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       # taz.de -- Raumfahrt ohne Treibstoff: Unmöglicher Antrieb
       
       > Nasa-Forscher haben einen Antrieb getestet, der die Gesetze der Physik
       > bricht. Er funktioniert. Aber niemand versteht, warum.
       
   IMG Bild: Woher kommt der Antrieb für die Rakete, wenn kein Treibstoff verbrannt wird?
       
       Berlin taz | Wer im All vorankommen will, braucht Treibstoff: Im luftleeren
       Raum bleibt für schnellen Schub meist bisher nur das Rückstoßprinzip –
       irgendwas verbrennen und hinten rausstoßen bringt Bewegung nach vorne. Bei
       der Nasa träumt so mancher von einem Zauberantrieb ohne Treibstoff. Der
       sogenannte EmDrive wurde jetzt erstmals in einer durch Peer Review
       geprüften Studie getestet. Ein Nasa-Team veröffentlichte die Ergebnisse im
       Journal of Propulsion and Power. Das Ergebnis überrascht: Der Antrieb
       funktioniert. Aber keiner weiß so richtig, warum.
       
       EmDrive ist die Abkürzung für Electromagnetic Drive. Der britische Forscher
       Roger Shawyer schlug als Erster vor, dass sich ein Kegelstumpf, in dem man
       Mikrowellen hin- und herspringen lässt, in Richtung des kleineren Endes
       bewegen könnte. Der Versuchsaufbau der Nasa-Forscher sieht aus wie eine
       Hundehalskrause aus Kupfer, die in einer beweglichen Konstruktion
       aufgehängt ist. Als die Forscher die Mikrowellenstrahlung einschalteten,
       konnten sie tatsächlich eine Kraft von 1,2 Millinewton pro Kilowatt messen,
       die den Kegel in eine Richtung bewegte.
       
       Gängige chemische Raketenantriebe erzeugen einen Schub von bis zu 60
       Millinewton pro Kilowatt. Aber dafür, dass der Mikrowellenkegel ohne
       Treibstoff funktioniert, klingt das Ergebnis nicht schlecht. Denn eines der
       größten Probleme beim Antrieb im All ist das enorme Gewicht der
       Treibstofftanks. Der Em-Antrieb könnte sich lohnen. Vorausgesetzt, es
       handelt sich bei den Versuchsergebnissen nicht um irgendeinen großen
       Fehler.
       
       Viele Wissenschaftler vermuten genau das. Denn der EmDrive widerspricht
       einem fundamentalen Prinzip der klassischen Physik: Newtons drittem Axiom,
       dem Gesetz von Aktion und Reaktion. Jede Kraft erzeugt eine gleichgroße
       Gegenkraft. Dank diesem Gesetz kann man sich mit dem Bürostuhl von der Wand
       abstoßen und durchs Zimmer fahren.
       
       ## Solche Ergebnisse werden oft als Fehler entlarvt
       
       Aber beim Mikrowellenkegel fehlt die Kraft, die nach außen wirkt. Für
       manche Forscher klingt die Idee deshalb so, als würde man behaupten, dass
       ein Busfahrer sein Fahrzeug beschleunigen kann, indem er heftig von innen
       gegen die Windschutzscheibe schlägt.
       
       Die Studienautoren liefern auch Ideen, woher die fehlende Energie kommen
       könnte. Zum Beispiel aus einem virtuellen Quantenvakuum – es ist aber nicht
       einmal bewiesen, dass so etwas überhaupt existiert. Die Forscher räumen
       auch selbst ein, dass das, was sie beschreiben, „nicht der vorherrschenden
       Ansicht in der Physik“ entspricht. Sie beschreiben in ihrem Artikel neun
       mögliche Fehlerquellen, von Mini-Luftströmen bis zu magnetischen Störungen
       durch Stromkabel im Raum.
       
       In der Physik gibt es oft Meldungen von Experimenten, die vermeintlich
       physikalische Gesetze brechen. Meistens gehen sie auf fehlerhafte Messungen
       oder unsaubere Experimente zurück. Um das auszuschließen, soll der EmDrive
       weiter getestet werden. Der berühmte Physiker Richard Feynman schrieb
       einmal: „Bei einer erfolgreichen Technologie geht Realität vor PR. Denn die
       Natur lässt sich nicht austricksen.“ In den nächsten Monaten wollen
       Forscher einen Mini-Satelliten im All mit dem Em-Antrieb ausstatten. Mal
       sehen, ob er abstürzt.
       
       27 Nov 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Marie Kilg
       
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