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       # taz.de -- Alternative Geschenke finden: Der vegane Weihnachtsbummel
       
       > In Berlin gibt es rund 80 konventionelle Weihnachtsmärkte. Nachhaltige
       > wie der Anti-Christmas Market am Sonntag bieten eine gute Alternative.
       
   IMG Bild: Auf der Suche nach den einen Bio-Glühwein
       
       Das hölzerne Karussell knarrt bei jeder Umdrehung. Nur ein leises
       Stimmengemurmel und das Knistern eines Feuers trägt der Wind zum Eingang
       des Weihnachtsmarktes auf dem RAW-Gelände in Friedrichshain. Plötzlich
       knistert es lauter, viele erstaunte „Ahs!“ und „Ohs!“ sind zu hören – und
       schon schießen meterhohe Feuerbälle in die kalte Luft.
       
       Die Feuershow ist wohl das Spektakulärste auf dem kleinen mittelalterlichen
       Weihnachtsmarkt. Und der mittelalterliche Weihnachtsmarkt ist wohl einer
       der spektakulärsten in Berlin. Aber zwischen den Ständen „Saufhölle“ und
       „Druidenwald“ fehlt doch ein entscheidender Faktor im hippen Kiez: die
       Nachhaltigkeit.
       
       Denn es gibt viele Weihnachtsmärkte in Berlin: kommerzielle, kulturelle,
       kompakte oder chaotische. Aber welche bieten eine wirkliche Alternative zur
       weihnachtlichen Einkaufswut und den rund 80 konventionellen
       Weihnachtsmärkten in der Stadt?
       
       ## Bio-Bratwürste und vegane Tattoos
       
       Ein Beispiel ist der Green Market: Das Publikum sucht hier vergeblich nach
       Bratwürsten, es sei denn, sie bestehen aus Tofu: „Damals habe ich gern bei
       den veganen Cafés und Restaurants gegessen“, erzählt die Gründerin des
       Green Markets, Stefanie Witt. „Ich fand es aber schade, dass es noch keine
       vegane Alternative zum Weihnachtsmarkt gab.“
       
       Witt entschied sich vor knapp drei Jahren für den veganen Lebensstil. Wenig
       später rief die Eventmanagerin den ersten veganen Weihnachtsmarkt ins
       Leben. Er findet wieder am nächsten Wochenende in Neukölln statt. Zwischen
       veganen Cocktails, Make-up, Kleidung oder Tattoos informieren Initiativen
       oder die Albert-Schweitzer-Stiftung zum bewussten Shoppen.
       
       „Wir wollen die Besucher auf eine nette und moderne Art an die vegane
       Lebensweise heranführen“, sagt Witt. „Ganz undogmatisch und ohne
       moralischen Zeigefinger.“ Dazu dürften die Händler beispielsweise nicht zu
       groß sein wie etwa Bio-Supermärkte und außerhalb des Marktes wenigstens
       vegetarische, auf keinen Fall fleischhaltige Produkte anbieten. Ebenfalls
       ein No-go: Besteck, Geschirr oder Tüten aus Plastik.
       
       Neben dem Green Market wirkt der älteste Umweltweihnachtsmarkt in der
       Sophienstraße etwas altbacken, glänzt aber seit 21 Jahren mit nostalgischem
       Charme. Wie beim Festival of Lights projiziert ein Künstler
       Lichtinstallationen auf die Gemäuer der Sophienkirche. Im Schein der
       Projektionen futtern Besucher Bio-Bratwürste oder naschen indonesische
       Cupcakes. Die aus regionalen Baumpilzen gefertigten Lampen sorgen statt
       Kerzenschein für Licht.
       
       „Die Händler sind die Stars des Markts“, so der Veranstalter Ralf
       Bielefeldt: „Wir sind Dienstleister, die solchen gemeinnützigen Projekten
       eine Plattform bieten.“ Dafür senken sie die Standmieten oder unterstützen
       einzelne Projekte mit Geldspenden.
       
       ## Gegen Exzess und Kommerz
       
       Einen guten Zweck erfüllt auch der Anti-Christmas Market – er fördert
       lokale Künstler. Die Veranstalter, das internationale Künstlerkollektiv
       ESDIP, will „unbekannte Handwerker, Künstler und Geschäfte fördern“,
       erzählt María Luján. „Und wir wollen die Leute dazu ermutigen, bewusste und
       verantwortungsvolle Kunden zu sein.“
       
       ESDIP möchte einen Ort für diejenigen schaffen, die sich gegen den „Konsum,
       Exzess und Kommerz“ zu Weihnachten stellen. Die lokalen Künstler verkaufen
       dafür handgefertigten Metallschmuck, Siebdruck-Punkrockposter oder
       bestickte Kleidung, für die kein Tier leiden musste.
       
       Der Kreuzboerger Weihnachtsmarkt wiederum legt sein Augenmerk nicht so sehr
       auf Designstücke, dafür auf Wiederverwertung. Secondhand stapelt sich hier
       neben kommerzieller Mode. Internationale und Berliner Künstler ergänzen das
       Programm.
       
       ## Geschenke selbst basteln
       
       Das kleine Extra des Rodeo-Markts ist das Selbermachen von Geschenken. Auch
       wenn das weniger zur Nachhaltigkeit passt, verdient es, erwähnt zu werden:
       Gebastelt ist doch schöner als gekauft.
       
       Schlussendlich reiht sich dann doch der RAW-Weihnachtsmarkt in die
       Auflistung ein. Denn sind Erlebnisse nicht eine schönere und nachhaltigere
       Form des Konsums? Statt hastig nach Geschenken zu suchen, könnte man auch
       einfach entspannt eine aufregende Feuershow genießen. Für die, die sich
       damit nicht anfreunden können: Ach, fahrt doch zur (Sauf-)Hölle!
       
       10 Dec 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Lisbeth Schröder
       
       ## TAGS
       
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