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       # taz.de -- Debatte China und die USA: Trumps wichtigste Gläubiger
       
       > Die chinesische Parteiführung ist Donald Trump wohlgesinnter, als es
       > derzeit scheint. Schließlich könnte er dem Land noch nutzen.
       
   IMG Bild: Der Affront: Trump telefoniert mit der taiwanischen Präsidentin. Peking sympathisiert trotzdem mit ihm
       
       Kaum war Donald Trump in den USA gewählt, verbreitete sich im
       [1][chinesischen Internet ein Video] wie ein Lauffeuer. Darauf zu sehen war
       seine Enkeltochter Arabella, die in einer chinesischen Tracht ein Gedicht
       der Tangdynastie aufsagt. Mutter Ivanka hatte das Video im vergangenen
       Februar anlässlich des chinesischen Neujahrsfests ins Netz gestellt. „Der
       süße Engel liebt chinesische Kultur“, freute sich ein Nutzer. „Heißt die
       Trumps in China willkommen“, postete ein weiterer. Das Staatsblatt Global
       Timeshatte das Video zu Ehren von Trumps Wahlsieg ins Netz gestellt.
       
       Dieser Jubel überrascht. Hatte Trump nicht schon im Wahlkampf heftig gegen
       China gewettert? Ist er es nicht, der den Chinesen auch nach seiner Wahl
       vorwirft, ihre Währung zu manipulieren, um sich auf dem Weltmarkt mit
       Billigexporten einen Handelsvorteil zu erschleichen? „China vergewaltigt
       unser Land“, hatte er im Wahlkampf gepoltert – und auch jetzt hält er daran
       fest, innerhalb der ersten 100 Tage im Amt prüfen zu wollen, ob China wegen
       Manipulation nicht an den Pranger gestellt werden kann. Einen
       45-prozentigen Strafzoll will er auf chinesische Importe erheben.
       
       Und nun auch noch dieser Affront: Trump [2][telefoniert ganz offiziell mit
       der taiwanischen Präsidentin Tsai Ing-wen] und lässt sich von ihr zu seiner
       gewonnenen Wahl gratulieren. Das ist das erste Mal seit mehr als 40 Jahren,
       dass ein offiziell gewählter US-Würdenträger mit der sogenannten
       Ein-China-Politik bricht. Sowohl die Regierung der Volksrepublik als die
       auf der vorgelagerten Insel Taiwan beanspruchen für sich, die rechtmäßige
       Regierung der Chinesen zu sein. Im Jahr 1979 hatten die USA die
       diplomatischen Beziehungen zur Insel Taiwan gekappt. Das war Pekings
       Bedingung, um formell Beziehungen mit den USA aufzunehmen. An dieser
       Politik hatte seitdem kein US-Präsident gerüttelt – auch wenn Washington
       Taiwan informell weiter unterstützt und unter anderem Waffen liefert.
       
       ## Trump ist nicht Clinton
       
       Hätte Hillary Clinton die US-Wahl gewonnen und es gewagt, offiziell mit
       Taiwans Präsidentin zu telefonieren – Peking hätte geschäumt. Die
       chinesische Führung hält Clinton für hintertrieben und berechnend. Sie
       steht aus Pekinger Sicht für den Versuch der USA, China in der
       Asien-Pazifik-Region zu isolieren.
       
       Mit Trump hingegen sympathisierte Peking bislang. Die chinesische Kritik
       gegen ihn hat am Montag in den chinesischen Staatsmedien zwar deutlich an
       Schärfe gewonnen. Doch auf seine harschen Worte reagiert die chinesische
       Führung für ihre Verhältnisse recht moderat. Er sei außenpolitisch halt
       noch nicht so erfahren, heißt es. Offenbar setzt Peking darauf, dass Trump
       früher oder später schon von selbst darauf kommen wird, dass er sich und
       seinem Land mehr schaden würde, sollte er seine Drohungen wahrmachen.
       
