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       # taz.de -- Kolumne Ich meld mich: Triumph-Geheul an Band Nr. 11
       
       > Es ist der Gau: Rucksack am Band vergessen – mit Zweitkamera,
       > Aufnahmerekorder, das Buch mit Notizen und Ideen einer Recherchereise.
       
   IMG Bild: In Wartestellung, verlorenes Handgepäck inclusive
       
       Ankunft Flughafen Frankfurt. Passkontrolle. Koffer vom Gepäckband. Kurzes
       Telefonat. Dann schnell losziehen, Zug noch erwischen.
       
       15 Minuten und viele Rolltreppen und Gänge später: Fernbahnhof, Gleis 5.
       Irgend etwas stimmt nicht. Ich fühle mich leicht. Zu leicht. Ein Moment
       gleißenden, hellen Entsetzens: Mein Rucksack fehlt. Ich habe ihn am
       Gepäckband stehen lassen. Handgepäck zu verlieren, ist für jeden Reisenden
       eine Katastrophe: Pass, Geld, Kreditkarten, Kamera, Urlaubsfotos – alles
       weg.
       
       Für einen Journalisten, der von einer zweiwöchigen Recherchereise nach
       Ecuador zurückkommt, ist es der GAU, kurz vor einem Unfall mit
       Körperschaden. Denn auch Zweitkameras, Aufnahmerekorder, Hunderte von Fotos
       und Tönen, das Buch mit Notizen, Adressen und Ideen – die Ergebnisse zwölf
       harter Arbeitstage sind im Nichts verschwunden. Unglaube.
       Fassungslosigkeit.
       
       Während ich zurückhetze, jagen sich die Gedanken: Einen ehrlichen Finder,
       gäbe es ihn, würde ich herzen und küssen, ach was: ihm eine lebenslange
       Rente auszusetzen, wäre das Mindeste. Zum Glück ist der Info-Schalter frei.
       Der ältere Mann, katastrophenerprobt, bleibt ruhig. Man kann von außen zu
       den Gepäckbändern durch, aber sicher. Ich stolpere, renne, eile: Vielleicht
       greift ja genau im nächsten Moment eine gierige Hand …
       
       Band 11 liegt am hintersten Ende der weiten Halle. Trotz Koffer jetzt – ich
       fliege. Und da – nein, bloß keine vorschnelle, trügerische Erleichterung
       jetzt, doch, nein, ja, da liegt er, genauso abgewetzt, prall und unberührt
       wie zuvor: meiner! Religiöse Zeitgenossen sind in solchen Momenten im
       Vorteil. Sie fallen auf die Knie und danken ihrem jeweiligen Oberboss.
       
       Der Agnostiker behilft sich sportlich: Triumphschrei, Freudensprung, Faust
       in die Luft – Mario Götzes WM-Torjubel war eine müde Nummer dagegen. Mit
       feuchten Augen laufe ich auf meinen kleinen Schwarzen zu, drücke ihn ans
       Herz, kein verlorener Sohn kann von seinem Vater mit größerer Hingabe
       umarmt worden sein. Dann sterbe ich tausend Tode nachträglich.
       
       18 Dec 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Franz Lerchenmüller
       
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