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       # taz.de -- „Pferd & Jagd“-Messe in Hannover: Männer töten, Frauen füttern
       
       > Wenige grauhaarige Männer auf der einen, unzählige junge Frauen auf der
       > anderen Seite. Die „Pferd & Jagd“ strotzt nur so vor Klischees.
       
   IMG Bild: Bambi im Gepäck: Auf der „Pferd & Jagd“-Messe findet jedeR die richtige Ausrüstung fürs Hobby
       
       Gummistiefel, paramilitärisches Flecktarn, dicke Socken und immer wieder
       karierte Hemden, dazwischen Geländewagen der russischen Marke Lada und –
       Fleischwölfe: Schon ein erster Blick in die Halle 19 der Hannover-Messe
       zeigt, warum das Jagen zumindest in urbanen Milieus nicht gerade angesagt
       ist.
       
       Am Eröffnungstag der „Pferd & Jagd“, laut Eigenwerbung „Europas größte
       Messe für Reiten, Jagen, Angeln“, findet nur wenig Publikum zu den
       Waidmännern. Zum überwiegenden Teil ist es männlich und alt – Grau ist die
       beherrschende Haarfarbe.
       
       „Nichts los hier“, stöhnt deshalb ein Verkäufer am Stand des zum
       Versandhändler Otto gehörenden Marktführers Frankonia. Die Firma ist eine
       Art Amazon für Deutschlands 374.000 Jagdscheininhaber, verkauft Hunderte
       Arten von Gewehren, Pistolen und Revolvern, aber auch Munition, Fernrohre
       und Kleidung – und macht damit weit mehr als 100 Millionen Euro Umsatz.
       
       Fast menschenleer sind die Messestände der Waffenhersteller Sauer und
       Blaser – billig ist das Hobby nicht. Für gebrauchte Flinten werden mehr als
       1.000 Euro aufgerufen.
       
       Wer große Kaliber „für Büffel und Elefant“, Edelholzschäfte oder aufwändige
       Gravuren etwa mit den Motiven „Rehwild“ oder „Fuchs mit Ente“ wählt, kann
       für ein Jagdgewehr auch 20.000 Euro und mehr auf den Tisch legen.
       
       Trotzdem: Beim Hersteller Krieghoff versucht ein Mann, seinen Sohn für
       Knarren zu begeistern. „Du musst den Lauf in deine Schulter pressen“, mahnt
       er. „Sonst haut dich der Rückschlag um.“
       
       ## Pferdedressur für Dummies
       
       Weitaus besser frequentiert ist dagegen der Pferdebereich der
       Verbrauchermesse, zu der über 850 Aussteller mehr als 90.000 Menschen in
       Niedersachsens Landeshauptstadt erwarteten – Tierliebhaber können die Jäger
       ganz einfach umgehen.
       
       Hier stellen Frauen und Mädchen mindestens drei Viertel der BesucherInnen.
       Versandhändler bieten alles vom Zaumzeug über Reitgerten bis zu
       Steigbügeln. Hersteller wie Uvex verkaufen Helme, gern auch für 390 Euro
       mit silber- oder goldfarbenem Strassbesatz.
       
       Mit viel Pink präsentiert wird der neue „Wendy“-Pferdefilm, der im Januar
       in die Kinos kommt. Traktoren (ab 20.000 Euro) und Pferdeanhänger (ab 4.500
       Euro) interessieren ebenso wenig wie SUVs von Jaguar oder Volvo (ab 43.500
       Euro).
       
       Umringt sind dagegen Vorführungen etwa aus dem „Bereich „Natural
       Horsemanship“, bei denen Trainerinnen erklären, wie Pferden auch
       unnatürliche Bewegungsabläufe wie angedeutete Verbeugungen andressiert
       werden können.
       
       Zum Verkauf stehen Stiefel und Hüte ebenso wie Western-Klamotten. Wer will,
       kann sich problemlos in einen Hillbilly des mittleren Westens verwandeln –
       für 110 Euro im Angebot sind auch „Chaps“, die Wikipedia als „lederne
       Beinkleider ohne Gesäßbesatz, die von Cowboys beim Reiten getragen werden“
       beschreibt.
       
