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       # taz.de -- Machtkampf der Fatah in Palästina: Opposition muss draußen bleiben
       
       > Steht die Fatah vor der Spaltung? Beim Parteitag hat sich der Konflikt
       > zwischen Abbas und seinem Rivalen Dahlan weiter zugespitzt.
       
   IMG Bild: Reich und einflussreich: Abbas' ärgster Widersacher Mohammad Dahlan
       
       Ramallah taz | Im Büro von Haitham Chalabi riecht es nach kaltem
       Zigarettenrauch, auf dem Tisch zwischen Sofa und Lehnstühlen stehen
       halbleere Kaffeetassen. Chalabi ist Mitglied im Revolutionsrat der Fatah.
       Zum fünftägigen Parteitag, der am Samstagabend in Ramallah mit der Wahl
       eines neuen Revolutionsrates und des Zentralkomitees zu Ende ging, war er
       nicht eingeladen. Chalabi gehört zu den Nachwuchspolitikern der Partei und
       zum Kreis um Mohammad Dahlan, den ärgsten Rivalen von
       Palästinenserpräsident Mahmud Abbas.
       
       Schon am ersten Tag des Parteikongresses ließ sich der 81-jährige Abbas
       ohne Gegenkandidaten als Vorsitzender der Fatah bestätigen. Chalabi spricht
       von der „großen Show des Mahmud Abbas“. Mit Demokratie habe das wenig zu
       tun. Sobald die Stimmen für die höchsten Parteigremien ausgezählt sind,
       wird Chalabi seine Mitgliedschaft im Revolutionsrat verlieren. Dennoch
       zeigt er sich zuversichtlich: „Ich werde politisch eher mächtiger sein“,
       sagt er. „Wir müssen an den Wurzeln arbeiten und uns von diesen Strukturen
       befreien.“ Es könne nicht sein, „dass nur ein Mann entscheidet“.
       
       Seit acht Jahren amtiert Abbas ohne demokratisches Mandat als Präsident.
       2007 zerbrachen das Parlament und die Regierung, damals unter Führung der
       islamistischen Hamas, die die Parlamentswahlen ein Jahr zuvor gewonnen
       hatte. Abbas ist gleichzeitig Palästinenserpräsident, PLO- und Fatah-Chef.
       Er regiert per Dekret, entlässt und ernennt willkürlich Minister. Vor drei
       Jahren schasste er den international anerkannten Regierungschef Salam
       Fayyad.
       
       Mohammad Dahlan, sein schärfster Kritiker, war auf Weisung von Abbas schon
       2011 aus der Partei ausgeschlossen worden und musste kurz darauf das
       Westjordanland verlassen. Abbas machte ihn für den angeblichen Mord an dem
       legendären PLO-Chef Jassir Arafat mitverantwortlich.
       
       ## Druck auf Abbas aus dem Ausland
       
       Ägypten, Jordanien und Saudi-Arabien drängen Abbas zur Versöhnung mit
       Dahlan. Trotzdem entschied der Fatah-Chef, seinen Rivalen und dessen
       Verbündete vom Parteitag fernzuhalten. Dutzende Delegationen aus dem
       Ausland waren nach Ramallah gekommen, was kaum darüber hinwegtäuschte, dass
       die internationale Rückendeckung für den Palästinenserpräsidenten
       schwindet. Die arabischen Nachbarn zürnen Abbas, weil er sich ihren
       Vermittlungsanstrengungen und auch ihrem Einsatz für Verhandlungen mit der
       Hamas verweigert.
       
       Gleichzeitig macht die inner-palästinensische Opposition gegen den Chef
       mobil. Bei dem parteiinternen Zwist geht es nicht um Strategien, sondern um
       Macht und echte demokratische Prozesse, bei denen die Basis mitredet.
       
       Seit der Rückkehr der Führung der Palästinensischen Befreiungsorganisation
       (PLO), die Mitte der neunziger Jahre aus dem Exil kam, kämpft die junge
       Generation der Fatah gegen die alte Garde. Aus Zorn über seine Widersacher
       ließ Abbas laut der liberalen israelischen Tageszeitung Haaretz jüngst
       „hunderte Gehälter von Angestellten der Palästinensischen Autonomiebehörde
       (PA) im Gazastreifen“ einfrieren.
       
       „Es geht nicht um hunderte sondern nur um 13 Leute, die offen gegen Abbas
       sprechen“, kontert Dr. Jamal Nazzal, Sprecher der Fatah in Europa. „Diese
       Leute arbeiten gegen die legitime Führung des Landes, deshalb sind sie
       gekündigt worden.“ Nazzal, der eigens zum Parteitag nach Ramallah reiste,
       hält die Kritik an den Organisatoren des Parteitags für übertrieben. „Wir
       haben keine Befragung unter den Delegierten vorgenommen, bevor sie
       eingeladen wurden.“ Die Kongressteilnehmer repräsentierten die Basis der
       Partei, beharrt er, ohne zu erklären, warum mehrere Dutzend Mitglieder des
       Revolutionsrats und des Zentralkomitees vom Parteitag ausgeschlossen waren.
       „Es gibt Nachholbedarf“, räumt der Fatah-Sprecher aber ein. Die Partei
       müsse verjüngt werden, außerdem müssten „mehr Frauen“ in die
       Führungsgremien gewählt werden.
       
       ## Analyst befürchtet Zuspitzung des Konflikts
       
       „Keine weise Entscheidung“ nennt der politische Analyst Dschihad Harb die
       Zusammenstellung der Delegiertenliste für den Fatah-Kongress. Für Dahlan
       und seine Anhänger sieht Harb zwei Möglichkeiten: „Entweder sie halten
       einen alternativen Parteitag möglicherweise in Kairo ab, oder sie spalten
       die Fatah.“
       
       Dahlan gewinne an Popularität vor allem im Gazastreifen. „Er ist ein Freund
       des (ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah) al-Sisi“, bei dem er
       durchgesetzt habe, den Grenzübergang für zwei Wochen zu öffnen. Er gilt
       zudem als erfolgreicher Geschäftsmann, der über so viel Geld verfüge, dass
       er den nun brotlos gewordenen Gegnern von Abbas unter die Arme greifen
       kann. Der Analyst fürchtet eine Zuspitzung des Konflikts.
       
       Schon vor gut einer Woche sei es beinahe zu einem Schusswechsel gekommen,
       als palästinensische Polizisten im Flüchtlingslager al-Amari bei Ramallah
       eine Versammlung von Abbas-Gegnern auflösten. „Ich bekommen täglich
       Textbotschaften mit Drohungen“, berichtet Dimitri Diliani, der mit 43
       Jahren „das jüngste Revolutionsratsmitglied“ gewesen sein will bis zu den
       Wahlen am Wochenende.
       
       Diliani ist ins Büro von Haitham Chalabi gekommen, um mit anderen
       Abbas-Oppositionellen über weitere Schritte zu beraten. Die Stimmung ist
       geladen. „Abbas hat eine Autokratie aufgebaut, die im palästinensischen
       politischen System ohne Beispiel ist.“ Noch vor dem Parteitag hätte der
       Revolutionsrat in einer Sondersitzung die Teilnehmerliste absegnen müssen,
       was aber nicht passiert sei. „Es gab Leute, die haben Arafat einen Diktator
       geschimpft“, sagt Diliani. „Im Vergleich zu Abbas war Arafat ein
       Weltmeister der Demokratie.“
       
       4 Dec 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Susanne Knaul
       
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