       Trumps Vorwurf, China halte seine Währung künstlich niedrig, lässt sich
       schon seit geraumer Zeit nicht mehr aufrechterhalten. Der Yuan ist
       inzwischen sehr viel mehr vom Markt getrieben als noch vor ein paar Jahren,
       als die chinesische Führung tatsächlich versuchte, ihre Währung künstlich
       niedrig zu halten. Die aktuelle Schwäche des Yuan zum Dollar ist darauf
       zurückzuführen, dass die US-Konjunktur derzeit verhältnismäßig robust und
       eine Wende der US-amerikanischen Niedrigzinspolitik abzusehen ist. Der
       Dollar hat in den vergangenen Monaten zu ziemlich allen Währungen an Wert
       gewonnen, allen voran zum Euro. Dass China seine Währung manipuliert, ist
       momentan nicht zu erkennen.
       
       Der angedrohte Strafzoll wiederum würde vor allem Amerikaner mit niedrigem
       Einkommen treffen – also auch viele, die Trump gewählt haben. Sie sind
       dankbar für die Billigware aus der Volksrepublik. Zudem könnte China zum
       Gegenschlag ausholen. Für Boeing, Apple und General Motors ist das Reich
       der Mitte der wichtigste Absatzmarkt.
       
       Vor allem aber weiß Peking um die finanzielle Abhängigkeit der USA von
       China. Die Volksrepublik ist abgesehen von der US-Zentralbank Fed derzeit
       der größte Gläubiger der US-Regierung. Auf mehr als eine Billion Dollar
       wird Chinas Anteil an US-Staatsanleihen vermutet. Diesen Aufkauf finanziert
       Peking unmittelbar über seine Exportüberschüsse an die USA. Brechen diese
       Einnahmen ein, kauft China den USA auch keine Schulden mehr ab. Trump würde
       seinen Hauptfinanzier verlieren.
       
       ## Bilateralität statt TPP
       
       Doch ist sich Chinas Führung nicht nur sicher, dass Trump seine Drohungen
       gar nicht umsetzen wird. Zumindest, bis er die Taiwanfrage aufgeworfen hat,
       freute man sich in Peking geradezu auf seine Amtszeit. Denn als eine seiner
       ersten Amtshandlungen will er die Verhandlungen über die Transpazifische
       Partnerschaft (TPP) stoppen. Sieben Jahre lang hatte sein Vorgänger mit den
       Pazifikanrainerstaaten um den größten Wirtschaftsraum der Welt verhandelt.
       Fast alle Zoll- und Importschranken sollten fallen. Zusammen hätten die
       TPP-Staaten 800 Millionen Menschen und 40 Prozent der Weltwirtschaft
       abgebildet. Nur China sollte nicht dabei sein. TPP war bewusst als Gegenpol
       zur aufstrebenden Wirtschaftsmacht vorgesehen.
       
       Trump hat angekündigt, dieses Mammutprojekt zu kippen. Er wolle stattdessen
       über bilaterale Handelsverträge verhandeln. Die chinesische Führung
       wiederum wirbt nun umso kräftiger für das von ihr initiierte
       Freihandelsabkommen der Regionalen Umfassenden Partnerschaftsvereinbarung
       (RCEP). Die umfasst die meisten Länder Asiens plus die Pazifikstaaten
       Australien und Neuseeland. Die USA sind nicht dabei.
       
       Eine Ironie der Geschichte: Ausgerechnet das sich nach wie vor als
       kommunistisch bezeichnende China wird zum Vorreiter des freien Handels. Die
       USA hingegen schirmen sich unter Trump vom Rest der Welt ab. Ohne große
       Mühe kann Peking die Lücken füllen, die Washington hinterlassen wird – und
       Chinas Rolle als zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt noch weiter festigen.
       
       Kein Wunder, dass Peking über Trumps Telefonat mit Taipeh zwar verärgert
       ist, aber nicht wie sonst bei der Taiwanfrage gleich in die Luft geht. Noch
       hat Trump einen Anfängerbonus. Bei der Taiwanfrage könnte er ihn aber rasch
       verspielen.
       
       13 Dec 2016
       
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