       ## Anti-Stress-Tee für Pferde
       
       In Schlangen stehen besonders jüngere Frauen vor einem Stand, der
       eimerweise „Pferdeleckerli“, teilweise in Herzform und in den
       Geschmacksrichtungen Apfel-Zimt, Erdbeer, Minze, Banane oder Papaya,
       vertickt. „Supergeil“ seien die, erklärt eine: „Die Viecher fahren da voll
       drauf ab.“
       
       Auch wenn Anti-Stress-Kräutermischungen (für Pferde!) oder Solevernebler,
       die für „Meeresklima im Stall“ sorgen sollen, weniger beliebt sind: Nach
       Rechnung der Reiterlichen Vereinigung sorgen die 1,6 Millionen
       PferdesportlerInnen der Republik für mehr als fünf Milliarden Euro Umsatz
       im Jahr.
       
       Immerhin: Dieser Markt dreht sich um das zumindest vermutete Wohl der Tiere
       – und nicht wie bei den Waidmännern nebenan um deren Tötung.
       
       Die Jagdlobby kennt ihre Imageprobleme natürlich. Gerade in Niedersachsen,
       wo militante Tierschützer auch schon mal Hochsitze in die Luft sprengen,
       müssen Jäger immer wieder politische Attacken parieren: Erst Ende November
       hat die rot-grüne Landtagsmehrheit eine Gesetzesnovelle eingebracht, mit
       der bleihaltige Munition verboten, Schalldämpfer dagegen erlaubt werden
       sollen – dabei gelten die in Jägerkreisen als typische Ausstattung von
       Wilderern.
       
       Innerparteilich gescheitert sind Niedersachsens Spitzengrüne um die
       Landesvorsitzende Meta Janssen-Kucz mit ihrem Versuch, sämtliche
       Schusswaffen aus Häusern und Wohnungen zu verbannen – zu groß war der
       Widerstand von Parteifreunden aus dem ländlichen Raum.
       
       „Es ist Unfug, wenn ein Jäger nicht an seine Waffen kommt“, polterte etwa
       der grüne Bürgermeister von Suderburg in der Lüneburger Heide, Hans-Hermann
       Hoff, in der lokalen Allgemeinen Zeitung. Schließlich seien die Waidmänner
       dazu verpflichtet, von Autos angefahrenes Wild zu jeder Tages- und
       Nachtzeit „zu erlösen“.
       
       ## Schwerer Wahlkampf für die Grünen
       
       Schon über ein Jahr vor der niedersächsischen Landtagswahl machten die
       Waffenbesitzer heftig Stimmung gegen die Grünen, warnte auch der Grüne
       Markus Jordan aus Uelzen beim Landesparteitag Anfang Dezember in Oldenburg:
       „Viel Spaß beim Wahlkampf.“
       
       Parallel versuchen die Jäger, die in der Saison 2015/16 allein in
       Niedersachsen rund 100.000 Rehen und mehr als 40.000 Wildschweinen den
       Garaus machten, sich als Naturschützer zu inszenieren.
       
       Gleich vier von der öffentlich-rechtlichen VGH-Versicherung gesponserte
       „Umweltpreise“ konnte der Präsident der Landesjägerschaft, der
       Massentierhalter und CDU-Landtagsabgeordnete Helmut Dammann-Tamke, bei der
       „Pferd & Jagd“ an seine Waidmänner vergeben – für die Errichtung von
       Feuchtbiotopen und eines Bienenlehrpfads ebenso wie für die Versetzung
       eines absturzgefährdeten Seeadlerhorsts.
       
       Der erste Preis aber ging an Fallensteller, die Marder wie Wiesel jagen und
       damit die Nester und Eier von bodenbrütenden Vögeln wie Drosseln oder
       Lerchen schützen wollen.
       
       „Tu Gutes und rede darüber“, sagt der Oberjäger Dammann-Tamke dazu. Wenn’s
       hilft.
       
       Offenlegung: Der Autor ist kein Jäger, lebt aber nicht vegetarisch. An Wild
       isst er am liebsten Hirsch.
       
       12 Dec 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Wyputta
       
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