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       # taz.de -- „Charlie Hebdo“ in Deutschland: „Querköpfig auf die Welt gucken“
       
       > Die erste deutsche „Charlie Hebdo“ liegt in den Kiosken. Was das Magazin
       > in Deutschland zu suchen hat – und warum sich die Redaktion keine Grenzen
       > setzt.
       
   IMG Bild: Titelbild der deutschen Ausgabe mit Covergirl Angela Merkel
       
       taz: Frau Schneider, seit Donnerstag liegt die erste Ausgabe der deutschen
       Charlie Hebdo in den Kiosken. Wie kam es zu der Idee? 
       
       Minka Schneider: Nach dem Anschlag haben wir aus dem Ausland unfassbare
       Solidarität erfahren, vor allem aus Deutschland. Die Zeichner wurden zu
       Veranstaltungen eingeladen, ihnen wurden Künstlerresidenzen angeboten, es
       gab eine Mahnwache in Berlin. Die Ausgabe der Überlebenden eine Woche
       danach wurde in Deutschland 70.000 mal verkauft. So kam natürlich die
       Überlegung auf: Haben die Deutschen vielleicht den ähnlichen Humor – oder
       den Bedarf danach..
       
       Achten Sie bei der deutschen Zielgruppe auf Tabus oder Grenzen? 
       
       Wir machen uns keine Platte, ob etwas politisch korrekt ist oder nicht.
       Auch nicht für die deutsche Ausgabe. Da gibt es keine Grenzen.
       
       Es kommt immer wieder zu Kritik, zuletzt vor dem Hintergrund der
       Karikaturen der Erdbeben-Opfer in Italien und der Karikatur des toten
       Flüchtlingsjungen Aylan. Wie positionieren Sie sich? 
       
       Schwarzer Humor bleibt einem immer im Hals stecken. Das muss irgendwas mit
       einem machen. Das Furchtbare ist ja nicht die Zeichnung, sondern das, was
       der Zeichnung zu Grunde liegt.
       
       Was erhoffen Sie sich von der deutschen Ausgabe? 
       
       Man muss wissen, Charlie bringt in Frankreich nicht alle Leute zum Lachen.
       Im Gegenteil, Charlie war früher eher ein Außenseiterblatt. Das haben
       einige schräge Vögel gelesen und nicht jeder hat es verstanden oder gut
       gefunden. Uns ist nicht daran gelegen ein Massenphänomen zu provozieren –
       oder dass alle uns lustig finden müssen. Aber es gab immer Leute, die sich
       in dem Blatt wiedergefunden haben, die querköpfig auf die Welt gucken und
       sich so in Charlie wiederfinden. Ich bin gespannt, ob es die in Deutschland
       auch gibt.
       
       Wie viel Vorlauf hat es für die erste Ausgabe gebraucht?
       
       Anfang des Jahres war die Idee geboren. Dann gab es zwei redaktionsinterne
       Testnummern. Wir haben unter realen Redaktionsbedingungen gearbeitet.
       Zwischen dem französischen und dem deutschen Redaktionsschluss liegt nur
       ein Tag. Ein Tag, um alles zu übersetzen und das gesamte Layout anzupassen.
       
       Welche Herausforderungen stellen sich bei der praktischen Umsetzung? 
       
       Wir untertiteln nicht einfach die französischen Comics und Bildgeschichten,
       sondern entfernen den französischen Text und setzen den deutschen ein. Das
       macht der Layouter, ein absolutes Genie. Teilweise arbeitet er die Sachen
       mit Tusche sogar nach. Die Zeichner arbeiten nämlich nicht mit einem
       Graphic Pad, sondern mit Schere und Pinsel.
       
       Wie grenzt sich Charlie Hebdo von Magazinen wie Titanic und Eulenspiegel
       ab? 
       
       Unser Ansatz ist: Auf Deutschland schauen, aber mit einer französischen
       Brille. Das macht den Unterschied: Wenn man von außen drauf guckt, sieht
       man Sachen, die man von innen gar nicht mehr wahrnimmt.
       
       Ist dennoch eine Zusammenarbeit mit deutschen Textern und Karikaturisten
       geplant? 
       
       Ja, ich bin schon dabei bei der Titanic abzuwerben (lacht). Nein, das
       nicht, aber wir sind schon in Kontakt mit den Leuten. Wir suchen vor allem
       Pressezeichner, die Reportagen machen, also vor Ort und mitzeichnen. Als
       die Flüchtlinge aus dem aufgelösten Camp in Calais an einer Metro-Station
       in Paris ankamen, war ein Zeichner fünf Tage in Folge dort und hat
       gezeichnet. Dieses Genre, gibt es in Deutschland fast nicht mehr.
       
       1 Dec 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Nora Belghaus
       
       ## TAGS
       
   DIR Charlie Hebdo
   DIR Satire
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   DIR Schwerpunkt Islamistischer Terror
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