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       # taz.de -- Buch über Antirassismus: Eine Analyse rassistischer Kampfzonen
       
       > Weder individuelle Therapie noch Bildungsseminar: Achim Bühl erklärt in
       > seinem Buch, weshalb Antirassismus so sein muss.
       
   IMG Bild: Rassistische Kampfzonen im Alltag: „wir“ und „die Anderen“
       
       Der Rassismus ist ein gesellschaftliches Machtverhältnis, das Strukturen
       und Institutionen ebenso wie Handlungen und Ideologien umfasst“. Achim
       Bühls Definition des Rassismus in seinem Buch „Anatomie eines
       Machtverhältnisses“ kann man sich nicht oft genug vergegenwärtigen. Denn
       Rassismus ist nicht einfach Ideologie, persönliche Haltung oder Meinung, es
       liegt ihm stets ein Machtverhältnis zugrunde.
       
       „Der Rassismus ist immer primär Rassismus der Gesellschaft und nicht
       Handlungsweise extremistischer oder krimineller Elemente“, schreibt der
       Soziologe. Durch ihn konnten Millionen von Afrikanern auf die Plantagen der
       Karibik verschifft und gnadenlos ausgebeutet werden, Millionen Juden von
       den Nazis vernichtet, Milliarden von kolonisierten Indern, Afrikanern,
       Indios entwertet und enteignet werden.
       
       „Der Rassist spaltet die Gesellschaft in eine ‚Wir-Gruppe‘ und eine
       ‚Fremdgruppe‘, um mittels der sozial konstruierten Gruppenbildung eine
       Vorrangstellung aufrechtzuerhalten, die ihm soziale, ökonomische wie
       kulturelle Extragewinne verspricht.“ Ein Machtverhältnis, das man in
       unterschiedlichen Ausprägungen überall auf der Welt findet: Christen gegen
       Juden, Weiß gegen Schwarz, Hindus gegen Muslime, Araber gegen Afrikaner
       usw.
       
       Bühl liefert eine differenzierte und umfassende Analyse rassistischer
       Kampfzonen. Das ist sein Verdienst. Auch die Kampfzone Alltag durchleuchtet
       er: „Der Alltag ist das vorrangige Kampffeld des rassistisch Dominierenden,
       um mittels der rassistischen Karte seine Ressourcen gewinnbringend zu
       optimieren“, schreibt Bühl. Er bringt Beispiele aus Kinderbüchern,
       Kinderreimen, historischen Reiseberichten, aber auch Straßenbezeichnungen
       mit heute als rassistisch verpönter Namensgebung.
       
       Beispielsweise die Mohrenstraße in Berlin. Sie ist nach schwarzen Musikern
       des preußischen Heeres benannt. 1721 verkaufte Friedrich Wilhelm I. die
       preußischen Afrika-Annexionen an die niederländische Westindien Kompanie.
       Zusätzlich zur Kaufsumme waren „12 Negerknaben“ zu stellen. Fast niemand
       kennt heute die koloniale Geschichte der Mohrenstraße.
       
       Der antirassistische Kampf gegen den Straßennamen wird daher von vielen als
       übertriebener Antirassismus belächelt. Und leider verliert sich auch Bühls
       akribische Analyse des Rassismus bei der Auseinandersetzung mit dem
       Alltagsrassismus im schematischen Dogma, das eigentlich seiner Analyse
       widerspricht: „Insofern der Rassismus ein gesellschaftliches Verhältnis
       ist, ist der Antirassismus ein politischer wie sozialer Kampf und keine
       individuelle Therapie oder ein Bildungsseminar.“
       
       So wirkt es aber schnell, wenn jedes historisch gewachsene Bild, auch wenn
       es rassistischen Ursprungs ist, zu empörter Schnappatmung führt und auf den
       Index kommt. Worte wie „Rasse“, „Mohr“ oder „Indianer“ sind auch
       Zeitzeugnisse. Sie zu benutzen mag heute unachtsam sein. Sie mit der
       antirassistischen Moralkeule zu ahnden führt aber letztlich nur zur
       Tabuisierung, und das ist genau das Gegenteil von Aufklärung.
       
       16 Dec 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Edith Kresta
       
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