wissen, dass die SPD-Verhandler dafür verantwortlich sind, dass die
       Zugeständnisse an die Sozialmieter so dürftig ausgefallen sind: Die
       Zinssenkung hätte durchaus zu einer weitergehenden Entlastung der
       SozialmieterInnen führen können. Diese betrifft ohnehin nur noch zirka
       40.000 Sozialwohnungen, weil unter der letzten Regierung Tausende
       Sozialwohnungen abgelöst worden sind.
       
       Die neue Härtefallregelung begrüßen wir: Entlastung gibt es jetzt, wenn die
       Bruttowarmmiete mehr als 30 Prozent des Haushaltseinkommens beträgt, früher
       war es die Nettokaltmiete. Nun kommt es auf deren zügige und
       unbürokratische Umsetzung dieser Pläne an.“ Protokoll: Malene Gürgen
       
       ## „Neubau von Schulen ist prima“
       
       Norman Heise, Landeselternausschuss: 
       
       „Insbesondere was den Schulneubau angeht, gibt uns der Koalitionsvertrag
       Anlass zur Hoffnung. Der Frage, wie man schneller Schulen bauen kann,
       Priorität einzuräumen war überfällig. Und wenn das kreditfinanziert mittels
       einer Landesgesellschaft Schulbau passiert – prima. Allerdings sagen wir
       auch: Entscheidend ist, dass nachfolgende Generationen nicht durch etwaige
       Schulden belastet werden. Dass zum Beispiel die Laufzeiten der Kredite
       nicht länger sind als die Standzeiten der Gebäude.
       
       Ansonsten freuen wir uns natürlich, dass sich unsere alte Forderung nach
       dem freien Hortzugang für alle Kinder im Koalitionsvertrag wiederfindet.
       Wobei wir da kritisch schauen werden: zu welchem Preis? Gelingt es,
       genügend ErzieherInnen zu finden? Grundlegend wird vor allem sein, dass die
       Tarifverträge der Berliner ErzieherInnen endlich an den Bundesschnitt
       angeglichen werden.
       
       Kritisch hingucken werden wir auch beim Thema Schulmittagessen. Die
       Bildungsverwaltung prüft ja eine Erhöhung der Essenspreise. Wenn da jetzt
       im Koalitionsvertrag von einem ‚Konzept‘ für ein ‚flächendeckendes
       subventioniertes Mittagessenangebot‘ die Rede ist, dann sagen wir: Jetzt
       wäre der Zeitpunkt, ein Signal zu setzen und die Erhöhung zu 100 Prozent
       vom Land übernehmen zu lassen.“ Protokoll: Anna Klöpper
       
       ## „Gute Ansätze in der Kultur“
       
       Christophe Knoch, Koalition der Freien Szene Berlin: 
       
       „Wir freuen uns darüber, dass es jetzt mit dem Chef einer der drei
       Koalitionsparteien einen starken Kultursenator gibt. Wir sehen auch in dem,
       was die Koalition in den Vertrag geschrieben hat, einige wirklich gute
       Ansätze. Dass künstlerische Arbeit besser bezahlt werden soll oder dass es
       höhere Ausstellungshonorare geben muss, sind wichtige Punkte. Auch dass es
       grundsätzlich mehr Geld für die Freie Szene geben soll, ist begrüßenswert.
       
       Klaus Lederer wirkt engagiert, er hat schon im Wahlkampf sehr ehrgeizige
       Forderungen vorgelegt. Die Frage ist natürlich jetzt, wie viel er von dem,
       was im Koalitionsvertrag steht, umsetzen kann und wie die Umsetzung konkret
       aussehen wird.
       
       Für die Freie Szene ist es sehr wichtig, dass es gemeinsame und
       verbindliche Gespräche gibt, um für die vielfältige künstlerische
       Produktion in Berlin die Rahmenbedingungen zu verbessern und
       weiterzuentwickeln. Wir sind auch gespannt, wie das Kulturressort
       zugeschnitten sein wird, also wie Klaus Lederer sein Haus organisiert und
       wer StaatssekretärIn wird.“ Protokoll: Leonie Schlick
       
       ## „Hoffnung für die Energienetze“
       
       Luise Neumann-Cosel, BürgerEnergie Berlin eG: 
       
       „In der Koalitionsvereinbarung heißt es: ‚Berlins Energienetze sollen nicht
       länger Energiekonzernen gehören, sondern den Bürger*innen der Stadt‘. Genau
       das ist, was das Stromnetz angeht, unser Anliegen – insofern macht uns die
       Vereinbarung Hoffnung. Offenbar hat Rot-Rot-Grün verstanden, wie wichtig
       das Netz für die Stadt und die Energiewende ist. Im Grunde beugt sich der
       neue Senat damit nachträglich dem Energie-Volksentscheid von 2013.
       
