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       # taz.de -- Rockerszene in Bewegung: Die Angstmacher
       
       > Rocker gelten als Garanten der Stabilität im Rotlichtviertel und stehen
       > gleichzeitig für eine Kultur der Einschüchterung
       
   IMG Bild: Die Kutte von Hannovers Hell's Angels-Boss Frank Hanebuth, bevor seine Ortsgruppe verboten wurde. Inzwischen gibt es eine Neuauflage
       
       HAMBURG taz | Warum Rocker? Warum beschäftigt sich eine Zeitung wie die taz
       mit diesen Typen in Lederwesten?
       
       Rockerkriege und Rockerkönige finden sich gemeinhin in den
       Blaulicht-Reportagen und auf den Titelseiten der Boulevard-Blätter. Die
       verruchte Welt des Rotlichts ist aufregend, lokale Bandengrößen prominent,
       einflussreich oder schrill – zum Crime gesellt sich Rock'n'Roll und
       manchmal sogar Sex. Eine Coolness wie aus „Easy-Rider“ – bei regulären
       Motorradclubs mag es darum gehen.
       
       Anziehend ist aber vor allem das Leben der selbst ernannten Gesetzlosen
       unter den Rockerclubs, der „Outlaws“ und „One-Percenter“, wie sie sich
       selbst bezeichnen. Ihre vermeintliche Opposition zu Staat, Polizei und
       Autorität scheint manchmal bis in links-alternative Kreise hinein zu
       beeindrucken.
       
       Nun gibt es viele Gründe, sich den falschen Zwängen der
       spätkapitalistischen Gesellschaft entziehen zu wollen. Das Leben aber, das
       kriminelle Rockergangs bieten, kehrt gesellschaftliche Befreiung in ihr
       Gegenteil: Es bedeutet Unfreiheit, Zwang, Gewalt und Abhängigkeit – für
       diejenigen, die sich mit Gangs wie etwa den Hells Angels anlegen, aber
       ebenso für die Mitglieder dieser Gangs.
       
       Kriminelle Rockergangs stehen für eine Kultur, in der starke oder besonders
       brutale Männer das Sagen haben. Gehorsam, Ehre, Hierarchie und archaische
       Männlichkeit aber sind besonders für Hooligans und Neonazis attraktiv. So
       hat sich eine Mischszene entwickelt, in der Neonazis Zugriff haben auf die
       Logistik der organisierten Kriminalität. Rockerbanden-Mitglieder, ob von
       den Hells Angels oder Gremium MC, Deutschlands größtem Outlaw-Club, fangen
       an, sich im Zuge des gesellschaftlichen Rechtsrucks reaktionär zu
       positionieren und – ausgerechnet! – für mehr Ordnung oder die Sicherheit
       deutscher Frauen zu demonstrieren.
       
       Wenige Taten wie zuletzt in Hamburg reichen, um das Image zu formen: Rocker
       wie die Hells Angels sind zu Mordanschlägen auf Konkurrenten bereit – im
       Zweifel auch auf offener Straße, mitten auf der Reeperbahn. Ableger der
       Rockergruppe gibt es auf der ganzen Welt – wobei auch Charter, deren
       Mitglieder „sauber“ bleiben, zu Dominanz und Reviermarkierung beitragen.
       
       Hört man MitarbeiterInnen von Beratungsstellen gegen Zwangsprostitution zu,
       dann ist das oft das Problem: Frauen, die sich zu Beginn noch freiwillig
       prostituierten, dann aber aussteigen wollen, spüren die Drohung: „Wo willst
       du dich vor uns verstecken?“ Männerbanden wie die Rockergangs sind der
       Grund, warum alle Bemühungen einer Liberalisierung der Prostitution
       zugunsten von selbstbestimmter Sexarbeit überwiegend ins Leere laufen.
       
       Um kriminelle Rockergruppen besser verfolgen zu können, will die
       Bundesregierung das Vereinsgesetz ändern. Oft kommt man den Gangs nur mit
       lokalen Verboten bei, seit einem Urteil des Bundesgerichtshof Mitte 2015
       aber gilt: Nur Abzeichen des verbotenen Ablegers sind jeweils tabu. Wenn
       Rocker sich Kutten mit einem anderen Ortsnamen anziehen, hat die Polizei
       keine Handhabe. Die Bundesregierung will das ändern.
       
       Seit einigen Jahren ist die Rockerszene in Bewegung geraten. Nicht nur,
       dass die lange weiß geprägten Hells Angels um Migranten werben, weil sie
       sich Sorgen um den Nachwuchs machen. Es tauchen Gruppen wie die Mongols
       oder der Osmanen Germania Boxclub auf, deren Mitglieder sogar überwiegend
       einen Migrationshintergrund haben. Die Akzeptanz der Polizei gegenüber
       diesen migrantischen Gruppen ist jedoch deutlich weniger ausgeprägt als die
       Aktzeptanz gegenüber den Hells Angels.
       
       Bis es zu den öffentlichen Gewaltausbrüchen kam, hatte sich die Hamburger
       Polizei mit deren Präsenz auf dem Kiez zumindest arrangiert. In Hannover
       war Hells Angels-Boss Frank Hanebuth ein gern gesehene Prominenter, und im
       niedersächsischen Walsrode, wo die Machtübernahme der Hells Angels
       bundesweit für Schlagzeilen gesorgt hatte, gelten die Rocker-Kritiker bis
       heute als Nestbeschmutzer.
       
       Auch in Bremen ließen sich Lokalpolitiker durch den Auftritt einer
       Rocker-Größe im Stadtteil-Parlament beeindrucken. Mitglieder der Hells
       Angels waren bei der Renovierung einer Lokalität in einem Parzellengebiet
       nach langer Zeit wieder öffentlich in Erscheinung getreten . Die Nachbarn,
       so hieß es, seien teilweise ganz froh über die Präsenz der Rocker, sie
       erhoffen sich einen Rückgang der Einbruchskriminalität.
       
       Was für ein fataler Fehlschluss!
       
       Den ganzen taz.nord-Schwerpunkt zur Rocker-Szene lesen Sie in der taz.am
       Wochenende oder [1][hier].
       
       16 Dec 2016
       
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   DIR Georg Kirsche-Humboldt
       
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