       Ganz einfach ist die Rekommunalisierung des Stromnetzes aber nicht: Das
       vorgeschriebene Konzessionsverfahren, das derzeit stattfindet und an dem
       außer der Vattenfall-Tochter ‚Stromnetz Berlin GmbH‘ die landeseigene
       Berlin Energie und wir als Bürgergenossenschaft teilnehmen, muss
       transparent und diskriminierungsfrei sein. Aber man kann ein politisches
       Ziel formulieren – und selbst wenn Vattenfall die Konzession bekommt, kann
       das Land anschließend mit dem Konzern über einen Verkauf von Netz und
       Konzession verhandeln. Wir werden das Handeln des neuen Senats scharf
       beobachten.“ Protokoll: Claudius Prößer
       
       ## „Wohnungen für Flüchtlinge“
       
       Georg Classen, Flüchtlingsrat: „Dass die neue Koalition weniger abschieben
       will, ist lobenswert. Uns irritiert aber, dass die Ausländerbehörde, die
       für die Durchführung von Abschiebungen zuständig ist, weiterhin der
       Innenverwaltung unterstehen soll. Die Grünen wollten die Behörde der
       Senatsverwaltung für Integration zuordnen, das hätten wir sehr begrüßt. Nun
       ist künftig Innensenator Andreas Geisel (SPD) zuständig, der nicht als
       besonders führungsstark gilt – an der Spitze der Ausländerbehörde steht
       aber ein durchsetzungsstarker Behördenleiter. Da sind die Koalitionspartner
       besonders gefordert, ihre Pläne auch praktisch umzusetzen.
       
       Zum Thema Wohnen von Flüchtlingen: Uns fehlt im Koalitionsvertrag ein
       konkreter Zeitplan, wie man Notunterkünfte, bei denen das möglich ist,
       zügig in Gemeinschaftsunterkünfte umbaut. Da ist im vergangenen Jahr fast
       nichts passiert. Zu ungenau ist uns auch formuliert, wie man künftig den
       Zugang von Flüchtlingen zu normalen Mietwohnungen sichern will. Die
       Menschen leben teils seit über einem Jahr in Notunterkünften, sie kommen
       physisch und psychisch an ihre Grenzen.“ Protokoll: Alke Wierth
       
       22 Nov 2016
       
       ## TAGS
       
   DIR APO
   DIR Schwerpunkt Rot-Rot-Grün in Berlin
   DIR Berlin
   DIR Koalitionsvertrag
   DIR Die Linke Berlin
   DIR Schwerpunkt Rot-Rot-Grün in Berlin
   DIR Schwerpunkt Rot-Rot-Grün in Berlin
   DIR R2G Berlin
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Berliner Senatorin Lompscher (Linke): Auf sie baut Berlin
       
       Für das Schlüsselressort Stadtentwicklung ist Katrin Lompscher zuständig.
       Gelingt es ihr, genug Wohnungen zu bauen und den Mietanstieg zu dämpfen?
       
   DIR Koalitionsvertrag von Rot-Rot-Grün: Gut lesbare Kritik an der SPD
       
       Der Koalitionsvertrag ist richtungsweisend, ohne ideologisch zu sein. Die
       drei Parteien müssen Vertrauen gewinnen – untereinander und bei den
       BerlinerInnen.
       
   DIR Analyse Rot-Rot-Grün in Berlin I: Wozu eine linke Regierung?
       
       Der Koalitionsvertrag steht. Doch was steht drin? Und wer wird davon
       profitieren? Die taz macht den Fakten-Check. Teil 1: Soziales, Migration
       und Bildung.
       
   DIR Rot-rot-grüner Koalitionsvertrag in Berlin: Bau auf, bau auf, bau auf
       
       R2G hat viel vor. In Wohnungen, Schulen und die Verwaltung soll investiert
       werden, die Zeit des Kaputtsparens ist vorbei. Ein Überblick.